Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung Nationales Forschungsprogramm NFP 51: Integration und Ausschluss |
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Unterwegs zwischen Verfolgung und Anerkennung Formen und Sichtweisen der Integration und Ausgrenzung von Jenischen, Sinti und Roma in der Schweiz seit 1800 bis heute |
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Inhalt
1.
Zusammenfassung
Das Projekt beabsichtigt, aus multikultureller [1] und minderheitsgeschichtlicher [2] Perspektive die verschiedenen Phasen der Ausgrenzung respektive Integration von Jenischen, Roma und Sinti im Gebiet der Schweiz und der Grenzregionen in präziser begrifflicher Differenzierung darzustellen.
Bei der zeitlichen Periodisierung dieser Vorgänge, Konflikte, Massnahmen und Entwicklungen sind in der neueren Geschichte der Schweiz verschiedene Zäsuren auszumachen (um 1800, um 1850, um 1920, um 1970) und genauer zu untersuchen, die auch im Zusammenhang mit dem nation-building der Schweiz und entsprechender Homogenisierungs- und Ausgrenzungstendenzen stehen.[3]
Die
treibenden Kräfte dieser Brüche, die Optiken der daran Beteiligten, die jeweils
verwendeten Begrifflichkeiten stehen in Auseinandersetzung und Zusammenwirken
mit länger anhaltenden Kontinuitäten und international wirksamen Tendenzen. In
diesem Zusammenwirken sind einerseits regionale und strukturelle Muster seitens
der sesshaft geprägten Mehrheitskulturen (Grenzgebiete / Landesinneres,
Deutschschweiz / Romandie /italienischsprachige Gebiete / romanischsprachige
Gebiete, katholisch / protestantisch, rural / urban, soziale Schichtung)
differenziert zu betrachten.
Andererseits sind die Besonderheiten, Gemeinsamkeiten, Anpassungs- und Selbstbehauptungsformen der Jenischen, Sinti, Roma und von deren Untergruppen zu würdigen. Dies im bewussten Gegensatz zu den in den verschiedenen Phasen im wissenschaftlichen, politischen oder medialen Diskurs des Schweizer Umfelds vorherrschenden Terminologien mit pauschalisierenden und oft negativ konnotierten Bezeichnungen („Gauner“, Heimatlose, “Vaganten“, „Zigeuner“, Wandergewerbetreibende, „Unerwünschte“, „Ausländer“, „erblich Minderwertige“). Mit dem Raster solcher Terminologien und Etikettierungen wurden die Jenischen, Sinti und Roma vielfach unter teilweise grössere Gruppenzuordnungen oder projektive Stereotypien subsumiert, was das gegenseitige Verständnis nicht erleichterte. In neuerer Zeit wichen diese älteren stereotypisierenden oder pauschalisierenden Aussensichten einer teilweise romantisierenden und exotisierenden Sicht auf die nun in der Schweiz oft unter dem Begriff „Fahrende“ subsumierten Gruppen, zu denen aber immer, und zwar mehrheitlich, auch sesshafte Gruppenangehörige kulturell zugehörig sind.
In der neueren Methodologie der Sozialwissenschaften haben Methoden und Fragestellungen zu solchen Zuschreibungs- und versteckten oder offenen Wertungsformen vermehrt Beachtung gefunden. So etwa auf einer metahistorisch-philosophischen Ebene, die sich insbesondere mit den narrativen Strukturen, Sinngebungen und Zeitebenen befasst, ausgehend von den Arbeiten von Paul Ricoeur und Hayden White.[4]
Die kulturellen Unterschiede, Besonderheiten und Gemeinsamkeiten der sozialen Lage dieser Gruppen sollen im Projekt deshalb unter spezieller Berücksichtigung von Selbstzeugnissen der Gruppenzugehörigen dargestellt werden, unter Einschluss methodologischer und narrativitätstheoretischer Erwägungen und Kommentare.
Das Projekt zielt nicht auf eine Aufarbeitung des gesamten Themenfeldes, ist also nicht als ein Vorhaben im Sinne der als histoire totale bezeichneten Arbeiten vor allem des französischen Sprachraums konzipiert, wenn es auch den Blick für die longue durée der vom Projekt angegangenen Thematik mit der französischen Annales-Schule teilt. [5] Die Differenz des vorliegenden Projekts zum überwiegend auktorial erzählenden Ansatz der Vertreter einer histoire totale liegt, bei allem Respekt vor der anerkannten Qualität vieler Arbeiten dieser Richtung, einesteils im mehr diskurskritischen Ansatz des vorliegenden Projekts, zum anderen auch darin, weil im Rahmen des vorliegenden Projekts, innerhalb dessen personeller und zeitlicher Dotierung und dessen zeitlich weitem Untersuchungsrahmen ein nahezu enzyklopädisch umfassender Anspruch, wie er letztlich hinter dem Konzept der histoire totale steht, ohnedies kaum erfüllt werden könnte. Zudem liegen zu zahlreichen Einzelbereichen der zu untersuchenden Thematik mittlerweile schon etliche neuere Forschungsarbeiten vor, ferner werden ein regionaler Forschungsbereich und bestimmte Zeitabschnitte und institutionelle Bereiche der Thematik im Rahmen anderer Projekte des NFP 51 abgedeckt; es kann somit nicht um den Versuch einer sogenannten Gesamtschau gehen.
Während
ein wichtiger Teil der geplanten Forschungsarbeit Archivarbeit sein wird, soll
auch oral history, d.h. der Zugang zu diesen Fragestellungen über Bestandesaufnahmen
der mündlichen Überlieferung durch Interviews mit Angehörigen der genannten
Gruppen einen wichtigen Platz im Projekt einnehmen und dessen Archiv- und
Literaturstudien ergänzen. Durch Gegenüberstellung, Parallelisierung und
Hinweis auf die verschiedenen Optiken und Intentionen der schriftlichen und
mündlichen Zeugnisse kann der historische Prozess in seinem langfristigen
Verlauf und insbesondere an den Bruchlinien neuer Formen von Ausgrenzung und
Integration in deren teils wechselnden, teils von Kontinuitäten zeugenden
Aspekten dargestellt werden.
Das Arbeitsprogramm an
Interviews soll einerseits ein breiteres Sample an Interviews zur Erschliessung
des ganzen Themenkreises umfassen. Leitfaden dieser Interviews ist der
chronologische Lebenslauf der Interviewten, aber es können auch gezielte Fragen
zu interessierenden Bereichen sowie unterschiedliche Nachfragen aus dem
Gesprächsverlauf heraus gestellt werden. Diese lose strukturierten Interviews
längs einem lebensgeschichtlichen Leitfaden sollen auch ihrerseits als
Leitfaden der Forschung im Sinne der Erschliessung der bei einem Ausbau eines
solchen Interviews zu einer Einzelfallrekonstruktion zu berücksichtigenden
Archivalien dienen können. Diese Interviews werden teiltranskribiert.
Andererseits soll ein kleineres Sample von lebensgeschichtlichen Interviews gemacht werden, die zur Gänze transkribiert, interpretiert und kommentiert werden sollen. Diese tiefergehenden Interviews sollen nach den Methoden der qualitativen Biographie-Forschung[6] erarbeitet werden.
Etliche Aspekte der von Bettina Dausien [7] aus spezifisch weiblicher Sicht gegenüber strukturierten Interviews oder quantitativen Forschungsmethoden geltend gemachten Vorteile des narrativen Interviews haben ihre Relevanz ohnedies für Interviews mit Frauen aus den von unserem Projekt zu befragenden Gruppen, aber in vieler Hinsicht auch für die Gruppenangehörigen insgesamt, speziell was die Differenz zu früheren wissenschaftlichen Forschungsweisen, Stereotypisierungen oder auch das langjährige Desinteresse an den Selbstbildern der von der Forschung Thematisierten betrifft.
Diesen Ansatz fruchtbar zu machen heisst, die Interviews so anzugehen, dass auch diese längeren Interviews wesentlich von den Erzählern narrativ gestaltet und nicht mit einem feststehenden Fragekatalog vorstrukturiert werden, die Fragen somit hauptsächlich der In-Gang-Haltung des Erinnerungsprozesses der Lebensgeschichte dienen oder Verständnisfragen des Interviewenden im Verlauf des Gesprächs sind.
Nach den Gesprächen, im Verlauf und nach der Transkription der Interviews sollen die Ausführungen der Interviewten gegenseitig unter Erarbeitung eines Stichwortkatalogs auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede, auf Wiederholungen und Besonderheiten hin verglichen und im Umfeld der anderen Interviews sowie schriftlicher Quellen im Sinne der Herausarbeitung einer Auswahl besonders interessierender Darlegungen nach transparenten Kriterien aufeinander und auf die gesamte Darstellung bezogen werden.
Je
nach Länge und Anzahl der insgesamt im Rahmen des Forschungsprojekts zu
realisierenden Interviews sollen aber auch einige Interviews, wiederum nach
transparent darzulegenden Kriterien, möglichst vollständig in die Darstellung
einbezogen werden. Dieses kleinere Sample von tiefergehenden Interviews und
deren Auswertung soll einen eigenständigen Hauptteil vor allem in der
Darstellung des neueren Abschnitts des untersuchten Zeitraums bilden. Wenn
immer möglich soll dies im Sinn von Einzelfallrekonstruktionen unter Einbezug
der parallelen Durchsicht von
schriftlichen Quellen zu denselben Lebensgeschichten gemacht werden, soweit
über die Interviewten Akten bestehen und ausfindig gemacht werden können.
Bei
Gruppenangehörigen, wo solche Aktenbestände nicht vorhanden oder auffindbar
sind, sollen aber auch Interviews ohne Aktenparalleldurchsicht in grösserem
Umfang oder vollumfänglich transkribiert und in die Darstellung eingebaut
werden.
Neben
der Neuaufnahme von Interviews sollen auch mittlerweile vorliegende Interviews
aus den letzten Jahrzehnten berücksichtigt werden. Es dürfte sich dabei zeigen,
dass die zunehmende Sensibilität einer breiteren Öffentlichkeit für die
Wahrnehmung der Selbstsicht von Angehörigen dieser lange ausgegrenzten Gruppen
auch deren Diskurs und öffentliche Selbstdarstellung verändert hat.
Die Auswahl der Interviewpartner und -partnerinnen und die Auswertung der Interviews soll insbesondere auch auf generations- und gender-spezifische Aspekte bezogen sein und die methodischen Erkenntnisse auf dem Gebiet der oral history aufnehmen.[8] Die Interviews können von zwei der drei Projektmitarbeiter auch in den gruppenspezifischen Originalsprachen geführt und übersetzt werden. Deshalb und durch die langjährigen Kontakte der im Projekt Involvierten mit Repräsentanten und Organisationen der Jenischen, Roma und Sinti in der Schweiz und in Europa ist der Zugang zu einer ausreichenden und repräsentativen Auswahl von Interviewpartnern gewährleistet. Es ist eine durch die bisherige Forschungspraxis der Projektmitarbeiter, aber auch einer grosser Zahl anderweitiger Arbeiten belegte Erfahrung, dass der Zugang zu Personen dieser Gruppen, welche zu Interviews bereit sind, bei einem von Respekt und Verständnis geprägten Auftreten der Forscher, trotz früherer schlechter Erfahrung dieser Gruppen mit Forschungen aus rassistischen Ansätzen heraus, durchaus und innerhalb der hier projektierten Fristen und Zielsetzungen und im Rahmen der skizzierten Methodologie machbar ist und nicht nur einem Bedürfnis der Forschung, sondern auch der Kommunikationsbereitschaft der zu Befragenden dient, deren Stimmen allzu lange ungehört blieben.[9]
2.
Forschungsplan
2.1.
