[Erschienen in: Neue Wege, Zürich, Nr.10, Oktober 2000, S.295-303]
Die
Verfolgung von Roma, Sinti und Jenischen ist ein weiteres trauriges
Kapitel in der jüngeren Schweizer Geschichte, das noch kaum zur
Kenntnis genommen, geschweige denn verarbeitet wurde. Wer weiss denn
schon von der besonderen Brutalität der offiziellen Schweiz im
Umgang mit den Fahrenden, gar von der Zusammenarbeit zwischen der
Schweizer Fremdenpolizei und einer von Nazigrössen
unterwanderten Vorgängerorganisation der Interpol? Thomas
Huonker hat diese Geschichte für die Unabhängige
Expertenkommission Bergier aufgezeichnet. Sein
Berichtsentwurf umfasst 670'000 Zeichen und 800 Fussnoten mit
brisanten Zitaten und Verweisen aus und auf weit über 1000
Aktenstücke, Artikel und Bücher und wäre bei aller
Gründlichkeit auch sehr spannend und lesbar – aber
vielleicht hilft schon dieses kleine Konzentrat etwas weiter. Der
Autor kennt neben den hier vorrangig, aber keineswegs
umfassend dargestellten polizeilichen Massnahmen, Verbindungen und
Kontinuitäten im Europa des 20.
Jahrhunderts auch wissenschaftliche sowie gesundheits- und
sozialpolitische Hauptlinien, zu denen es ebenfalls noch manche
Forschungsresultate zu publizieren gäbe. Wenn denn die Forschung
in diesem Bereich endlich auch den Stellenwert erhielte, der ihr,
gemessen an dem schreienden Unrecht, das da zu benennen wäre,
zukommen müsste.
Dem industriellen Holocaust in den nationalsozialistischen Arbeits- und Todeslagern, den Vergasungen in umgebauten Saurer-Lastwagen und den Massenerschiessungen in den besetzten Gebieten sowie der „Euthanasie“ fielen neben den Millionen Angehörigen anderer Gruppen (Juden, Slawen, Behinderte, Oppositionelle, Homosexuelle) auch eine bisher nicht genau dokumentierbare Gesamtzahl von zwischen 500 000 und einer Million ermordeter Roma, Sinti und Jenische zum Opfer, zumeist unter der Bezeichnung „Zigeuner“. Sie wurden aber auch als „asoziale Kriminelle“, „Arbeitsscheue“, „erblich Minderwertige“ oder „primitive Sippschaften“ stereotypisiert. Neben der direkt von nationalsozialistischen Instanzen durchgeführten Verfolgung gab es vor 1933 und nach 1945 sowie während dieses Zeitraums in mehr oder weniger selbständig agierenden Ländern wie Italien, der Schweiz oder Rumänien auch eigenständige Massnahmen gegen sie. Ebenso gab und gibt es im ganzen 20. Jahrhundert spezifische polizeiliche Registrierungen und wissenschaftliche Diffamierungen dieser Gruppen, beides in internationaler Zusammenarbeit.
Die Schweiz war einer der ersten Staaten, welcher den „Heiden“ und „Zeginern“ das Einreise- und das Daseinsrecht untersagte, mit einer Reihe von brutalen Tagsatzungsbeschlüssen ab 1471, welche die Vertreibung, Brandmarkung, Erhängung und Ausrottung dieser Menschen statuierten. Immer wieder flüchteten sich Gruppen von „Heiden“ und „Zeginern“ in die unwegsamen schweizerischen Alpengebiete. Berge, Heiden, Wälder und Sümpfe waren die besten Rückzugsgebiete der sonst allerorts Verfolgten. Nach der Einrichtung von Polizeiorganen im 18. Jahrhundert wurden sie nicht mehr nur mittels lokaler „Betteljagden“ und des regelmässigen „Vagantenschubs“ von Zuständigkeit zu Zuständigkeit gejagt, sondern aufgrund von „Gaunerlisten“ international verfolgt.
