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- Medien und PR
-
«Neue
Informationskanäle» oder «Betrug am Leser»?
Unternehmen bombardieren die Medien mit
Pressetexten. Das Resultat: Redaktoren ärgern sich über
die unbrauchbare Papierflut, die Absender über das magere Echo.
Gezieltere Medienarbeit: Heisst das, sich den Platz in einem Medium
zu kaufen? Ist das unzulässig oder bloss eine zeitgerechte Form
der Informationsvermittlung? Solche Fragen behandelte ein
Podiumsgespräch mit hochkarätigen Teilnehmern in Zürich.
Aus Anlass der X02, der Messe für Marketing,
Kommunikation und Event in Zürich, hat die Marketingfirma
Unimark Schweiz am 21. August 2002 eine aufwendige Talk-Show im
Fernsehstudio Leutschenbach veranstaltet. Unimark, domiziliert im
steuergünstigen Unterägeri und nicht zu verwechseln mit
der gleichnamigen kanadischen Computer-Zubehör-Firma, hat Uli
Rudel als CEO und Christian Grass als Head of Communication.
Letzterer arrangierte den ersten Unimark-Talk weitere sollen
folgen und setzte sich gleich selber aufs Podium, überliess
jedoch die Moderation Marco Castellaneta vom Konsum-TV der Ringier
AG. Mit Grass diskutierten Eva-Maria Panzer, Medienbeauftragte von
Mövenpick, Philipp Löpfe, Chefredaktor «Tages-Anzeiger»,
Bernhard Maissen, stellvertretender Chefredaktor der Schweizerischen
Depeschenagentur, Fredi Lüthin, eben von der
«Beobachter»-Redaktion «ans andere Ufer des
Flusses», wie er sagt, zur Medienarbeit am Forschungsinstitut
für Schnee, Wald und Landschaft übergewechselt, Stefan
Nünlist, Chief Corporate Communication & Public Affairs bei
Swisscom laut ihm «kein Koloss, sondern vielleicht ein
grosses KMU» , Pierre C. Meier, Chefredaktor «Media
Trend Journal», sowie Angelo Heuberger, Herausgeber der
Reisefachzeitschrift «Travel inside». Es ging darum, ob
und inwieweit Medienredaktionen von Marketing- und PR-Profis
steuerbar seien, respektive um die Frage «Führen
Schweizer Unternehmer ihre Medienarbeit an den Journalisten
vorbei?».
Video-Streaming, Plüschtier und Swissness
Das Publikum bildeten PR-Leute sowie kleine und mittlere
Unternehmer, welchen für den Talk und die Gelegenheit, beim
anschliessenden Apéro persönliche Medienkontakte zu
knüpfen, 150 Franken Eintritt abgeknöpft wurden. Das
Event, aufgenommen mit zwei Kameras in voller Studioqualität,
ist in ruckeliger Streaming-Video-Technik permanent visionierbar auf
www.unimark.ch/marketing-communication/xongress2.htm.
Dem
weitverzweigten Internet-Auftritt der Unimark ist ferner zu
entnehmen, dass Christian Grass den Migros-Plüschhund
«Schnuffi» promotet: «Ich soll das Tierchen medial
inszenieren, positionieren, unverwechselbar machen. Jawohl.»
(www.unimark. ch/marketing-communication/ 133.htm). Unimark arbeitet
auch daran, die «Marke Schweiz» von der «internationalen
Brand-Katastrophe» in angesagte und hippe «Swissness»
zu überführen
(www.unimark.ch/marketing-communication/134.htm).
«Wir
wissen, dass wir instrumentalisiert werden»
Eva-Maria
Panzer beklagte sich über findige Leute, die sich als
Journalisten ausgäben und Gratisferienreisen verlangten, dann
aber doch keinen Artikel darüber schreiben würden.
TA-Chefredaktor Löpfe konterte, er dulde nicht, dass von andern
Firmen bezahlte Journalisten Presseartikel im Redaktionsteil
platzierten. «Würde herauskommen, dass einer geschmiert
wurde, würde er am nächsten Tag nicht mehr beim
Tages-Anzeiger arbeiten.» Löpfe berichtete
aber von Personen, die als angebliche Auto-Journalisten gratis
Testfahrten gemacht hätten und dann das Ausbleiben eines
lobenden Artikels über das getestete Modell mit der angeblichen
Autofeindlichkeit des «linken» «Tages-Anzeigers»
begründeten. Auch Pierre C. Meier postulierte für sein
Blatt, da dürfe niemand, der im Sold einer Firma stehe, über
deren Produkte schreiben.