Stand der Forschung im Untersuchungsfeld
In
der alten Eidgenossenschaft wurden Fremde, insbesondere „Zeginer“, „Heiden“ und
Juden, unter Begriffen wie „herrenloses Gesindel“ oder „Vaganten“ mit teilweise
brutalen Methoden vertrieben. Die Ausgrenzungsmethoden gegenüber den „Vaganten“
waren Brandmarkung, Auspeitschung, Verkauf als Galeerensklaven, Erklärung als
„vogelfrei“, d.h. von jedermann straflos zu töten, bei trotzdem erfolgender
Wiedereinreise Erhängen. Die Ausgrenzungsmethoden gegenüber den Juden waren
Gettoisierung, Berufsverbote, Kennzeichnung durch vorgeschriebene Kleidung und
Abzeichen, periodische gewaltsame Pogrome bis hin zur Zerstörung oder Beschlagnahmung
der von Juden bewohnten Häuser und Vertreibung oder Verbrennung der Bewohner.
Die Abwehrmassnahmen gegen die Vaganten sind in
den Abschieden (Beschlüssen) der Tagsatzung, des obersten Organs der Alten
Eidgenossenschaft, sowie in lokalen Rechtsquellen dokumentiert, ebenso wie die
Pogrome gegen Juden. Legaler Aufenthalt wurde verhindert oder eingegrenzt.
Fahrende wurden z.B. 14 Tage im Jahr während der sogenannten „Fekkerchilbi“ in
Gersau toleriert, Juden durften sich schliesslich nirgends in der alten
Eidgenossenschaft ausser in den zwei Aargauer Dörfern Lengnau und Endingen
niederlassen.
Solche Sonderregelungen wurden nach dem Scheitern der Helvetik mit ihrem liberaleren Niederlassungsrecht wieder restauriert und bestanden bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Emanzipation der Juden erfolgte erst ab 1866 (Niederlassungsfreiheit und Rechtsgleichheit) und 1874 (Kultusfreiheit).[10]
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Korrektionsanstalten, Armenanstalten und Zuchthäuser geschaffen, die oftmals explizit zur Aufnahme der „Vaganten“ dienen sollten. In den Pflichtenheften der ersten Polizeikorps, der sogenannten „Landjäger“, stand die Überwachung und Vertreibung der „Landstreicher“ an erster Stelle. „Mit den Anstalten und dem Polizeikorps schuf sich der bürgerliche Staat bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts jene Instrumente, die eine wirkungsvolle Verfolgung und Repression der vagierenden Unterschichten und ihrer Lebensweise überhaupt erst möglich machten“, schreiben Meier und Wolfensberger in ihrem Buch, dessen Forschungsergebnisse ihr Schwergewicht in der Region Bern haben.[11]
Kurz nach Gründung des Bundesstaats, ab 1851, wurden die oft papierlosen und nicht sesshaften so genannten „Heimatlosen“ in der „Vagantenfahndung“ inhaftiert, verhört und fotografiert. Dieses Verfahren entschied, wer aufgrund des „Gesetzes die Heimatlosigkeit betreffend“ gegen den teilweise sehr lange anhaltenden und fintenreich geführten Widerstand vieler Kantons- und Gemeindeinstanzen zwangseingebürgert wurde; die anderen wurden zwangsausgeschafft. Die „Vagantenfahndung“ wurde bereits in mehreren Publikationen dargestellt.[12]
Welche
Familien, Gruppen oder Einzelpersonen eingebürgert, welche ausgeschafft wurden,
muss aufgrund der geäusserten Kriterien der Zuständigen und anhand eines
repräsentativen Samples von Einzelfällen abgeklärt werden. Es scheint, dass in
der Schweiz aufgegriffene Sinti und Roma wenig Chance auf die damalige
Zwangseinbürgerung hatten.
Wie
die anderen Heimatlosen bekamen auch die Fahrenden erst mit dem Bürgerrecht das
Recht auf legitime Ehe und Elternschaft. Einige bekannte jenische Familien
sicherten sich schon vor der Zwangseinbürgerung in verschiedenen Gemeinden ihre
Bürgerrechtspapiere, galten jedoch auch weiterhin oftmals als unerwünschte
Bürger zweiter Klasse. Hinzu kam, dass viele Jenische weder in den Ortschaften,
wo sie sich schon vor der Zwangseinbürgerung eingekauft hatten, noch in den neu zugewiesenen
(Gebirgs)-Heimatdörfern, wo sie als Neubürger keinen Anteil an Kollektivrechten
auf Alpweiden und Wälder hatten, wirtschaftlich auf einen grünen Zweig kommen
konnten. Es wird zu untersuchen sein, wieweit ihre Berufsausübung an ihren
Bürgerorten auf Arbeiten wie Alpknecht, Fuhrknecht etc. beschränkt blieb und
inwieweit sie zu Besitz, Ansehen oder Teilhabe an politischen Ämtern kamen.
Oft
behielten sie ihre nichtsesshafte Lebensweise in anderen Talschaften oder im
Mittelland mit ihren Hausier- und Wandergewerben bei. Diese wurden mit
schikanösen Sonderregulierungen (den kantonalen „Patentvorschriften“) erschwert
und speziell besteuert. Zudem verbot der Bundesstaat die Ausübung von
Wandergewerben durch Familien mit schulpflichtigen Kindern, wobei die Absicht,
damit den jenischen Kindern den Einstieg in erfolgreiche Schulkarrieren zu
ebnen, möglicherweise überlagert wurde von dem Bestreben, damit eine Handhabe
gegen die fahrende Lebensweise zu haben.
Die Existenz der Jenischen in der Schweiz blieb somit auch nach der in vielen Kantonen sich überdies nur zögerlich und über Jahrzehnte hinziehenden Aufnahme ins Bürgerrecht juristisch und wirtschaftlich prekär. Ihr Ansehen und ihr soziales Prestige blieb gering, wie aus literarischen Texten und amtlichen Verlautbarungen zu belegen ist. Ihre Sprache drohte zu verschwinden. Der Schweizer Kriminologe von Reding schrieb 1864 unter dem Titel „Die Geschichte des Gaunerthums in der Schweiz“ in Fortführung der weit zurückreichenden Auffassung, wonach jenisch eine „Gaunersprache“ und die fahrende Lebensweise unter kriminellen Generalverdacht zu stellen sei: „Nur die Hervorragendern (...) kannten noch eine gewisse Anzahl jenischer Wörter.“ Unter Bezug auf die schon ab 1825 im Kanton Luzern durchgeführten Wegnahmen von jenischen Kindern aus ihren Herkunftsfamilien und auf die noch laufenden Zwangseinbürgerungsverfahren schrieb von Reding weiter: „Was noch Gutes an dem Reste dieses Volkes zu retten ist, wird sich erhalten, nachdem die wirklich Heimatlosen durch die Humanität der eidgenössischen Behörden zur Bürgern der Kantone erhoben und ihre Kinder einer ordentlichen Erziehung übergeben sein werden.“ [13]
Auch
im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts gerieten zahlreiche Eltern und Kinder
aus den sogenannten „Vagantengeschlechtern“ in den immer weiter ausgebauten
Archipel von Zwangsarbeitsanstalten, die bald, so etwa Witzwil, zu den grössten
Landwirtschafts-Betrieben in der Schweiz wurden. Es gibt zwar einige
Monografien zu einzelnen Anstalten, eine moderne sozialgeschichtliche
Aufarbeitung der Anstaltsgeschichte der Schweiz fehlt aber über weite Strecken.
In diesem Projekt soll dies für jene Anstalten, welche von besonderem Belang
für die Thematik des Projekts sind, etwa Bellechasse, Realta, Witzwil oder die
Waisen- und Armenhäuser einiger Gemeinden, die nun zu Heimatgemeinden der
Zwangseingebürgerten geworden waren, so in Einsiedeln und Obervaz, nach
Möglichkeit angegangen werden.
Ab
Ende des 19. Jahrhunderts geschahen solche Anstaltseinweisungen neu nicht nur
mit fürsorgerischer oder armenpolizeilicher Begründung, sondern auch aufgrund
eines psychiatrischen Diskurses, der dann im 20. Jahrhundert seine volle
Wirksamkeit entfalten sollte.
Die Verquickung von Fürsorge und Psychiatrie ist seit kurzem in mehreren Publikationen thematisiert worden.[14]
Der Psychiater Josef Jörger aus der Bündner Gemeinde Vals, wo ebenfalls eine jenische Familie schon längst vor der Zwangseinbürgerung Heimatrecht hatte, begründete diese neue Sichtweise in seinen auf jahrzehntelange Forschungen zurückgehenden „Psychiatrischen Familiengeschichten“,[15] die nebst Stammbäumen auch ein Verzeichnis jenischer Worte enthielten.
Zentralfiguren der europäischen „Eugenik“ wie Auguste Forel, Eugen Bleuler, Ernst Rüdin und Alfred Ploetz förderten die Publikation von Jörgers Forschungen, und Jörger übernahm die „eugenische“ Unterscheidung in angeblich „erblich Minderwertige“ und „erblich Höherwertige“; die Jenischen zählte er unter die „erblich Minderwertigen“. Die spätere wissenschaftliche Leitfigur bei der Verfolgung der Sinti, Roma und Jenischen unter Hitler, Robert Ritter, bezog sich in seinen Schriften mehrfach auf Jörgers Studien.[16]
Zur Akzeptanz und Wirkungsgeschichte von Jörgers Theorien gehören auch mehrere politische Vorstösse, die in Graubünden schon kurz nach dem 1. Weltkrieg ein kantonales Vorgehen gegen die „Vaganten“ inaugurierten; diese Vorgänge hat Clo Meyer bereits genauer abgehandelt. [17]
1924 empfahl Jörger das Vorgehen, wie es dann von 1926-1973 das „Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse“, eine Unterorganisation der Stiftung Pro Juventute, zentralisiert und mit Unterstützung von Bund, Kantonen und Heimatgemeinden der Jenischen durchführte, nämlich die systematische Wegnahme jenischer Kinder aus den „Vagantenfamilien“. Diese bildeten in der Sichtweise des Bundesrates und Pro-Juventute-Präsidenten Häberlin einen zu beseitigenden „dunklen Fleck in unserm auf seine Kulturordnung so stolzen Schweizerlande“, wie er 1927 schrieb.[18] Der Gründer und Leiter des „Hilfswerks“, Alfred Siegfried, erstellte mittels Umfragen bei Behörden ein Verzeichnis sowie Stammbäume jenischer Familien und berechnete die Anzahl der wegzunehmenden Kinder. Bis 1973 führte das Hilfswerk nach bisherigen Angaben 619 Kindswegnahmen durch. Hierzu wurden bislang erst einige Einzelfälle dokumentiert, in Verbindung mit den Akten erst drei, nämlich erstens der Lebenslauf eines verstorbenen Mündels des „Hilfswerks“ durch Leimgruber, Meier und Sablonier im Auftrag des Bundes, zweitens hat Peter Paul Moser seine dreibändige Autobiografie unter Einbezug der ihm zugänglichen Pro-Juventute-Akten im Selbstverlag publiziert,[19] drittens rekonstruierte Graziella Wenger-Waser das Leben ihres Bruders Andreas, von dem sie erst anlässlich seines Begräbnisses erfuhr, da sie als Geschwister getrennt worden waren, aufgrund von Auskünften seiner Bezugspersonen und der „Hilfswerk-Akten“.[20] Bereits Jahrzehnte vorher verfasste Mariella Mehr literarische und journalistische Rekonstruktionen der eigenen Geschichte wie der Lebensgeschichten anderer „Hilfswerk“-Opfer unter Kritik von deren Darstellung in Akten.[21] Sie erhielt dafür 1998 das Ehrendoktorat der Universität Basel.
Unser Projekt wird – unter Einbezug der methodischen Überlegungen, wie sie auch anderwärts zur sogenannten Fallrekonstruktion angestellt werden [22] – vor allem die „Hilfswerks“-Fälle jener Kantone abhandeln, welche dieses Projekt auch finanziell unterstützen.[23] Es will aber auch abzuklären versuchen, weshalb die verschiedenen Landesgegenden und Kanton sehr unterschiedlich in diese Aktion verstrickt waren; es gibt etliche Kantone mit sehr kleinen Fallzahlen und zwei ganz ohne „Hilfswerks“-Mündel.