Bürgerrechte und Reisefreiheit
Die sich im 19. Jahrhundert konstituierenden Staaten mit menschenrechtlich fundierten Verfassungen konnten die seit Jahrhunderten zwar Vertriebenen, aber doch immer Anwesenden nicht mehr ignorieren oder in völliger Rechtlosigkeit halten. So kam es 1864 zur Aufhebung der Sklaverei, unter der die Roma in Rumänien bis dahin gelebt hatten, oder ab 1851 zur Zwangseinbürgerung eines Teils der Fahrenden in der Schweiz (mit Verzögerungsmanövern der lokalen Zuständigen bis in die 1870er Jahre). Andere wurden in Nachbarländer oder nach Übersee deportiert. Auch in Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien erlangte ein grosser Teil der Roma, Sinti und Jenischen das jeweilige Bürgerrecht.
Viele blieben aber auch papierlos oder verfügten nur über falsche oder nicht mehr erneuerte Papiere. Speziell diejenigen Gruppenangehörigen, die fahrenden Gewerben nachgingen und in Wohnwagen und Zelten wohnten, konnten selten die Grenzen legal überschreiten. Am besten stand es diesbezüglich, ähnlich wie heute in der Zeit der europäischen Grenzöffnungen, in der liberalen Phase zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und dem Ersten Weltkrieg, wo Eisenbahnen, Strassen und andere Verkehrsmittel im Interesse des freien Handels- und Personenverkehrs ausgebaut und Zollgrenzen abgebaut wurden. Damals wie heute konnten auch viele Roma-Familien aus dem Osten Europas in den Westen ziehen. Die Schweiz aber schloss, zunächst in alleiniger Kompetenz der Grenzkantone, ab 1888 als erstes und lange einziges Land Europas vor den durchziehenden Roma die Grenzen; die Grenzsperre wurde ab 1906 ergänzt durch das rassistische Verbot der Benutzung von Schweizer Eisenbahnen und Dampfschiffen durch „Zigeuner“.
Das Schweizer „Zigeunerregister“
1899 gründete Alfred Dillmann die sogenannte „Zigeuner-Zentrale“ in Bayerns Hauptstadt München. Im Unterschied zur Schweiz mit ihrem europaweit nach der liberalen Phase wiederum erstmaligen und einzigartigen gänzlichen Einreiseverbot gegenüber „Zigeunern“ konnte die bayrische Polizei die Zigeuner nicht generell an der Grenze abweisen, sondern musste sich mit ihrer Registrierung begnügen.
Eduard Leupold, Adjunkt der Polizeiabteilung von 1904 bis 1915 und eine Leitfigur des schweizerischen Antiziganismus, bestärkte nicht nur Bund und Kantone in ihrer generellen Abweisungspraxis gegenüber „Zigeunern“, sondern betrieb seinerseits die Einrichtung eines schweizerischen Zigeunerregisters. Wer als „Zigeuner“ registriert war, der wurde wegen „Gefährdung der innern Sicherheit“ nach Artikel 70 der Bundesverfassung ausgewiesen. „Zigeuner“ zu sein war fortan in der Schweiz ein krimineller Tatbestand, allerdings ohne dass dies dem Strafgesetzbuch zu entnehmen war oder gerichtlich hätte beurteilt werden müssen. Schnitt-, Auskunfts- und Nachweisstelle für diesen „Tatbestand“ bildete vielmehr die „Zigeunerregistratur“ der Polizeiabteilung:
Leupold fasste seine Empfehlungen zur Einrichtung einer „Zigeunerregistratur“ so zusammen:
„Ich möchte also auch für unser Land die Errichtung einer Zigeunerregistratur nach dem Muster der bayrischen empfehlen, womit die Organisation eines regelmässigen Nachrichtendienstes, der sowohl von den kantonalen Polizeiorganen, als von den eidgenössischen Grenzwächtern zu betreiben wäre, Hand in Hand zu gehen hätte. Dabei wäre die anthropometrische Messung der Zigeuner als Regel einzuführen. Die Original-Messkarten würden der anthropometrischen Registratur des schweizerischen Zentralpolizeibüros eingereicht, eine Kopie derselben den Personalheften der speziellen Zigeunerregistratur einverleibt. Diese letztere wäre bei der Polizeiabteilung unseres Departements zu führen.“
National- und Ständerat hatten 1910 einen Jahreskredit von 2000 Franken zur Finanzierung dieser „Zigeunerregistratur“ bewilligt. Fortan wurden an der Grenze aufgehaltene oder im Landesinnern aufgegriffene Roma, Sinti oder Jenische ausländischer Herkunft verhaftet. Frauen und Kinder kamen in Asyle der Heilsarmee, die Männer in die Strafanstalt Witzwil. Alle wurden fotografiert und samt Fingerabdrücken registriert. Leupolds Verfahren mit seiner oft Monate dauernden polizeilichen Familientrennung wirkte gewolltermassen auch sehr abschreckend auf die Fahrenden mit ihrem grossen Familensinn. Die Familienzusammenführung an der Grenze erleichterte dann die Ausschaffung, oft bei Nacht, Nebel, Schneetreiben sowie auch während des Ersten und, mit den entsprechenden Folgen, während des Zweiten Weltkriegs.