So war sich die Runde einig: Dies sei
nicht der Weg, firmenspezifische Inhalte in Redaktionen zu
schleusen. Nur Mitarbeiter kleinerer Zeitungen seien allenfalls
darauf angewiesen, etwa von gesponsorten Feriendestinationen zu
schwärmen. Wichtig seien vielmehr gegenseitiges Vertrauen und
stete Kontaktpflege. Im Fall von Eva-Maria Panzer umfasst dies neben
Treffen an Events und Messen auch persönliche Besuche auf
Redaktionen. Zentral seien dabei Transparenz und Offenheit.
Philipp
Löpfe meinte: «Wir wissen, dass wir instrumentalisiert
werden, und wir müssen damit umgehen.» Er verwies auf
gezielte Informationsplatzierungen im Problemfeld
Swissair/Crossair/Swiss.
Bei Angelo Heubergers
Presseerzeugnissen kommen 85 Prozent der Einnahmen von den
Inseraten, 15 Prozent von den Lesern. «Damit umzugehen, muss
man lernen», sagt er.» Er plädiert für die
Abkehr von Verbissenheit und festen Vorgaben wie «Man ist
Journalist, man darf nicht» oder «Man ist
Medienarbeiter, man muss Druck erzeugen.»
«PR-Attentate»
oder Kommunikationsstrategie
Der Medienarbeiter der «KMU»
Swisscom, Stefan Nünlist, erwähnte beiläufig, dass er
drei vollamtliche Mediensprecher beschäftige und mit seinen
Informationen über den Geschäftsgang, welche ja vom
Börsengesetz vorgeschrieben seien, stets gut in die Presse
gelange. Der allerleichteste, doch keineswegs beliebteste Weg, ein
Unternehmen auf die Titelseiten zu bringen, sei aber immer noch ein
handfester Firmenskandal. Viel schwieriger sei es und dazu
äusserten alle Talker Zustimmung «business as
usual» zu kommunizieren oder Positives in die Medien zu
bringen.
Lüthin kritisierte das «Schrotflintenprinzip»,
nach welchem einige PR- und Marketing-Leute ihr Pressematerial
aussenden, und plädierte für zielgenaue
Öffentlichkeitsarbeit. Dem schloss sich Meier an und
berichtete, er habe allein im letzten Monat ein Kilogramm
Werbesendungen erhalten, die er schlicht als «Schrott»
bezeichnete. Das ergebe dann pro Jahr 12 Kilo, aber der Papierkorb
sei ja gross genug. Zum Papier hinzu kämen Warenmuster, von
Schuhen und Socken über revolutionäre Hängematten bis
zu wöchentlich zwei CDs mit volkstümlichen Schlagern - und
die könne er nicht mal weiter schenken.
Angesichts solcher
«PR-Attentate», wie es der Diskussionsleiter
formulierte, meinte Veranstalter Grass spitz: «Die Unternehmen
können nicht kommunizieren.» Kommunikation sei eine
Strategie. Eine Marke könne heute nur überleben mit den
Eckpfeilern Innovation, Value und Kommunikation. «In der
Schweiz sind seit 1991 60 000 neue Brands entstanden. Jedes Jahr
gehen aber dreieinhalbtausend wieder zugrunde. Eine Brand ist eben
sehr schnell ruiniert.» Als Unternehmer gelte es zu fragen:
«Wo bin ich, was bin ich, und was strebe ich an.»
Das
klassische Modell: Medienkonferenzen, Medienmitteilungen
Auch
für Stefan Nünlist von der Swisscom ist Medienarbeit
strategische Kommunikation. «Medienarbeit muss Vertrauen
schaffen für meine Firma, für mein Produkt, damit
Aktionäre Firmenaktien kaufen und damit Arbeitnehmer sich bei
uns bewerben.» Nünlist sieht, wie auch Eva-Maria Panzer,
durchaus Sinn in Pressetext-Versänden in hoher Auflage - samt
kleinen Beilagen, etwa einer CD. Es sei Aufgabe der Journalisten,
aus der Fülle der Informationen nach ihrem Ermessen das
Wesentliche und Interessante auszuwählen.
Grass warnt vor
breitgestreutem Versand von Pressemitteilungen. Es gelte, einzelne
Journalisten, zum Beispiel per Telefon, gezielt neugierig zu machen,
und das gehe nicht, indem man ihnen eine Pressenotiz schicke, die
900 andere Journalisten ebenfalls bekämen.
Philipp Löpfe
möchte die Pressemitteilungen von Firmen nicht missen. Gerade
im Wirtschaftsteil von «Tages-Anzeiger» oder NZZ würden
diese oft wiedergegeben und von den Leser stark beachtet.