Kindswegnahmen und Fremdplatzierungen [24] erfolgten in vielen Kantonen der Schweiz auch durch andere Instanzen wie Vormundschaftsbehörden oder das „Seraphische Liebeswerk“. Diese Kindswegnahmen und andere Zwangsmassnahmen wie Anstaltseinweisungen, Eheverbote, Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen gegenüber angeblich „erblich Minderwertigen“ trafen, in der Schweiz etwas früher als kurz darauf auch in anderen europäischen Staaten, nebst den Jenischen auch andere Zielgruppen und wurden durch das Zivilgesetzbuch von 1912 erleichtert. Vielfach spielten sie sich aber, wie auch die Kindswegnahmen des "Hilfswerks", in einer Grauzone jenseits gesetzlicher Regelungen ab.[25]
Nach
ersten stichprobenartigen regionalen Forschungen ist nun eine breitere Durchsicht
von Vormundschafts- und Anstaltsakten nötig, nicht nur in diesem, sondern auch
in anderen Projekten des NFP 51. In die Verfolgung der Jenischen involviert
waren viele Anstalten der Fürsorgeerziehung, allen voran die von Bellechasse im
Kanton Freiburg, wo viele Jenische oft mehrfach und über längere Zeit hinweg
administrativ interniert wurden, sowie psychiatrische Anstalten verschiedener
Kantone. Die Akten solcher Anstalten waren bisher in der Schweiz erst in ganz
wenigen Fällen historischer Aufarbeitung zugänglich, doch steht dies nun auf
der wissenschaftlichen Agenda.
Anstalten wie Witzwil, Thorberg oder verschiedene Heime für Frauen und Kinder spielten auch bei der Ausgrenzung der ausländischen Fahrenden eine wichtige Rolle. Der Liberalismus des 19. Jahrhunderts beendete im Namen des freien Personenverkehrs die jahrhundertealte Einreisesperre gegen Fahrende. Doch schon 1888 kehrten die Grenzkantone mit einem Konkordat, ab 1906 auch der Bund und übrigen Kantone, zur Politik strikter Einreisesperre gegen "Zigeuner" zurück. Die Grundzüge dieser Abwehrstrategie waren 1913 institutionalisiert. Sie umfassten das Einreiseverbot, ein Transportverbot, auch zu Transitzwecken, durch die Eisenbahn, die sofortige Festnahme der trotz Verbot Eingereisten, die Internierung in Anstalten unter Familientrennung, die Registrierung und die Zwangssausschaffung aller "Zigeuner", wobei es im Ermessen der Polizei lag, wer als "Zigeuner" definiert wurde. Begründet wurde dieses Massnahmenbündel mit der angeblichen "Staatsgefährdung" durch die einreisewilligen Fahrenden.[26] Es blieb von 1913 bis 1972 in Kraft.
Die
Ausschaffung von drei seit langem teils in der Schweiz, teils in Italien und
Frankreich papierlos lebenden Sinti-Familien, deren Mitglieder zum Teil bereits
im 19. Jahrhundert in der Schweiz zur Welt gekommen waren, scheiterte am Widerstand der Nachbarstaaten,
der bis zu bewaffneten Konfrontationen der Grenzorgane anlässlich von
gegenseitigen Zuschiebungen der Papierlosen ging, worauf sie ab 1936 als
Staatenlose in der Schweiz toleriert wurden; Schweizer Bürgerrecht erhielten
sie erst im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.
Das schweizerische Zigeunerregister stand in Aktenaustausch mit Institutionen wie der bayerischen "Zigeunerzentrale" in München, die 1936 ins Reichssicherheitshauptamt nach Berlin transferiert wurde, sowie mit der internationalen "Zigeunerzentrale" der Interpol, die 1940 von Wien ebenfalls nach Berlin kam und deren Registraturen zur Vernichtungspolitik der SS gegenüber den europäischen Nomaden im Holocaust beitrugen.[27]
Das
schweizerische Abwehrdispositiv gegen ausländische „Zigeuner“ blieb nicht nur
während des 2.Weltkriegs in Kraft, wo es sich gegen Flüchtlinge aus dem
Holocaust richtete. Es bestand bis 1972 und wurde erst dann, nach Interventionen
von Diplomaten aus verschiedenen europäischen Staaten und seitens der
„Zigeunermission“, aufgehoben.
Ohne dass die Behörden dessen gewahr geworden wären, gelangten jedoch auch schon in den 1950-er und 1960-er Jahren Manouches und Gitanos aus Frankreich und Spanien vor allem in die Westschweiz, Roma aus Ungarn, der Tschechoslowakei und Jugoslawien als Flüchtlinge oder Fremdarbeiter in die ganze Schweiz.[28] Einer von ihnen, der Arzt Jan Cibula, war 1971 Mitbegründer der Internationalen Romani-Union.
Erst
nach der Auflösung des „Hilfswerks für die Kinder der Landstrasse“ im Jahr 1973
(dank der entschlossenen Intervention des Journalisten Hans Caprez) konnten
Organisationen der Jenischen entstehen, zuerst (1975) die „Radgenossenschaft
der Landstrasse“. Ihre Zeitschrift „Scharotl“ erscheint kontinuierlich seit
diesem Datum. Damit haben die Schweizer Fahrenden eine Plattform zur
Darstellung ihrer eigenen Sichtweise und Erinnerung. Es ist eine wichtige
Quelle für die Zeit der zunehmenden Anerkennung der Jenischen, Sinti und Roma
in der Schweiz nach der repressiven Augrenzungs- und Verfolgungsphase zwischen
1920 und 1970.
Für
die Zeit vorher ist die eigene Sichtweise, der identitätsstiftende Raum eigener
Erinnerung, mit Ausnahme der Schriften des Berner Jenischen Albert Minder,
praktisch nur aus Briefen und protokollierten Aussagen in amtlichen Akten sowie
aus Interviews mit älteren Fahrenden rekonstruierbar. Erst in und nach der
Zäsur der frühen 1970-er Jahre, zu welcher auch die Publikationen und das
politische Wirken von Sergius Golowin sehr viel beitrugen, erscheinen in der
Schweiz vermehrt eigenständige Selbstzeugnisse Jenischer. Die
Selbstorganisation stärkte die Gruppenidentität und brachte immer mehr Jenische
dazu, ihre wegen der Verfolgung und deren Nachwirken lange verheimlichte
Zugehörigkeit zur Gruppe offen zu leben. Solche Selbstzeugnisse von weiteren
Jenischen und auch von Roma, Sinti und Gitanos, die in die Schweiz einwanderten
oder daran gehindert wurden, zu dokumentieren, wird einen wichtigen Teil des
Projekts bilden.
Die
Anliegen der Dachorganisation „Radgenossenschaft der Landstrasse“ und anderer
Minderheitsorganisationen wie „Fahrendes Kulturzentrum“, „Naschet Jenische“,
„Rroma Foundation“, „Romano Dialog“, „Rroma Foundation“ oder „Association action
Sinti et Jenisch Suisses“ haben seitdem in Medien, Politik, Behörden und
Wissenschaft einen grösseren Stellenwert. Sie werden vermehrt positiv
wiedergegeben und zunehmend als berechtigt respektiert, allerdings vielerorts
nur zögerlich und unter Rückschlägen umgesetzt. Die alten und neuen Anliegen
sind: Legalisierung von Stand- und Durchgangsplätzen. Werden diese verweigert,
steht das Existenzrecht der Fahrenden in Frage. Alte Forderungen sind auch die
Milderung oder Abschaffung der das Wandergewerbe diskriminierenden Regelungen
(die so genannten „Patente“, welche seit kurzem nicht mehr kantonal, sondern
national geregelt sind). Diese Regelungen erschweren nicht nur die
vielfältigen, oft innovativ Nischen nutzenden und wichtige gesellschaftliche
und ökonomische Bedürfnisse deckenden mobilen gewerblichen Tätigkeiten der
Fahrenden in der Schweiz. Ihre Entstehung und Handhabung in einer Zeit des
Liberalismus und der Mobilität steht in einem sozialökonomisch interessanten
Widerspruch zu anderweitiger Bekämpfung von Staatsinterventionen ins freie
Wirtschaftsleben.
Weitere
teilweise erfüllte, teilweise noch anstehende Forderungen der
Minderheitsorganisationen sind Zahlungen zur „Wiedergutmachung“ an die Opfer
des „Hilfswerks“ und der schweizerischen Abweisungspolitik gegenüber Opfern des
Holocaust, staatliche Subventionen für die Minderheitsorganisationen,
Antidiskriminierungsarbeit, Minderheitsrechte, kulturelle Förderung von Kunst,
Literatur, Musik, Veranstaltungen, Ausstellungen, Bildbänden, Quellensammlungen,
Dokumentationszentren, Museen etc. der Jenischen, Sinti und Roma. Hier gilt es,
neue Tendenzen der Darstellung dieser Minderheiten in den Medienerzeugnissen
der letzten Jahrzehnte und im neueren politischen Diskurs darzustellen, wo sich
Romantisierung, political correctness, Kontinuität alter Stereotypien und
abweichende Argumentationsweisen auf verschiedenen Ebenen mischen oder neben
einander stehen.
Der Bund hat in den letzten Jahren, neben länger schon für die Anliegen der Fahrenden aufgeschlossenen Städten, Gemeinden und Kantonen, eine Führungs- und Vermittlungsrolle eingenommen, unter anderem in Form von Publikationen [29] oder in Form der aufgrund eines Parlamentsvorstosses von Ernst Sieber eingerichteten Stiftung „Zukunft für Fahrende“. Wenn auch das Parlament 2001 die ILO-Konvention 169 zur Wahrung der Rechte der indigenen Völker unter regierungsseitigem Hinweis darauf ablehnte, die Konvention würde einen Hebel zur Einforderung von kollektiven Rechten der Fahrenden in der Schweiz bilden, was nicht erwünscht sei, so vermerkt doch der „Erste Bericht der Schweiz zur Umsetzung des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten“ vom April 2001 die Existenz der Schweizer Fahrenden und ihre Bemühungen um Anerkennung als nationale, ethnische, kulturelle und sprachliche Minderheiten in der Schweiz. Dieser Bericht referiert auch die Bestrebungen zur Behebung direkter und indirekter Diskriminierungen.[30] Im Dezember 2002 wurde auch die Förderung von Jenisch als Minderheitensprache in der Schweiz auf Bundesebene beschlossen. Insgesamt besteht seitens der Behörden, vor allem auch auf Kantons- und Gemeindeebene, zunehmend wahrgenommener Informations- und Handlungsbedarf, um den eigenen rechtsstaatlichen, antirassistischen Normen, wie sie in den letzten Jahren neu gesetzt wurden, aber auch den menschen- und minderheitsrechtlichen Vorgaben von Europarat und UNO zu genügen. Hier sind auch Bewusstseinsunterschiede in verschiedenen Ebenen der Behörden, etwa zwischen den Völkerrechtsspezialisten des EDA und Gemeindepolitikern, zu registrieren, um widersprüchliches Deklarieren und Handeln auf verschiedenen Ebenen vermeiden zu helfen.
Bezüglich der gesellschaftlichen Lage der Jenischen, welche in den angrenzenden Ländern, mit Ausnahme des kürzlich in Österreich gegründeten „Jenischen Kulturverbands“, nicht über eigenständige Organisationen verfügen, obwohl neuere Publikationen auch dort auf diese Minderheit und die verschiedenen Stadien ihrer Ausgrenzung und Verfolgung aufmerksam machen,[31] kommt den jüngsten Anstrengungen in der Schweiz zur Behebung der Diskriminierung der Jenischen eine gewisse Pionierrolle zu. Demgegenüber ist die öffentliche Wahrnehmung und Selbstdarstellung der Sinti und Roma in der Schweiz gegenüber anderen europäischen Ländern im Rückstand.