Abschiebungen in der Zwischenkriegszeit
Nach der Schweiz erliessen auch die skandinavischen Länder Einreiseverbote gegen „Zigeuner“; in Schweden galt es von 1914 bis 1954. In Schweden wurden auch, wie in der Schweiz im Rahmen des sogenannte „Hilfswerks für die Kinder der Landstrasse“, eugenisch und rassistisch begründete Zwangssterilisierungen an Fahrenden vorgenommen. Im Entstehungsjahr des „Hilfswerks“, 1926, beschloss auch Mussolinis Italien, keine Nomaden mehr auf seinem Territorium zu dulden. Ein Kreisschreiben vom 8. August 1926 an die zuständigen faschistischen Instanzen befahl, „das nationale Territorium sei von der Anwesenheit von Zigeunerkarawanen zu säubern“. Die faschistischen Milizen jagten in den folgende Jahren viele Nomadenfamilien über die Alpenpässe, und die Schweizer jagten sie wieder zurück. Dabei kam es zu Schüssen der Italiener auf Schweizer Gebiet. Ein Kind des zwar in Graubünden gebürtigen, aber staatenlosen und aus Italien verjagten Carlo Minster starb während der monatelangen Abschiebehaft im Tessiner Polizeigefängnis. Hierauf versuchten die Schweizer Behörden mehrfach und vergeblich, die Unerwünschten nach Frankreich auszuschaffen, worauf die Franzosen sie zurückjagten. Ähnlich ging es mit einer anderen Nomadenfamilie, deren Vater französische Papiere hatte, welche die Franzosen aber nicht anerkannten. Diese und eine dritte Sinti-Familie, die sich trotz mehrfacher Versuche wegen des Widerstands der Nachbarstaaten nicht abschieben liessen, bekamen schliesslich ein Bleiberecht in der Schweiz. Ihre Einbürgerungsgesuche, das erste datiert von 1935, wurden erst 60 Jahre später, in den 90er Jahren, bewilligt.
Alle anderen auswärtigen „Zigeuner“, darunter auch in der Schweiz geborene Jenische mit ausländischen Papieren, wurden in den 20er, 30er und 40er Jahren ausgeschafft. Es ist in etlichen Fällen dokumentiert, dass sie später in deutsche Konzentrationslager kamen. So starb Alois Hartmann in Sachsenhausen, sein Bruder Kaspar in Mauthausen. Der Geiger Josef Freiwald, als Schweizer in der Schweiz geboren, erhielt trotz wiederholten Gesuchen keinen Schweizer Pass. Hingegen wurde das Geburtsregister abgeändert. Die letzte Passverweigerung erfolgte am 8. Juli 1943; am 19. Mai 1944 wurde Josef Freiwald aus Holland nach Auschwitz abtransportiert. Am 6. August 1944 konnte er aus einem Transport nach Buchenwald fliehen, wurde aber aufgegriffen und am 6. September 1944 dorthin eingeliefert. Er überlebte beide Konzentrationslager.