Fredi
Lüthin warnte: «Journalisten sind selbstständige,
einigermassen intelligente Leute, die selber etwas machen wollen.
Wenn man auf der Unternehmensseite das Gefühl hat, dass sie nur
das abdrucken dürften, was man ihnen schickt, dann kommt es
schlecht heraus.»
Neu: filigrane Artikel in bezahlten
Kanälen
Laut Christian Grass sind die Medien auf der Jagd
nach Auflage, nach Einschaltquoten und nach Inseraten. Kaum habe man
einen PR-Artikel platziert, rufe auch schon die Werbeabteilung
dieses Mediums an und frage, ob die Firma das Anliegen nicht auch
noch mit einem Inserat visuell unterstützen wolle.
Demgegenüber schlägt der
Unimark-Kommunikationsstratege Grass neue Informationskanäle
vor: «Wir leben in einer multioptionalen Gesellschaft. Gönnen
wir es den Menschen, die Wahrheit, die sogenannte, selber zu finden.
Gönnen wir den Menschen etwas mehr Infotainment. Gönnen
wir ihnen eine Botschaft, die sie über mehrere Kanäle
erhalten. Wir leben heute in einer demokratischen
Informationsgesellschaft. Jeder kann alle Informationen aus dem
Internet holen. Warum sollen wir da nicht die Möglichkeit
bieten, Botschaften von Unternehmen in der Werbung, im Internet, in
Printmedien zu verkaufen? Und zwar nicht im Sinn von Werbung oder
als Publireportage, sondern als journalistisch filigran
recherchierten Artikel.»
Zusammenfassend verwies Grass auf
bezahlte Sendungen und Sendeplätze, die es etwa bei Ringier-TV
durchaus gebe. Er empfiehlt solches den Medien generell, und zwar
unter Weglassung von Vermerken wie «Publireportage» oder
«Anzeige».
«Betrug am Leser»
Dem
gegenüber konterte Löpfe scharf: «Das ist Betrug am
Leser.» Wohl sei das Internet zur Verbreitung aller
Informationen und Botschaften offen. Aber niemand habe genug Zeit,
um zu allen ihn interessierenden Fragen jeweils das ganze Internet
durchzukämmen. Eine Zeitung, eine Tagesschau sei ein
Ordnungsprinzip, das die Welt der Nachrichten zu gewichten habe.
Löpfe wandte sich auch gegen die personalisierte Zeitung, wie
sie auf dem Höhepunkt der Internet-Euphorie propagiert wurde.
Sonst könnte es dann vorkommen, dass ein passionierter Angler
zwar immer sofort wisse, wer wo den grössten Fisch gefangen
habe, doch seinem personalisierten Informationsmix entgehe dann
vielleicht der Kriegsbeginn im Irak.
In Werbung und Journalismus
sieht Löpfe, bei allem Beharren auf Unterscheidbarkeit, eine
höhere mediale Einheit. Werbung wirke glaubwürdiger, wenn
sie in einem vertrauenswürdigen journalistischen Umfeld
erscheine.
Auch Eva-Maria Panzer von der PR-Seite (Mövenpick)
ist «ganz gegen bezahlte PR-Artikel»: «Das ist doch
lächerlich, da macht man sich doch selber unglaubwürdig
gegenüber dem Leser.»
Veranstalter Grass konterte,
aus seiner langjährigen Erfahrung in der Touristikbranche wisse
er sehr wohl, dass es dort gang und gäbe sei, Journalisten
«Hotels und Halli Galli» zu bezahlen, und dafür
würden genau jene Artikel erwartet, die dann auch prompt
erscheinen würden.
Grass betonte, auch er sei für eine
«saubere» Presse. «Sie muss dann aber auch so
sauber sein, dass in den Wirtschaftsnachrichten nicht gefälschte
Bilanzen abgedruckt werden.» Keineswegs unsauber sei es,
Botschaften über bezahlte Kanäle zu transportieren. Grosse
Medienhäuser in Deutschland sähen darin eine zukünftige
Finanzierungsquelle.
An diesem Punkt brachte sich Löpfe
nochmals als eigentlicher Gegenpol des Veranstalters und als
«vehementer Vertreter der Trennung von Redaktion und Verlag
und der redaktionellen Unabhängigkeit» in die Diskussion
ein: «Für uns wäre es nicht einmal nur ein
moralischer, sondern ein unternehmerischer GAU, wenn von irgendeinem
Artikel im redaktionellen Teil bekannt würde, dafür sei
der Autor von aussen bezahlt worden. Es wäre undenkbar.»
Thomas Huonker, freier Journalist, Zürich-
- (Erschienen in:
journalisten.ch 4/02 vom 07.10.2002)
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