Im akademischen Bereich ist durch bislang unpublizierte Lizentiatsarbeiten, aber auch durch Publikationen das Interesse an einem neuen, die Stimme der Erforschten mitberücksichtigenden Ansatz in dieser Thematik bezeugt worden.[32]
Insgesamt ist die Erforschung der gegenwärtigen und früheren Lage der Jenischen, Sinti und Roma in und an den Grenzen der Schweiz ein lange vernachlässigter Bereich, der auch die Aufarbeitung und Kritik der oben geschilderten älteren Forschungslinien und Forschungsmethodiken, welche diese Minderheiten diffamierten und abwerteten, umfassen muss, und demgegenüber schriftlichen und mündlichen Selbstzeugnissen von Angehörigen dieser Minderheitsgruppe einen grossen Stellenwert geben muss.
2.2. Stand der eigenen
Forschungen im Untersuchungsfeld
a. Der Projektleiter Thomas Huonker hat mit seinem von der Radgenossenschaft der Landstrasse herausgegebenen Buch „Fahrendes Volk – verfolgt und verfemt. Jenische Lebensläufe. Zürich 1990 (1. Auflage 1987) einen ersten Schritt gemacht, auch Minderheitsangehörige direkt zu Wort kommen zu lassen. Denn gleichberechtigt neben einem historischen Teil (104 Seiten) stehen in dieser Publikation 11 lebensgeschichtliche Interviews mit Jenischen (6 Frauen, 5 Männer) auf 130 Seiten. Das Buch gehört auch zu den ersten, welche in der Schweiz die Geschichte der hiesigen „Eugenik“ thematisierten.
Nach zahlreichen kleineren
Publikationen, darunter einem Lehrmittel („Roma – ein Volk unterwegs“. St.Gallen 1999) und Mitarbeit bei diversen Filmen zur Thematik „Fahrende“ als historischer Berater folgte
2000 der Forschungsbeitrag im Auftrag der Bergier-Kommission, verfasst zusammen
mit Regula Ludi, publiziert zuerst in Bern als Bericht, 2001 dann in Zürich in Buchform mit dem Titel „Roma, Sinti, Jenische.
Schweizerische Zigeunerpolitik zur Zeit des Nationalsozialismus“. Der Band dokumentiert die
Abwehr gegen die Einreise von „Zigeunern“ in die
Schweiz von 1913 bis 1972 und insbesondere die generelle Rückweisung von Angehörigen dieser Gruppen, die vor dem
Holocaust in die Schweiz fliehen wollten.
Auch in dem 2002 im Auftrag des Sozialdepartements der Stadt Zürich publizierten Bericht „Anstaltseinweisungen, Kindswegnahmen, Eheverbote, Sterilisationen, Kastrationen. Fürsorge, Zwangsmassnahmen, ‚Eugenik’ und Psychiatrie in Zürich zwischen 1890 und 1970“, verfasst von Thomas Huonker, werden – nebst einem breiten Spektrum anderer Betroffener – Fälle von Jenischen rekonstruiert, die solchen Massnahmen unterzogen wurden. Unterdessen liegt auch eine erweiterte Buchfassung dieser Arbeit vor. [33]
2003 erschien als bis in die unmittelbare Gegenwart nachgeführtes Seitenstück zu seiner Forschungsarbeit mit Quellen des Zürcher Sozialdepartements auch eine institutionsgeschichtliche Mikrostudie über einen einzelnen Teil dieses Bereichs, der zudem von speziellem gender-geschichtlichem Interesse ist, nämlich die Geschichte eines früheren Männerheims, das seit einigen Jahren, nach verschiedenen Wandlungen von Werthaltungen, Konzept und Name, auch Frauen aufnimmt.[34]
Thomas Huonker gehörte zur Gruppe jener WissenschaftlerINNEN, welche im
Juli 1999 die erste Skizze zum nachmaligen NFP 51, damals unter dem Titel „Norm und Stigma“, an die zuständigen Stellen entwarf.
b. Stéphane Laederich arbeitet seit über 12 Jahren mit Roma zusammen, zuerst als freelance-Projektmanager in Osteuropa für verschiedene NROs und während der letzten fünf Jahre als Geschäftsführer der Rroma Foundation. Zurzeit publiziert er ein umfassendes Buch (1300 Seiten) über Geschichte, Sprache, Gruppen und Traditionen der Roma, zusammen mit dem russischen Roma-Linguisten Lew Tscherenkow vom Institut of Natural and Cultural Heritage in Moskau. Ein Auszug aus diesem Werk ist publiziert im von Helena Kanyar Becker edierten Sammelband “Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz.” [35] Vor dieser in Bälde erscheinenden umfassenden Publikation verfasste Stéphane Laederich mehrere Berichte über die Situation der Roma in verschiedenen Ländern und hielt viele Vorträge zu dieser Thematik. Er hielt im Sommersemester 2002 am Historischen Seminar der Universität Basel Vorlesungen zu Geschichte, Lage, Sprache und Dialekten der Roma. Zur Zeit bereitet er eine weitere Publikation über die Dialekte von Roma in Russland, Polen und dem Baltikum vor.
c. Venanz Nobel ist seit 20 Jahren aktiv in Öffentlichkeitsarbeit und Menschenrechtsarbeit bezüglich Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz und in anderen Ländern. Er war in der Radgenossenschaft der Landstrasse sowie im Fahrenden Zigeuner-Kulturzentrum aktiv und präsentierte als Co-Produzent eine Hördokumentation mit Interviews und Musik von Fahrenden („Abfaahre, immer nume abfaahre“, 1984). Seither hat er sich in zahlreichen eigenständigen Publikationen mit der Lage insbesondere der jenischen Minderheit in der Schweiz auseinandergesetzt. Daneben arbeitet er als Flohmarktfahrer und Kundenbuchhalter. Von besonderer Bedeutung unter seinen neueren Arbeiten sind seine Texte "„Bitte recht freundlich...!“ Über „die Zigeuner“, die Fotographie und meinen Zwiespalt" (in: Urs Walder, Nomaden in der Schweiz, Zürich 1999), sein Gastvortrag am historischen Seminar der Universität Luzern "Selbstdefinition & Fremdwahrnehmung der Jenischen in Geschichte und Gegenwart“ (2000), sein Beitrag "Jenische Geschichte und die Betonjenischen" in der Vorlesungsreihe "Alltag der Jenischen, Sinti und Roma in der Schweiz" an der Universität Basel, die unterdessen in Buchform erschienen ist,[36] sowie sein Vortrag an der nationalen Landesausstellung expo 02: "Sehen und nicht gesehen werden“ (2002)
d. Samuel Hegnauer ist studentischer Mitarbeiter des Projekts. Er schrieb eine Seminararbeit zu den Kindswegnahmen an Schweizer Jenischen durch die Pro Juventute ("Das schweizerische Hilfswerk Kinder der Landstrasse und Mariella Mehr. Auseinandersetzungen und Folgen", Historisches Seminar der Universität Basel, 2002) und er plant, seine Lizentiatsarbeit ebenfalls zu Aspekten der Thematik Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz zu schreiben.
2.3. Detaillierter Forschungsplan
a.
Allgemeine Fragestellungen/Untersuchungshorizonte
Die Forschungsziele und der
Blickwinkel der projektierten Forschungsarbeit sind auf die Analyse von
Wahrnehmungsformen und Vorurteilen – seien es ‘positive’ oder ‘negative’
Stereotypien – sowie auf die
soziale Lage von Jenischen, Roma und Sinti in der Schweiz focussiert.
Da es sich bei dem Forschungsvorhaben um eine
Langzeituntersuchung handelt, gilt es einerseits einzelne längere Phasen von vielfach grosser
Kontinuität und
relativer Konstanz der bestimmenden Faktoren (wie Gesetze, Vorschriften,
Sichtweisen, eingespielte Praktiken), andererseits dazwischen liegende kürzere Umbruchszeiten in ihren
spezifischen Kräftekonstellationen
und gesellschaftlichen Verhaltensmustern herauszuarbeiten.
Bei der zu untersuchenden
Thematik ist folgende Periodisierung ins Auge zu fassen, wobei die Jahreszahlen
Umbruchsphasen von mehrjähriger
Dauer markieren und die pro Phase gesetzten Stichworte keineswegs alle
relevanten Bezüge
abdecken:
(Abbildung 1)
Diese Periodisierung soll auf
verschiedenen Ebenen unter Verknüpfung der Bezugspunkte nachgezeichnet werden, die
Umbruchsphasen sollen im Hinblick auf treibende und hemmende Kräfte dargestellt werden.
Als einzelne
Untersuchungsebenen ergeben sich zunächst die verschiedenen Behördenstufen, aber auch
soziologisch fassbare Gesellschaftssektoren wie:
-
Gemeindeebene
- Kantonsebene
- Bundesebene
- Internationale Ebene
- Wissenschaft
- Medien
- Öffentlicher Diskurs
Unter Berücksichtigung der Innen- und
Aussensicht sowie unter Focussierung auf die staatliche Ebene kann dies in
folgender Tabelle angedeutet werden:
Innensicht |
Aussensicht |
Staatliche Institutionen |
Selbstwahrnehmung,
Sichtweise in Interviews (aktuelle und ältere) |
Wissenschaftliche Arbeiten
und Theorien |
Etablierung von Gesetzen,
Institutionen, Zuständigkeiten,
Praktiken |
oral history |
Darstellung von
Minderheiten, insbesondere “Zigeuner”, “Vaganten”, “Heimatlose” |
Staatliche Berichte, Expertisen, Register,
Vernehmlassungen, Parlamentsdebatten |
Selbstzeugnisse, Publikationen |
Öffentliche
Meinung, Diskurse |
Alle Ebenen, Gemeinden,
Regionen, Kantone, Bund |
Soziale Lage Identität |
Soziale Lage Randgruppe |
Politische
Zielvorstellungen: Einbürgerung, Ausweisung,
Assimilation Integration, Akkulturation |
Transnationale Migration,
Berichte von in der Schweiz
Lebenden, Berichte von aus der Schweiz Ausgewiesenen |
Internationale Konferenzen,
diplomatische Dokumente, Richtlinien und
Kodifizierungen supranationaler Instanzen |
Schweizer Dokumente zu
Einreisepolitik, Ausschaffung, Asyl etc. Umsetzung internationaler Rechtskodifizierungen |
In unserem Forschungsprojekt
sollen die staatlicherseits getroffenen Massnahmen, die erlassenen Gesetze,
Richtlinien etc. als Ausdruck der generell vorherrschenden Haltungen und der zu
Änderungen führenden Kräftekonstellationen betrachtet und
aus dieser Sicht analysiert werden.
Die im Forschungsprojekt
analysierten Dokumente aus den genannten Ebenen gesellschaftlicher Akteure
unter Berücksichtigung
der erinnerten Erfahrung der Gruppenangehörigen werden dann für die einzelnen Phasen gemäss Abb. 1 die Darstellung des
jeweiligen Zusammenspiels der gesellschaftlichen Kräfte gegenüber den Jenischen, Sinti und Roma
in einzelnen Abläufen, aber
auch in mehrere dieser Ebenen umfassenden Modellen (wie dem in untenstehender
Abbildung 2 grafisch dargestellten) ermöglichen.