Rückweisungen von Sinti-Flüchtlingen in den Holocaust
Als der siebzehnjährige Sinto Anton Reinhardt, Sohn einer im Berner Jura zur Welt gekommenen Sintezza, von der Gestapo zwecks Zwangssterilisation ins Spital Waldshut eingeliefert wurde, konnte er entkommen und schwamm über den Rhein. Zu einem Zeitpunkt, als die Schweiz offiziell „wirklich an Leib und Leben gefährdete“ Flüchtlinge nicht mehr an die Nazis auslieferte, nämlich am 8. September 1944, wurde er ausgeschafft. Am Ostersamstag 1945, kurz vor Kriegsende, erschoss ihn ein SS-Mann. Zu diesem Fall haben sich sowohl schweizerische als auch deutsche Akten und Fotos erhalten, die erschütternd sind.
Bislang waren keine Akten auffindbar zur Abschiebung einer anderen Familie Reinhardt, aber die in Hütten im Kanton Zürich geborene Tochter Margareta Meinhard-Reinhardt hat überlebt. Sie überstand Auschwitz, wo alle ihre Brüder, ihr Vater und ihre Mutter umkamen; den Tod ihrer Mutter am 1. Dezember 1943 erlebte sie als Dreizehnjährige mit.
Überlebt hat auch der berühmte Jazz-Gitarrist Django Reinhardt. Er versuchte 1944 bei Genf in die Schweiz zu fliehen, wurde aber zurückgewiesen, ebenso wie eine „Famille de 12 romanichels“, die am 12. Juli 1944 in Chancy über die Grenze zurückgestellt wurde.
Die Abweisungen von Roma und Sinti gingen somit weiter, als jüdische und italienische Zivilflüchtlinge bereits in vielen Fällen aufgenommen wurden.
Schweizer Polizeidelegierte wählen Heydrich zum obersten Weltpolizisten
Das Schweizer Zigeunerregister war nicht nur nach deutschem Vorbild aufgebaut worden. Schweizer Polizeistellen arbeiteten auch mit Dillmanns Münchner „Zigeunerzentrale“ zusammen. Daten wurden während der Zwischenkriegszeit in Briefwechseln, die teilweise erhalten sind, ausgetauscht. Der Datenaustausch dauerte auch nach 1936 an, als die Akten und das Personal der Münchner „Zigeunerzentrale“ nach Berlin überführt und mit den Aktivitäten der Reichskriminalpolizei, der SS und des SD koordiniert wurden, auch mitten im Krieg. So beantwortete der Polizeiabteilungs-Beamte Ernst Scheim eine Anfrage des Reichskriminalamts vom 26. August 1941 betreffend „Personenfeststellung von Zigeunern“ am 18. September 1941 und ergänzte somit die Zigeunerregistratur von Himmlers Polizeiapparat. Männerbündlerische Kollegialität hinderte die Schweizer Polizeichefs an einer kritischen Sicht der seit 1936 der SS unterstellten deutschen Polizei.
Diese Kollegialität wurzelte unter anderem in der 1924 gegründeten „Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission“, kurz IKPK genannt, welche seit 1945 in rechtlicher Kontinuität als „Interpol“ weiterbesteht.ii Die Schweiz war seit 1926 Mitglied. Sekretär seit Gründung bis 1945 war Oskar Dressler. Neben anderen Polizeimännern waren in den Jahren vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg der Chef der Stadtberner Sicherheits- und Kriminalpolizei, Werner Müller, der im Krieg als zweiter Mann unter Masson auch die Schweizer Spionageabwehr leitete, sowie der Zürcher Professor für Gerichtsmedizin Heinrich Zangger die offiziellen Delegierten des Bundesrats in der IKPK. Die IKPK baute in den dreissiger Jahren eine „Internationale Zentralstelle zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ auf. Sie wurde am 17. April 1936 aktiv.
Eine Unterabteilung der IKPK widmete sich ferner dem internationalen Polizeifunk. Die Schweiz war seit 1937 via Funkzentrale des Flughafens Dübendorf mit der interpolizeilichen Leitfunkstelle in Berlin verbunden und benutzte diese Verbindung, die auch während des Kriegs aufrechterhalten wurde, unter anderem zur Zusammenarbeit mit Deutschland bei der Verhaftung eines schweizerischen Verkäufers von gefälschten Visa an jüdische Flüchtlinge. Noch am 7. Januar 1942 informierte Berlin die Schweizer Stellen über neue Wellenlängen der Berliner Leitfunkstelle, und die Schweiz blieb in Funkkontakt mit Himmlers Funktionären.