(Abbildung 2 )
Die jeweils typischen und vorherrschenden Aussensichten auf “Zigeuner”, “Nichtsesshafte”, “Vaganten” etc. und ihr Einfluss auf die in obiger Tabelle dargestellten institutionellen und anderen Ebenen sind im Überblick und konkret anhand ausgewählter Fallrekonstruktionen zu analysieren, wobei historisch relevante Faktoren wie nation building sowie nationalistische und international verbreitete rassistische Ideologien mit zu berücksichtigen sind. Die Quellensuche wird auf diese verschiedenen Ebenen zu focussieren und nach ersten regionalen Archivbesuchen bezüglich einzelner Phasen, Kantone, Gemeinden, Institutionen, Familien und Personen in qualitativer Einzelanalyse zu vertiefen sein. Aufgrund der Unterstützung, welche verschiedene Kantone dem Projekt zugesagt haben, sollen dabei insbesondere kantonale Quellen im Vordergrund stehen, wobei in den Einzelanalysen vermutlich immer wieder das Ineinandergreifen der nationalen, kantonalen und lokalen Ebene anzutreffen sein wird. Aufgrund einer ersten Durchsicht erfolgt die genauere Auswahl und Analyse von für die Fragestellung des Projekts besonders aussagekräftigen Beständen und Dokumenten im durchgesehenen Quellenmaterial; deren Analyse erfolgt dabei im Querbezug zu den längeren kontinuierlichen Phasen respektive zu den kürzeren Umbruchsphasen. Da eine Fülle teilweise ähnlich lautender Quellen im Untersuchungsfeld anzutreffen sein wird, welche teilweise die selben Verhaltensmuster, Effekte und Ideen innerhalb des Untersuchungszeitraums dokumentieren werden, müssen die Quellen nach klaren Kriterien selektiv berücksichtigt werden. Hauptsächlich zwei Möglichkeiten bieten sich dazu an:
i. Die Analyse einer gezielten Auswahl von Dokumenten im näheren zeitlichen Umkreis bestimmter Schlüsseljahre, aus der Innen- wie der Aussensicht und von möglichst vielen Ebenen und aus verschiedenen Optiken stammen, um ein Gesamtbild der wirksamen Kräfte und von deren Reibungspunkten zu geben
ii. Die über längere Zeitabläufe hin betriebene Analyse der
Abläufe, um
zentrale Gesetze und Haltungen, um deren Einfluss auf die verschiedenen
Meinungen und das jeweilige Gewicht verschiedener thematischer Schwerpunkte in
der öffentlichen
Meinung und im Diskurs der Medien und Wissenschaften besser zu verstehen. Dies
soll gezielt aufgrund ausgesuchter einzelner Medien und Disziplinen, nicht in
der ganzen Breite aller möglicherweise
mitbeeinflussenden Faktoren geschehen.
Die Innensicht oder
Selbstwahrnehmung von Jenischen, Roma und Sinti muss mit den Darstellungen auf
den anderen erwähnten Ebene
in Bezug oder Kontrast gesetzt werden. Dies soll bezüglich des neueren
Forschungsbereichs durch Verweise auf
einzelne Interviews oder Interviewsabschnitte geschehen.
Schwieriger zu rekonstruieren ist das Selbstbild der Jenischen, Sinti und Roma in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Denn obwohl generationsübergreifende mündliche Familienüberlieferungen erstaunlich weit zurückblicken können, werden sie doch nur selten weiter als bis ca. 1850 zurückreichen. Hierzu ein Beispiel: Der in der Schweiz lebende Sinto Josef Bernhard wurde 1926 im Sudetenland geboren. Er hörte noch die Erzählungen seines Grossvaters und kann sich an sie erinnern. Sein Grossvater starb 1938 auf dem Heimweg von einem Auftritt als Harfenist in einer Gaststätte, und zwar im Alter von 110 Jahren, so dass die dem Enkel durchaus präsenten überlieferten Kindheitserinnerungen des Grossvaters bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreichen.[37]
Während für das Ende des 19. und vor allem
für das zwanzigste Jahrhundert
direkte Selbstzeugnisse teils schon vorliegen, teils mit Hilfe der zu führenden Interviews weiter
dokumentiert werden können, wird
diese Rekonstruktion des Selbstbilds der Jenischen, Sinti und Roma im 19.
Jahrhundert trotz der erwähnten Möglichkeiten weit zurückreichender mündlicher Überlieferung hauptsächlich auf schriftlich
festgehaltene Auskünfte der
damaligen Gruppenangehörigen
abzustellen sein, die aber zumeist durch die aktenführenden Einbürgerungs- und
Verfolgungsinstanzen in Fahndungs-, Registrierungs- und Verhörsituationen durch Juristen, Ärzte, Psychiater und Fürsorger protokolliert und in
spezifische narrative Formen und Usanzen eingebettet wurden. Um auch hier nicht
in der Fülle möglicher Quellenbelege
unterzugehen, sollen gemäss den Kriterien
der qualitativen Einzelfallrekonstruktion unter Einbezug der Methoden
linguistischer Textanalysen sowie anderer Elemente neuerer qualitativ
orientierter Sozialforschung signifikante Lebensmuster in regional, zeitlich
und gender-spezifisch signifikanter Auswahl erforscht, analysiert und
dargestellt werden.
In der qualitativen Sozialforschung haben sich in gemeinsamer Absetzung gegenüber objektivierenden, statistisch orientierten quantitativen Forschungsansätzen unterschiedliche Verfahrensweisen herauskristallisiert: hermeneutische Ansätze (im Gefolge von Hans-Georg Gadamer und von Paul Ricoeur), Grounded Theory (ausgehend von den Arbeiten von Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss), verschiedene ethnomethodologische Interaktionsanalysen (nach Georges Devereux oder Harvey Sacks) sowie das narrative Interview (zu dessen Strukturen vor allem die Arbeiten von Fritz Schütze richtungweisend sind). Das vorliegende Projekt wird Elemente all dieser Ansätze der qualitativen Sozialforschung auf ihre Verwendbarkeit im umrissenen Forschungsfeld hin prüfen, wobei das narrative Interview, die hermeneutisch-kritische Textanalyse der Schriftquellen sowie als Synthesen Einzelfallstudien sowie Versuche, zu grösseren Untersuchungsfeldern übergreifende theoretische Ansätze im Sinn von “grounded theory“ zu formulieren, im Vordergrund stehen werden. [38]
Alle Quellen und
Darstellungen müssen
hinsichtlich Stereotypisierung, Romantisierung, Transport von Vorurteilen etc.
kritisch hinterfragt werden; wichtig ist dabei insbesondere auch das methodisch
gegen aussen hin transparent zu machende Mitbedenken der eigenen subjektiven Prägungen, Haltungen,
Fragestellungen und Wertungen der Forschenden.
Die neu im Rahmen des Forschungsprojekts zu machenden Interviews dienen auch der Zeugenschaft zu Ausgrenzungserfahrungen und Wegen der Selbstbehauptung gegenüber den schriftlich überlieferten Ausgrenzungsmechanismen und Verfolgungsmassnahmen und sollen die verschiedenen Wege zu deren Lockerung und Durchbrechung aufzeigen. Sie sollen auch die jeweils spezifische kulturelle Identität und das Funktionieren des in der gruppeninternen und familieninternen Überlieferung codierten Gruppengedächtnisses analysieren. Dies unter Einbezug und Berücksichtigung der neueren, an Pioniere wie Maurice Halbwachs kritisch anknüpfenden methodologischen Debatte über Gedächtniskultur und kollektive Erinnerungscodierungen. Es gilt dabei zu unterscheiden zwischen eher verunklarenden Konzepten wie Kollektividentität, Nationalbewusstsein oder Volksseele einerseits und dem subtilen Verständnis des Verhältnisses von individueller, familiärer, gruppenspezifischer oder institutioneller Überlieferung (in schriftlicher und mündlicher Form) in ihrer jeweiligen Vermittlung, Beeinflussung oder Kontrastierung gegenüber andern Individuen, Familien, Institutionen und Gruppen und deren Codes auf dem Feld des Gedächtnisses und der Erinnerung, wie es etwa Jan und Aleida Assmann immer wieder dargelegt haben.[39]
Die
Interviewpartner sollen nach Regionen, Sprachgruppen, Alter und Geschlecht der
Interviewten möglichst
ausgewogen und repräsentativ
ausgewählt werden.
Der langjährige
Kontakt der Projektmitarbeiter zu Repräsentanten und Angehörigen der anzusprechenden Gruppen gewährleistet dies ebenso wie die Möglichkeit, die Interviews auch in
der Originalsprache zu führen.
Generationsspezifische
Unterschiede sollen anhand von Interviews und Stellungnahmen deutlich gemacht
werden. (Beispiele: Vom „Hilfswerk“ Direktbetroffene und ihre Kinder
und Enkel; Flüchtlinge
vor dem Holocaust und ihre Angehörigen; die Situation der ersten als Saisonniers oder
Flüchtlinge
aus Oststaaten eingereisten Roma und ihrer Kinder und Enkel, die in der Schweiz
aufwachsen). Nachdem bisher der Schwerpunkt der Interviews bei Gesprächen mit älteren Gruppenangehörigen lag, sollen speziell auch Jüngere einbezogen werden.
b. Spezielle Fragestellungen unter besonderer Berücksichtigung des
Aufarbeitungsbedarfs der das Projekt unterstützenden kantonalen Instanzen
Die Wegnahmen von Kindern
Jenischer aus ihren Familien, die schon 1825 in Luzern, aber auch andernorts
bereits vor der Gründung des „Hilfswerks für die Kinder der Landstrasse“ überliefert ist, sollen in den verschiedenen Phasen des
Untersuchungszeitraums und im Vergleich einiger ausgewählter Regionen untersucht werden,
insbesondere auch anhand von biographischen Rekonstruktionen von Bewohnern oder
Bürgern jener Kantone, die das
Projekt finanziell unterstützen, mit einem ausgeprägten Schwerpunkt auf Fallrekonstruktionen von Kindern, die von Zürcher Instanzen oder unter deren
Beteiligung aus ihren Familien genommen und fremdplatziert wurden. Dies
insbesondere weil der Kanton Zürich das Projekt mit einem namhaften Beitrag im Hinblick auf eine
Untersuchung dieser Problematik auf seinem Kantonsgebiet unterstützt. Aufgrund der bisherigen Kenntnis der Verteilung der Fälle ist anzunehmen, dass solche „Zürcher Fälle“ oftmals auch Bürger
anderer Kantone waren. Es gilt aber auch zu fragen, weshalb in Kantonen wie
Graubünden und
Tessin sehr viele, in den Kantonen Zug und Uri aber keine Wegnahmen durch das „Hilfswerk“ erfolgten, sowie andere
regionale Unterschiede (z.B. den Unterschied Romandie / übrige Schweiz) zu untersuchen. Es
soll auch untersucht werden, ob auch Kinder, die im Laufe der Registrierung und
Ausschaffung von Sinti und Roma vorübergehend in Heimen untergebracht wurden, schliesslich
definitiv von ihren Familien getrennt wurden.
2. 4. Zeitplan | |
1. Juni bis Herbst 2003 | Forschungsbeginn. Kontaktaufnahme mit Interviewpartnern und Archiven. Auswahl und Verteilung der Forschungsschwerpunkte |
Herbst 2003 bis Herbst 2005 | Eigentliche Forschungsarbeit: Archivbesuche, Interviews, unter periodischer Auswertung, Vergleichung und Diskussion der Ergebnisse (alle 2 Monate) |
Ende 2003 | Mündlicher Bericht an das Begleitgremium. Diskussion erster Thesen und des Forschungsverlaufs |
Ende 2004 | Schriftlicher Zwischenbericht an den SNF und an das Begleitgremium. Diskussion im Begleitgremium |
Winter 2005 | Bestandesaufnahme der Forschungsergebnisse. Letzte ergänzente Nachforschungen. Erstellung eines Konzepts für den Schlussbericht. Aufteilung der Schreibarbeit |
Frühjahr bis Herbst 2005 | Erstellung der Rohtexte. Interne Diskussion und Abstimmung der Texte. Mündlicher Bericht an das Begleitgremium. Diskussion der Ergebnisse |
Herbst 2005 bis Ende Mai 2006 | Erstellung des abgabereifen Manuskripts |
2.5. Einbettung und Umsetzung
Als Begleitgremium stellen
wir uns eine Fortsetzung von Treffen, wie sie im Bundesamt für Kultur unter Einladung von RepräsentantINNen der Jenischen, Sinti
und Roma vorgängig zur
Ausschreibung des NFP 51 durchgeführt wurden, für die im Themenkreis Jenische, Sinti, Roma arbeitenden
Projekte vor, eventuell unter Beizug zusätzlicher Repräsentantinnen und Repräsentanten, auch seitens der Kantone und Gemeinden.
Sollte ein gemeinsames solches Gremium für alle drei diesbezüglichen Projekte im NFP 51 nicht zustandekommen, würden wir ein eigenes
Projekt-Begleitgremium zusammenstellen und im Rahmen des obigen Forschungsplans
auf dem Laufenden halten.
Nach Möglichkeit sollen schon im Lauf
der Forschungsarbeiten einzelne Publikationen zu einzelnen Aspekten der
Thematik veröffentlicht
werden, z.B. in Zeitschriften wie
traverse, itinera, BIOS usw.
Das Projekt in seinen
Zielsetzungen und dem jeweiligen Stand der Dinge wird auf einer Website präsentiert werden.
3.
Bedeutung der geplanten Arbeit
3.1. Wissenschaftliche
Bedeutung
Das Projekt soll Lücken und Defizite der Forschung zur untersuchten Thematik schliessen. Es soll auf weiterhin bestehende Lücken der Forschung hinweisen und neue Fragestellungen aufwerfen. Es soll die bisherige Forschung rekapitulieren und kritisch aufarbeiten, und dabei auch die Frage zu beantworten versuchen, wie es kommen konnte, dass sich gerade auf diesem Gebiet die Wissenschaft phasenweise zu einem Instrument der Ausgrenzung, ja der Beseitigung von ganzen Menschengruppen machte. Es soll den Angehörigen der Minderheitsgruppen, deren soziale Lage und Geschichte es untersucht, Gehör und Stimme geben. Es soll vergessene und verschollene Stimmen und Meinungen zur Thematik ausfindig machen und geschichtlich einordnen. Es soll der mündlichen wie der schriftlichen Überlieferung gegenüber offen sein und diese beiden bislang oft unverbundenen Wissensstränge aufeinander beziehen.
Das Forschungsprojekt soll seine Erkenntnisse einem möglichst weiten Kreis von Interessenten publik und nützlich machen (Schulen, Behörden, RepräsentantINNen von Mehr- und Minderheiten, Medien, Wissenschaftler etc.), entweder durch die direkte Rezeption seines publizistischen Ergebnisses oder in weiterer Linie als Grundlage für nachfolgende konkrete Umsetzungsprojekte.
3.2. Soziale und ökonomische Bedeutung
Die Forschungsarbeit soll den Blick schärfen für Ausgrenzungsmechanismen und
Diskriminierung. Sie soll den langwierigen Weg einer Minderheit von der
Ausgrenzung zur Integration und Anerkennung aufzeigen und Beiträge zur Bilanzziehung liefern, welche
Schritt dieses Weges bereits zurückgelegt sind und welche noch anstehen. Sie soll den
Mehrheitsmitgliedern dabei behilflich sein, minderheitsfähig zu sein. Das Projekt soll der
Auffassung dienen, wonach das gleichberechtigte und respektvolle Nebeneinander
einer Vielfalt von Kulturen und Lebensweisen für alle, Mitglieder von Mehr- wie von Minderheiten,
bereichernd ist, während
dagegen Tendenzen, missliebige ethnische und
kulturelle Minderheiten oder sexuell, altersmässig, gesundheitlich, sprachlich
oder religiös
definierte Gruppen auszugrenzen oder zu diskriminieren, das gesamte
gesellschaftliche Klima, die öffentlichen Debatten und den Geist der Wissenschaften belasten. Das
Projekt soll Lehren, Theorien und Vorurteile, welche die verschiedenen Kulturformen
und Lebensweisen ethnischer Gruppen als höher- oder minderwertig taxieren, aus der Sicht
heutiger Menschenrechtskonventionen darstellen und kritisieren, aber auch die Verbreitung, Akzeptanz und
Wirksamkeit der jeweiligen Auffassungen in den jeweiligen Phasen des
Untersuchungszeitraums schildern. Das Projekt soll zudem ein Augenmerk darauf
richten, inwiefern solche Deklarationen deklamatorisch bleiben und inwiefern
sie normativ und faktisch wirksam werden.
Das Projekt soll somit ganz im Sinn der Ausschreibung des NFP 51 Orientierungswissen und kritische Rückschau bieten, die als Hilfestellung für integrative Prozesse unter Respektierung der Differenz dienen können, weil dies für eine demokratische und offene, den Menschenrechten verpflichtete Gesellschaft in einer multikulturellen Welt von zentraler Bedeutung ist. Diesbezüglich heisst es in der Ausschreibung: „Integration erfordert von Gruppen und Individuen Anpassung an gesellschaftliche Normen. Umgekehrt braucht es seitens der Gesellschaft Toleranz für Differenz und Diversität.“ „Auf der Ebene der Betroffenen sollen die Effekte von Integrations- sowie Ausgrenzungsprozessen auf Individuen und Gruppen untersucht werden“, und weiter: „Zu thematisieren sind hier aber auch die Zusammenhänge von Fremd- und Selbstwahrnehmung auf die Bildung von Gruppenidentität.“ [41]
4. Im Gesuch erwähnte Referenzen
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Benedict Anderson: Die Erfindung der Nation, Frankfurt a.M. 1988;
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Aleida Assmann/Heidrun Friese (Hg.): Identitäten. Erinnerung, Geschichte, Identität 3. Frankfurt a.M. 1998
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Ralf Bohnsack: Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in Methodologie und Praxis qualititativer Sozialforschung. Opladen 1995
Catherine Bosshart-Pfluger/Joseph Jung/Franziska Metzger (Hg.): Nation und Nationalismus in Europa, Kulturelle Konstruktion von Identitäten, Frauenfeld, Stuttgart u.Wien 2002
Thomas Brüsemeister: Qualitative Forschung. Ein Überblick. Wiesbaden 2000
Peter Burke: Offene Geschichte. Die Schule der
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Francesco Caportorti: Minorities. In:
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Günter Danzer: Jenisch diebra en Oberberg. Syrgenstein 2000
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Lukas Gschwend: ‚Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse’ der Pro Juventute – ein Fall von Völkermord in der Schweiz? In: Andreas Donatsch/Marc Forster/Christian Schwarzenegger (Hg.): Festschrift für Stefan Trechsel zum 65. Geburtstag, Zürich 2002, S.373-392
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Hasso von Haldenwang: Die Jenischen. Erinnerungen an die Wildensteiner Hausierhändler. Crailsheim 1999
Friedrich Heckmann: Ethnische Minderheiten, Volk und Nation. Soziologie interethnischer Beziehungen, Stuttgart 1992
Joachim S. Hohmann: Robert Ritter und die Erben der Kriminalbiologie. ‚Zigeunerforschung’ im Nationalsozialismus und in Westdeutschland im Zeichen des Rassismus. Frankfurt a.M. 1991
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Thomas Huonker: Anstaltseinweisungen, Kindswegnahmen, Eheverbote, Sterilisationen, Kastrationen. Fürsorge, Zwangsmassnahmen, ‚Eugenik’ und Psychiatrie in Zürich zwischen 1890 und 1970. Zürich 2002
Thomas Huonker: Diagnose „moralisch defekt“. Kastration, Sterilisation und Rassenhygiene im Dienst der Schweizer Sozialpolitik und Psychiatrie 1870-1970. Zürich 2003
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Georg G. Iggers: Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert: ein kritischer Überblick im internationalen Zusammenhang. Göttingen 1996
Josef Jörger: Die Familie Zero. In: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie einschliesslich Rassen- und Gesellschaftshygiene, Nr. 2/1905, S. 495-559
Josef Jörger: Die Familie Markus. In: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, 1918, Nr. 1-2 (Festgabe an Dr. August Forel zu seinem 70. Geburtstag), S.76-116
Josef Jörger: Psychiatrische Familiengeschichten. Berlin 1919
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Claudia Kaufmann/Franz Ziegler: Kindeswohl: eine interdisziplinäre Sicht. Zürich 2003
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Martin Kohli/ Günther Robert (Hg.): Biographie und soziale Wirklichkeit. Neue Beiträge und Forschungsperspektiven, Stuttgart 1984
Klaus Kraimer (Hg.): Die Fallrekonstruktion. Sinnverstehen in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Frankfurt a.M. 2000
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Clo Meyer:‚Unkraut der Landstrasse’. Industriegesellschaft und Nichtsesshaftigkeit am Beispiel der Wandersippen und der schweizerischen Politik an den Bündner Jenischen vom Ende des l8. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg. Disentis 1988
Peter Paul Moser: Entrissen und entwurzelt. Im Alter
von 13 Monaten geraubt und entführt. Thusis o.J (2000); ders: Die Ewigkeit
beginnt im September. Dr. Alfred Siegfried bringt jenische Kinder hinter
Gitter. Thusis o.J. (2000); ders: Rassendiskriminierung und Verfolgung während
einer ganzen Generation. Brandstiftung: für eine neunköpfige Familie ein deutlicher Hinweis,
unerwünscht
zu sein. Thusis o.J. (2000)
Rupert Moser (Hg.), Die Bedeutung des Ethnischen im Zeitalter der Globalisierung. Einbindungen, Ausgrenzungen, Säuberungen. Bern 2000 (Berner Universitätsschriften 44)
Romed Mungenast (Hg.): Jenische Reminiszenzen. Landeck 2001
Schweizerischer Nationalfonds: Nationales Forschungsprogramm 51 Integration und Ausschluss. Bern 2002
Lutz Niethammer, Lebenserfahrung und kollektives Gedächtnis, Frankfurt 1980
Lutz Niethammer: Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur. Hamburg 2000
Venanz Nobel: Jenische Geschichte und die Betonjenischen, in: Helena Kanyar Becker (Hg.): Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz, Basel 2003, S. 103-120
Berndt Ostendorf: Der Preis des Multikulturalismus. Entwicklungen in den USA, in: Merkur 9/10 (1992) S. 846–862
Berndt Ostendorf: Multikulturelle Gesellschaft – Modell Amerika? München 1994
Toni S. Pescosta: Vom Umgang des Staates mit den Tiroler Karrnern. In: Heidi Schleich, Das Jenische in Tirol, Sprache und Geschichte der Karrner, Laninger, Dörcher, Landeck 2001, S. 109-122
Jacques Picard: Antiuniversalismus, Ethnizismus, Geschichtspolitik. In: Christina Tuor-Kurth (Hg.), Neuer Antisemitismus – alte Vorurteile?, Stuttgart, Berlin 2001, S.79-101
Kristin Platt/Mihran Dabag (Hg.): Generation und Gedächtnis. Erinnerungen und kollektive Identitäten, Opladen 1995
Nadja Ramsauer: „Verwahrlost“. Kindswegnahmen und die Entstehung der Jugendfürsorge im schweizerischen Sozialstaat 1900-1945. Zürich 2000
Johannes Krapf von Reding: Zur Geschichte des
Gaunerthums in der Schweiz. Basel
1864
Paul Ricoeur: Temps et récit. 3 Bde. Paris 1983ff
Andreas Rieder: Indirekte Diskriminierung – das Beispiel der Fahrenden. In: Walter Kälin, Das Verbot kulturell-ethnischer Diskriminierung, verfassungs- und menschenrechtliche Aspekte, Basel 1999,
S.149-175
Jörn Rüsen/Michael Gottlob/Achim Mittag (Hg.): Die Vielfalt der Kulturen. Erinnerung, Geschichte, Identität, Bd.4. Frankfurt a.M. 1998
Heidi Schleich: Das Jenische in Tirol. Sprache und Geschichte der Karrner, Laninger, Dörcher. Landeck 2001
Fritz Schütze: Biographieforschung und narrative Praxis, in: Neue Praxis, Nr. 3/1983, S. 283-294