Stand die Zentrale des Polizeifunks schon seit dessen Gründung in Berlin, so wurde der Sitz der IKPK erst nach dem Anschluss Österreichs von Wien nach Berlin verlegt.
Die Etappen bei der Übernahme der IKPK durch die SS waren folgende. Beim Einmarsch in Österreich hatten die Nazis den bisherigen IKPK-Direktor Michael Skubl abgesetzt und unter Hausarrest gestellt. Im März 1938 fungierte Heydrich kurz als Übergangspräsident. Doch Sekretär Dressler riet, statt seiner den österreichischen Nazi Otto Steinhäusl zum IKPK-Präsidenten zu machen. Dieser war schwer lungenkrank und hatte nicht mehr lange zu leben. An der IKPK-Tagung vom Sommer 1938 in Bukarest wurde, unter Zustimmung auch der Schweizer Delegierten Müller und Zangger, der „Allgemeine Bericht über die Tätigkeit der IKPK in der Zeit vom 1.Mai 1937 bis zum 1.Mai 1938“ abgesegnet. Es hiess darin:
„Da der bisherige Präsident der Kommission, Herr Staatssekretär Dr. Michael Skubl, im März d.J. aus seinem Amte schied, war damit auch seine Funktion als Präsident der Kommission erloschen. Im April 1938 wurde der Leiter der Polizeidirektion in Wien, Herr Otto Steinhäusl, zum Polizeipräsidenten ernannt und ist damit ... Präsident der IKPK geworden.“
Die Delegierten einiger westlicher Länder wollten das nicht akzeptieren, sondern den Sitz der IKPK in die neutrale Schweiz verlegen; Bundesanwalt Stämpfli, Polizeiabteilungschef Rothmund und Werner Müller hatten sich aber schon vor der Konferenz dahingehend abgesprochen, dass der Sitz der IKPK auch nach dem Einmarsch in Wien und damit im Machtbereich der Nazis bleiben sollte.
Am 20. Juni 1940 war Steinhäusl seiner Lungenkrankheit erlegen. Nun endlich gelang es Heydrich, Präsident der internationalen Polizei zu werden. Dressler organisierte ein Wahlverfahren auf postalischem Weg. Die Schweizer Vertreter Zangger und Müller stimmten sowohl für Heydrich als Präsidenten wie für die Verlegung des Sitzes der IKPK nach Berlin.
Am 15. April 1941, exakt drei Jahre nach der Ernennung Steinhäusls, bezog die IKPK die arisierte Villa Am kleinen Wannsee 16 in Berlin. Dort logierte auch Polizeiabteilungschef Rothmund, als er im Herbst 1942 eine dreiwöchige Dienstreise nach Berlin unter anderem mit Jagdpartien und der Besichtigung des Konzentrationslagers Sachsenhausen zubrachte. Der Neu-Berliner Dressler beschrieb den IKPK-Sitz am Wannsee so:
„Das neue Heim musste, um den bekannten Zielen der Kommission gerecht zu werden, einerseits genügenden Raum bieten zur Unterbringung der internationalen Karteien, zur Erledigung der Exekutivarbeit des Internationalen Büros sowie der vom Generalsekretär geleiteten internationalen Verwaltungsarbeit, insbesondere seiner sehr ausgedehnten internationalen Korrespondenz. Andrerseits sollte das Haus für die Mitglieder bei ihren Besuchen in Berlin ein behagliches Heim werden, in dem sie zwang- und kostenlos wohnen können... Das Haus liegt in parkartigem, an den kleinen Wannsee angrenzenden Garten, in dem sich auch noch ein besonderes Gebäude für den Hausverwalter und eine Garage befinden... Kraftwagen stehen den ausländischen Gästen zur Verfügung. Mit dem Haus ist auch ein kleiner Kasinobetrieb verbunden, der für das leibliche Wohl der Gäste sorgt. Mit dem Reichskriminalamt, mit dessen Zentralen das Internationale Büro naturgemäss aufs engste zusammenarbeitet, besteht zweimal täglich Aktenaustausch.“
Es hiess in der Einladung zur Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942, wo die Organisation der Vernichtung aller Juden im deutschen Herrschaftsbereich besprochen wurde, die Sitzung finde „im Büro der Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission“ statt. Aber dieses Büro befand sich nicht in der Villa Dresslers, sondern im ebenfalls polizeilich genutzten Gebäude Am grossen Wannsee 56/58.