Magdalena Schweizer: Die psychiatrische Eugenik in Deutschland und in der Schweiz zur Zeit des Nationalsozialismus; Bern 2002
Maja Seibold: Fremdplatzierung und Kindeswohl: drei Institutionstypen im Vergleich (Diplomarbeit der Fachhochschule Aargau), Brugg 2000
Richard Sennett: Respekt im Zeitalter der Ungleichheit. Berlin 2002
Spiros Simitis/Lutz Rosenkötter/Rudolf Vogel/Barbara Boost-Muss/Mathias Frommann/Jürgen Hopp/Hartmut Koch/Gisela Zenz: Kindeswohl. Eine interdisziplinäre Untersuchung über seine Verwirklichung in der vormundschaftsgerichtlichen Praxis, Frankfurt a.M. 1979
Jürgen Straub (Hg.): Erzählung, Identität und historisches Bewusstsein. Die psychologische Konstruktion von Zeit und Geschichte. Erinnerung, Geschichte, Identität, Bd.1. Frankfurt a.M. 1998
Jörn Stückrath/Jürg Zbinden /Hg.: Metageschichte. Hayden White und Paul Ricoeur. Dargestellte Wirklichkeit in der europäischen Kultur im Kontext von Husserl, Weber, Auerbach und Gombrich. Baden- Baden 1997
Charles Taylor, Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung. Frankfurt a. M. 1993
Christina Tuor-Kurth (Hg.), Neuer Antisemitismus – alte Vorurteile?, Stuttgart 2001
Herwart Vorländer: Oral History. Mündlich erfragte Geschichte. Göttingen 1990
Graziella Wenger: Andreas, ein Opfer der Aktion Kinder der Landstrasse, in: Helena Kanyar Becker (Hg.), Basel 3003, S.39-52
Hayden White: Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa. Frankfurt a.M. 1994
Peter Widmann: An den Rändern der Städte. Sinti und Jenische in der deutschen Kommunalpolitik. Berlin 2001
Hans-Rudolf Wicker, Jean-Luc Alber u.a. (Hg.): Das Fremde in der Gesellschaft, Migration, Ethnizität und Staat, Zürich 1996
Wim Willems: In Search of the True Gypsy: From enlightenment to Final Solution. London 1997
Carlo Wolfisberg: Heilpädogik und Eugenik. Zürich 2002
Willi Wottreng: Lieber in der Schweiz Ausländer sein als Zigeuner zuhause. In: Weltwoche, 16.4.1998, S.37- 41
Willi Wottreng: Hirnriss. Wie die Irrenärzte August Forel und Eugen Bleuler das Menschengeschlecht retten wollten. Zürich 1999
Claus Zittel (Hg.): Wissen und soziale Konstruktion. Berlin 2002
Marie-Louisa Zürcher-Berther: Fahrende unter Sesshaften. Basel 1988
b) Anmerkungen:
[1] Vgl. zum multikulturellen Ansatz des Verständnisses von Prozessen der Integration und Ausgrenzung u.a. Klaus J. Bade (Hg.): Die multikulturelle Herausforderung. Menschen über Grenzen – Grenzen über Menschen. München 1996; Jörn Rüsen/Michael Gottlob/Achim Mittag (Hg.): Die Vielfalt der Kulturen. Erinnerung, Geschichte, Identität, Bd.4. Frankfurt a.M. 1998; vgl. auch Berndt Ostendorf: Der Preis des Multikulturalismus. Entwicklungen in den USA, in: Merkur 9/10 (1992) S. 846–862; ders.: Multikulturelle Gesellschaft – Modell Amerika? München 1994, sowie Charles Taylor: Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung, Frankfurt a. M. 1993.
[2] Zum völkerrechtlichen Aspekt der Lage von Minderheiten vgl. Francesco Caportorti: Minorities. In: Encyclopedia of Public International Law, Max Planck Institut, 1985. Pionierarbeit dazu leistete André Mandelstam: La protection internationale des minorités, Rapports de la XIXème de l’institut de droit international, Paris 1925, bes. S.5-11 u. 81-90. Ders.: Protéction internationale des minorités, Rapports de la session de Cambridge, Bruxelles 1931. Einen Überblick über die Geschichten europäischer Minderheiten liefert Ludwig Klemens: Ethnische Minderheiten in Europa, München 1995. Theoretische, insbesondere soziologische Ansätze liefert Friedrich Heckmann: Ethnische Minderheiten, Volk und Nation. Soziologie interethnischer Beziehungen, Stuttgart 1992
[3] Vgl. Benedict Anderson: Die Erfindung der Nation, Frankfurt a.M. 1988; Urs Altermatt (Hg.), Nation, Ethnizität und Staat in Mitteleuropa. Wien 1996; Catherine Bosshart-Pfluger/Joseph Jung/Franziska Metzger (Hg.): Nation und Nationalismus in Europa, Kulturelle Konstruktion von Identitäten, Frauenfeld, Stuttgart u.Wien 2002
[4] Vgl. Paul Ricoeur: Temps et récit. 3 Bde. Paris 1983ff.; Hayden White: Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa. Frankfurt a.M. 1994. Zu Ricoeurs und Whites Untersuchungen, die sich sowohl auf ältere Geschichtstheorien und in anderen Werken auch auf die Darstellungen des Holocaust beziehen, sowie zu deren methodologischer Rezeption in den Sozialwissenschaften vgl. Jörn Stückrath/Jürg Zbinden /Hg.: Metageschichte. Hayden White und Paul Ricoeur. Dargestellte Wirklichkeit in der europäischen Kultur im Kontext von Husserl, Weber, Auerbach und Gombrich. Baden- Baden 1997. Zu weiteren Aspekten der Thematik vgl. auch Claus Zittel (Hg.): Wissen und soziale Konstruktion, Berlin 2002, darin S. 273-288 spezifisch im Hinblick auf Destruktion und Rekonstruktion der Identität von Native Americans mit Hilfe neuer Medien, wie sie ähnlich auch für die Roma, Sinti und Jenischen in Europa zu konstatieren ist: Cora Bender/Andreas Niederberger: Powwow, Radio, Netzwerk – Zur Verortung von Wissenskulturen nordamerikanischer Indianer in der Gegenwart.
[5]Exponenten der sogenannten „histoire totale“ sind z.B. Fernand Braudel oder Pierre Goubert; modellhaft für diesen Ansatz steht Pierre Goubert, Beauvais et le Beauvaisis de 1600 à 1730, Paris 1960; vgl. auch Peter Burke: Offene Geschichte. Die Schule der Annales. Berlin 1991.
[6] Zur Biographieforschung allgemein vgl. neben immer noch gültigen Hinweisen und Beobachtungen im Band von Peter Alheit/Erika M.Höerning (Hg.): Biographisches Wissen. Beiträge zu einer Theorie lebensgeschichtlicher Erfahrung, Frankfurt a.M. 1989, auch Gerd Jüttemann/ Hans Thomae: Biographische Methoden in den Humanwissenschaften. Weinheim 1998
[7] Zur Biographieforschung spezifisch aus weiblicher Sicht vgl. Bettina Dausien: Biographieforschung als „Königinnenweg“? Ueberlegungen zur Relevanz biographische Ansätze in der Frauenforschung, in: Angelika Dietzinger et.al. (Hg.): Erfahrung mit Methode, Wege sozialwissenschaftlicher Frauenforschung, Freiburg i.Br., 1994, S.129-153.
[8] Vgl. Fritz Schütze: Biographieforschung und narrative Praxis, in: Neue Praxis, Nr. 3/1983, S. 283-294; Martin Kohli/ Günther Robert (Hg.): Biographie und soziale Wirklichkeit. Neue Beiträge und Forschungsperspektiven, Stuttgart 1984; Herwart Vorländer: Oral History. Mündlich erfragte Geschichte. Göttingen 1990; Kenneth J. Gergen: Erzählung, moralische Identität und historisches Bewusstsein. In: Jürgen Straub (Hg.): Erzählung, Identität und historisches Bewusstsein. Die psychologische Konstruktion von Zeit und Geschichte. Erinnerung, Geschichte, Identität, Bd.1. Frankfurt a.M. 1998, S.170-202. Als Beispiel für oral history in der Schweiz vgl. Christoph Dejung/ Thomas Gull/Tanja Wirz: Landigeist und Judenstempel. Erinnerungen einer Generation 1930-1945. Zürich 2002
[9] Zum Begriff Respekt vgl. Richard Sennett: Respekt im Zeitalter der Ungleichheit. Berlin 2002. Beispiele für die Bereitschaft von Überlebenden des Holocaust hauptsächlich aus der Gruppe der deutschen Sinti und Roma oder für die Betroffenen des „Hilfswerks für die Kinder der Landstrasse“ zur für sie allerdings oft auch mit schmerzlichem Wiedererinnern verbundenen Zeugenschaft sind die Interviews, die im Projekt "Verfolgungserfahrung deutscher Sinti und Roma unter dem Nationalsozialismus" an der Universität Heidelberg in den Jahren 1985-1986 unter der Leitung von Micha Brumlik, Lutz Niethammer, Helmut Baitsch und in Zusammenarbeit mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma erarbeitet wurden; die Interviews in Thomas Huonker: Fahrendes Volk – verfolgt und verfemt, Jenische Lebensläufe, Zürich 1990; einige neuere Lizentiatsarbeiten mit Interviews von Jenischen oder das Radio-Interview „Ein Kind der Landstrasse“ geführt von Georges Wettstein, Radio DRS, 25.Januar 2001 sowie andere Radiointerviews mit Jenischen der letzten Jahre.
[10] Claude Kupfer/Ralph Weingarten: Zwischen Ausgrenzung und Integration. Geschichte und Gegenwart der Jüdinnen und Juden in der Schweiz. Zürich 1999, S.10, S.30-37, S.51-64
[11] Thomas Dominik Meier/Rolf Wolfensberger: „Eine Heimat und doch keine“. Heimatlose und Nicht-Sesshafte in der Schweiz (16.-19. Jahrhundert). Zürich 1998
[12] Thomas Huonker: Fahrendes Volk – verfolgt und verfemt. Jenische Lebensläufe. Zürich 1990, S.56-61, Meier/Wolfensberger 1998 (op.cit.), Martin Gasser/Thomas D. Meier/Rolf Wolfensberger: Wider das Leugnen und Verstellen. Carl Durheims Fahndungsfotografien von Heimatlosen 1852/53. Zürich 1998; vgl. für Graubünden auch Clo Meyer: ‚Unkraut der Landstrasse’. Industriegesellschaft und Nichtsesshaftigkeit am Beispiel der Wandersippen und der schweizerischen Politik an den Bündner Jenischen vom Ende des l8. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg. Disentis 1988
[13] Johannes Krapf von Reding: Zur Geschichte des Gaunerthums in der Schweiz. Basel 1864
[14] Vgl. Willi Wottreng: Hirnriss. Wie die Irrenärzte August Forel und Eugen Bleuler das Menschengeschlecht retten wollten. Zürich 1999; Nadja Ramsauer: „Verwahrlost“. Kindswegnahmen und die Entstehung der Jugendfürsorge im schweizerischen Sozialstaat 1900-1945. Zürich 2000; Thomas Huonker: Anstaltseinweisungen, Kindswegnahmen, Eheverbote, Sterilisationen, Kastrationen. Fürsorge, Zwangsmassnahmen, ‚Eugenik’ und Psychiatrie in Zürich zwischen 1890 und 1970. Zürich 2002; Magdalena Schweizer: Die psychiatrische Eugenik in Deutschland und in der Schweiz zur Zeit des Nationalsozialismus; Bern 2002, Carlo Wolfisberg: Heilpädogik und Eugenik. Zürich 2002
[15] Josef Jörger: Die Familie Zero. In: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie einschliesslich Rassen- und Gesellschaftshygiene, Nr. 2/1905, S. 495-559; Josef Jörger: Die Familie Markus. In: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, 1918, Nr. 1-2 (Festgabe an Dr. August Forel zu seinem 70. Geburtstag), S.76-116; Josef Jörger: Psychiatrische Familiengeschichten. Berlin 1919
[16] Vgl. Joachim S. Hohmann: Robert Ritter und die Erben der Kriminalbiologie. ‚Zigeunerforschung’ im Nationalsozialismus und in Westdeutschland im Zeichen des Rassismus. Frankfurt a.M. 1991, S.133ff.; Willems, Wim: In Search of the True Gypsy: From enlightenment to Final Solution. London 1997; Thomas Huonker/Regula Ludi: Roma, Sinti, Jenische. Schweizerische Zigeunerpolitik zur Zeit des Nationalsozialismus. Zürich 2001, S.37f., S.58-61
[17] Vgl. Meyer 1988, op.cit.
[18] Vgl. Huonker 1990, op.cit.; Walter Leimgruber/Thomas Meier/Roger Sablonier: Das Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse. Historische Studie aufgrund der Akten der Stiftung Pro Juventute im Bundesarchiv. Bern 1998; Bernadette Kaufmann: Kinder zwischen Rädern. Kurzfassung des Forschungsberichtes „Das Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse“. Zürich 2001
[19] Peter Paul Moser: Entrissen und entwurzelt. Im Alter von 13 Monaten geraubt und entführt. Thusis o.J (2000); ders: Die Ewigkeit beginnt im September. Dr. Alfred Siegfried bringt jenische Kinder hinter Gitter. Thusis o.J. (2000); ders: Rassendiskriminierung und Verfolgung während einer ganzen Generation. Brandstiftung: für eine neunköpfige Familie ein deutlicher Hinweis, unerwünscht zu sein. Thusis o.J. (2000)
[20] Graziella Wenger: Andreas, ein Opfer der Aktion Kinder der Landstrasse, in: Helena Kanyar Becker (Hg.), Basel 3003, S.39-52
[21] Vor allem in folgenden Titeln: Mariella Mehr: Steinzeit, Bern 1981; dies.: Kinder der Landstrasse. Ein Hilfswerk, ein Theater und die Folgen. Bern 1987; dies.: RückBlitze. Bern 1990
[22] Klaus Kraimer (Hg.): Die Fallrekonstruktion. Sinnverstehen in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Frankfurt a.M. 2000. Vgl. auch Fussnote 34 zur Einzelfalldarstellung im Rahmen der Methoden qualitativer Sozialforschung.
[23] Die Kantone Zürich, Graubünden, St. Gallen, Basel-Stadt, Basel-Land, Aargau, Luzern, Appenzell-Ausserrhoden, Thurgau, Solothurn, Neuchâtel, Wallis. Zu den Erwartungen des Kantons Zürich an unser Projekt vgl. die Debatte im Kantonsrat Zürich vom 9. September 2002 mit den Ausführungen von Regierungsrat Markus Notter im Protokoll dieser Sitzung.
[24] Solche Massnahmen, die auch heute noch durchgeführt werden, bedürfen ebenso wie Adoptionen einer genauen Interessenabwägung. Neuere Erwägungen dazu, die in Kontrast stehen zu den im Rückblick zu erforschenden Begründungen der Kindswegnahmen des „Hilfswerks“, z.B. bei Spiros Simitis/Lutz Rosenkötter/Rudolf Vogel/Barbara Boost-Muss/Mathias Frommann/Jürgen Hopp/Hartmut Koch/Gisela Zenz: Kindeswohl. Eine interdisziplinäre Untersuchung über seine Verwirklichung in der vormundschaftsgerichtlichen Praxis, Frankfurt a.M. 1979; Katja Klingenstein: Kulturelle Identität und Kindeswohl in deutschen internationalen Adoptionsrecht, Frankfurt a.M. 2000; Maja Seibold: Fremdplatzierung und Kindeswohl: drei Institutionstypen im Vergleich (Diplomarbeit der Fachhochschule Aargau), Brugg 2000; Claudia Kaufmann/Franz Ziegler: Kindeswohl: eine interdisziplinäre Sicht. Zürich 2003
[25] Vgl. Ramsauer 2000, op.cit.; Huonker 2002, op.cit.
[26] Vgl. Franz Egger: Der Bundesstaat und die fremden Zigeuner 1848-1914. In: Studien und Quellen 8, Bern 1982, S.49-73
[27] Vgl. Huonker/Ludi 2001, op.cit.
[28] Vgl. Willi Wottreng: Lieber in der Schweiz Ausländer sein als Zigeuner zuhause. In: Weltwoche, 16.4.1998, S.37-41
[29] Bericht der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eingesetzten Studienkommission: Fahrendes Volk in der Schweiz. Lage, Probleme, Empfehlungen. Bern 1983; Marie-Louisa Zürcher-Berther: Fahrende unter Sesshaften. Basel 1988; Leimgruber/Meier Sablonier 1998, op.cit.
[30] Vgl. Urs Glaus: Fahrende in der Schweiz: Gefangen zwischen direkter und indirekter Diskrimination. In: Walter Kälin: Das Verbot kulturell-ethnischer Diskriminierung, verfassungs- und menschenrechtliche Aspekte, Basel 1999, S.141-148; Andreas Rieder: Indirekte Diskriminierung – das Beispiel der Fahrenden. In: Walter Kälin 1999, op.cit., S.149-175; Lukas Gschwend: ‚Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse’ der Pro Juventute – ein Fall von Völkermord in der Schweiz? In: Andreas Donatsch/Marc Forster/Christian Schwarzenegger (Hg.): Festschrift für Stefan Trechsel zum 65. Geburtstag, Zürich 2002, S.373-392
[31] Vgl. Hasso von Haldenwang: Die Jenischen. Erinnerungen an die Wildensteiner Hausierhändler. Crailsheim 1999.; Günter Danzer: Jenisch diebra en Oberberg. Syrgenstein 2000; Romed Mungenast (Hg.): Jenische Reminiszenzen. Landeck 2001; Heidi Schleich: Das Jenische in Tirol. Sprache und Geschichte der Karrner, Laninger, Dörcher. Landeck 2001; Toni S. Pescosta: Vom Umgang des Staates mit den Tiroler Karrnern. In: Heidi Schleich, op.cit., S. 109-122; Peter Widmann: An den Rändern der Städte. Sinti und Jenische in der deutschen Kommunalpolitik. Berlin 2001. Die Verfolgung der Jenischen in Österreich unter Hitler ist auch erwähnt im Bericht der österreichischen Historikerkommission, im Band von Florian Freund/Gerhard Baumgartner/ Harald Greifeneder: Vermögensentzug, Restitution und Entschädigung der Roma und Sinti, Wien 2002 (dort S.12-17)
[32] Vgl. dazu insbesondere das Vorwort von Heiko Haumann zu Helena Kanyar Becker (Hg.): Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz. Basel 2003
[33] Thomas Huonker: Diagnose „moralisch defekt“. Kastration, Sterilisation und Rassenhygiene im Dienst der Schweizer Sozialpolitik und Psychiatrie 1870-1970, Zürich 2003
[34] Thomas Huonker/Martin Schuppli (mit Fotos von Fabian Biasio): Wandlungen einer Institution. Vom Männerheim zum Werk- und Wohnhaus. Zürich 2003
[35] Stéphane Laederich: Rromanes and Rroma History, in: Helena Kanyar Becker (Hg.)Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz, Basel 2003, S. 139-161
Ein anderes Beispiel ist ein altes Lied aus der Tradition der Lovara, in Russland aufgenommen durch L.Tscherenkow. Das Lied bezieht sich auf die Untaten eines Rom namens Janosh aus Ungarn. Der Liedtext berichtet, er habe die Tochter eines Wirts geraubt und schliesslich sie und ihren Vater umgebracht sowie die Gaststätte in Brand gesetzt. Das Lied berichtet weiter, dass dies der Anlass war, um die ungarischen Lovara der Kollektivschuld an diesem Verbrechen zu bezichtigen und aus Ungarn zu vertreiben. Dem entsprechen die in Schriftquellen auffindbaren Hinweise, denen auch das genaue Datum und der Ort des Verbrechens, 1904 in Danospuszta zu entnehmen ist, sowie der Umstand, dass damals eine breit angelegte Polizeiaktion gegen viele Lovara einsetzte, ohne dass es indessen gelang, den Täter zur Verantwortung zu ziehen.
[38] Vgl. zu den Methoden qualitativer Forschung u.a. folgende Überblicksdarstellungen; Norman K. Denzin/Yvonna S. Lincoln, Handbook of Qualitative Research, Beverly Hills 1994; Ralf Bohnsack: Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in Methodologie und Praxis qualititativer Sozialforschung. Opladen 1995; Uwe Flick/Ernst v.Kardorff/Heiner Keupp/Lutz v.Rosenstiel/Stephan Wolff: Handbuch qualitativer Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Anwendungen. Weinheim 1995; Thomas Brüsemeister: Qualitative Forschung. Ein Überblick. Wiesbaden 2000. Zu linguistisch-textanalytisch orientierten Ansätzen in der sozialwissenschaftlichen und historischen Forschung vgl. Georg G. Iggers: Die "linguistische Wende". Das Ende der Geschichte als Wissenschaft?, in: Georg G. Iggers: Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert: ein kritischer Überblick im internationalen Zusammenhang. Göttingen 1996, S.87-96.
[39] Vgl. dazu Aleida Assmann/Heidrun Friese (Hg.): Identitäten. Erinnerung, Geschichte, Identität, Band 3, Frankfurt a.M. 1998; Jan Assmann: Erinnern, um dazuzugehören. Kulturelles Gedächtnis, Zugehörigkeitsstruktur und normative Vergangenheit, in: Kristin Platt/Mihran Dabag (Hg.): Generation und Gedächtnis. Erinnerungen und kollektive Identitäten, Opladen 1995, S. 51-76; Aleida Assmann: Funktionsgedächtnis und Speichergedächtnis – Zwei Modi der Erinnerung, ebda. S. 169-185. Es ist kein Zufall, dass die Herausgeber dieses Bandes, der vor allem von Gedächtnis und Erinnerung in Verfolgungszusammenhängen handelt, deren schlimmste Formen nun systematisierend darstellen: Mihrad Dabag/Kirstin Platt: Genozid und Moderne. Strukturen kollektiver Gewalt im 20. Jahrhundert. Band 1. Opladen 1998. Zur Funktion der Begrifflichkeiten Fremd/Volk vgl. auch Hans-Rudolf Wicker, Jean-Luc Alber u.a. (Hg.): Das Fremde in der Gesellschaft, Migration, Ethnizität und Staat, Zürich 1996. Lutz Niethammer, seinerseits ein Pionier der oral history (vgl.Lutz Niethammer, Lebenserfahrung und kollektives Gedächtnis, Frankfurt 1980) verarbeitet in einem neueren Werk die Möglichkeiten der Vereinnahmungen von Erinnerung, Gedächtnis, Überlieferungen und Traditionen in Gruppen und Institutionen zur Ideologisierung und Bündelung von Abwehrbildern und –gefühlen gegenüber anderen Gruppen, vgl. Lutz Niethammer: Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur. Hamburg 2000. Vgl. zu Identität und Ethnizität auch Rupert Moser (Hg.), Die Bedeutung des Ethnischen im Zeitalter der Globalisierung. Einbindungen, Ausgrenzungen, Säuberungen. Bern 2000 (Berner Universitätsschriften 44) sowie Jacques Picard: Antiuniversalismus, Ethnizismus, Geschichtspolitik, in: Christina Tuor-Kurth (Hg.), Neuer Antisemitismus – alte Vorurteile?, Stuttgart, Berlin u. Köln 2001, S.79-101
[40] Vgl. dazu Fussnote 30
[41] Schweizerischer Nationalfonds: Nationales Forschungsprogramm Integration und Ausschluss. Bern 2002. S.32, S.36