Angesichts der engen technischen, organisatorischen und personellen Vernetzung der IKPK mit der SS-Führung von 1941 – bis 1945, so schreibt Fenton Bresler in seinem Buch über die Interpol,
„kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass die Interpol der Kriegsjahre – ihre Akten, ihre Verbindungen, ihr Personal, was immer gerade gebraucht wurde – in vollem Umfang jenem skrupellosen Personenkreis zur Verfügung stand, der mit der ‚Endlösung der Judenfrage‘ betraut war“iii.
Dasselbe gilt für die Auswertung der „Zigeuner-Evidenz“ der IKPK bei der Vernichtungspolitik der Nazis gegenüber Roma, Sinti und Jenischen. Es gilt ebenso für alles andere Spezialwissen der IKPK. Die Materialien der IKPK zur internationalen Bekämpfung der Passfälscher und Falschgelddrucker kamen der SS zupass bei eigenen Passfälschungen und bei der „Aktion Bernhard“, dem Druck von falschen Pfund- und Dollarnoten in grossen Mengen.
Alles, zu dessen Bekämpfung die IKPK gegründet worden war: Mord, Raub, Diebstahl, Mädchenhandeliv, Falschmünzerei, Passfälschung – all das betrieb sie in der Ära von Heydrich und seinen Nachfolgern Nebe und Kaltenbrunner selber im grössten Stil.
Die Einzahlung der Beiträge der Mitgliedstaaten, auch der Schweiz, in Schweizerfranken lief weiterv, die Schweiz lieferte weiterhin Ausschreibungsmeldungen an die IKPKvi, die Polizeiabteilung korrespondierte mit der IKPK über „internationale Verbrecher“, das Zentralpolizeibüro schickte seine Jahresberichte an die IKPK. Werner Müller blieb Rechnungsprüfer der IKPKvii, er blieb neben Reichskriminalamtsdirektor Nebe und dem italienischen Polizeichef Pizzuto Mitglied des Redaktionskomitees der IKPK-Zeitschrift „Internationale Kriminalpolizei“, und er zählte als „ordentlicher Berichterstatter“ gemäss den Satzung der IKPK zu den „Gehilfen des Präsidenten“viii Heydrich.
Schweizer Asyl für den SS-Mann und Zigeunerregistrator Dickopf
Es war, neben geteilten Aversionen gegen Juden, Roma und andere Minderheiten, auch diese Kollegialität, welche die Grenzbeamten in La Cure im November 1943 dazu brachte, Josef Spring und seine Verwandten nicht nur an die Nazi-Schergen auszuliefern, sondern diese auch noch speziell darauf aufmerksam zu machen, dass die Papiere der Flüchtlinge gefälscht und dass sie Juden seien, worauf sie nach Auschwitz transportiert wurden.
Ebenfalls in La Cure wartete in der Nacht zum 17. Juli 1943 der Lausanner François Genoud – Hitler-Bewunderer seit 1932, als der 17jährige in Bonn dem späteren Reichskanzler und Führer begegnet war, bis zu seinem Tod 1996 – einmal mehr an der schweizerischen Grenze zum französischen Jura auf seinen deutschen Kontaktmann, den Kriminalkommissar, SS-Untersturmführer und Geheimdienstmann Paul Dickopf.ix
Während sonst François Genoudx über die Grenze ging, um teils allein, teils in Begleitung von Dickopf seinen Aufträgen sowohl für den deutschen als auch den schweizerischen Geheimdienst sowie seinen Gold- und Devisengeschäften nachzugehen – im März 1943 beispielsweise hatte Dickopf ihn nach Vichy-Frankreich und Monaco begleitet, wo ihn Genoud mit seinem syrischen Freund Chaled Daouk bekanntgemacht hattexi – kam diesmal Dickopf über die Grenze, um anschliessend unter einer falschen Flüchtlingsidentität über ein Jahr lang unerkannt in Lausanne zu leben. Dickopf, ein Flüchtling der Sonderklasse, wurde an der Grenze, nach einem Telefonat Genouds vom Gasthaus „La Givrine“ aus, per Auto vom schweizerischen Nachrichtenoffizier Olivet abgeholt, zusammen mit Genoud.
Genoud quartierte seinen SS-Freund in seiner Wohnung in Lausanne ein. Anschliessend besprach Genoud mit Oberleutnant Olivet das Vorgehen zur Aufnahme des Flüchtlings unter falscher Identität. Es wurde eine doppelte Scheinidentität gewählt: Privaten stellte sich Dickopf, der vorher schon die Namen Diekhoff, Diekmann, Hardegg, Dorr und andere verwendet hatte, in seiner ersten Schweizer Flüchtlingszeit als Däne namens André Donaldsen vor. Den Behörden gegenüber, die ihn erkennungsdienstlich behandelten, gab er sich als André Jung, Staatsbürger von Luxemburg aus.xii Nach einem Jahr, am 8. August 1944, wurde Dickopf in Lausanne verhaftet und nach Bern überführt. Nach 100 Tagen Haft wurde er freigelassen, bekam am 15. Dezember 1944 unter seinem richtigen Namen Asyl und erhielt ein Zimmer zunächst im Hotel Waadtländerhof, Bern, dann im Hotel Löwen in Worb als „Zwangsdomizil“. Die Akten im Bundesarchiv zu Dickopf wurden lange vor Einsichtnahme abgeschirmt.xiii
Dickopf behauptete in seinen diversen Lebensläufen stets, teils aus eigenem Antrieb, teils aus Angst vor Verfolgungen in die Schweiz geflüchtet zu sein. Andere sind der Auffassung, er habe von der Schweiz aus weiter seine geheimdienstlichen Geschäfte mit Gold und Devisen im Auftrag deutscher Stellen weiterbetrieben, kombiniert mit privaten Geschäften.xiv
Peter Koch schreibt:
„Mit der Legende eines Überläufers ausgestattet, konnte Dickopf ungestört Gold gegen Franken oder Dollars tauschen.“xv
Dickopf machte auch in der Schweiz keinen Hehl aus seiner antisemitischen Einstellung, was nicht für seine vorgegebene moralische Distanz zum nationalsozialistischen Regime sprach.
„Dans les discussions, il n'a pas caché sa haine des juifs“,
schrieb die zu Jung – Donaldsen – Dickopf von der Kantonspolizei Waadtland befragte Jacqueline Rey.xvi
Es gelang Dickopf, in der Schweiz neue Verbindungen zum schweizerischen und amerikanischen Geheimdienst zu knüpfen,xvii ohne seine alten Freunde aus der deutschen Polizei und dem deutschen Geheimdienst zu verlieren.xviii Diese Konstellation eröffnete Dickopf nach dem Zweiten Weltkrieg eine steile Polizeikarriere. Nachdem er bis 1947 zwecks Umgehung französischer Entnazifizierungsmassnahmen in der Schweiz blieb, baute er in Westdeutschland neu-alte Polizeistrukturen auf. Er wurde Direktor des Bundeskriminalamtes und schliesslich – Präsident der Interpol. Seine Person, seine Karriere und insbesondere auch seine Verbindung zum Schweizer Nazi François Genoud ist in den erwähnten Büchern dargestellt. Hier jedoch interessiert vor allem der weniger bekannte Umstand, dass Dickopf auch ein Spezialist in Sachen Zigeunerregistratur war.
Dickopf umschrieb seine kriminalistischen Anfänge so:
„Am Ende der Ausbildungszeit arbeitete ich ... einen Monat bei der ... Geheimen Staatspolizei. (Bei der ‚Gestapo‘ waren in dieser Zeit die Massenverschiebungen der sogenannten ‚Nichtstuer‘– mehrmals Vorbestrafte, Trinker, Zuhälter usw. – in Konzentrationslager im Gange. Es handelte sich für mich, der ich eine zusätzliche Arbeitskraft für die Dienststelle darstellte, um eine rein karteienmässige vergleichende Arbeit, bei der eingegangene Rapporte mit den vorliegenden Akten verglichen werden mussten.)“xix
Unter den ins KZ Eingewiesenen befanden sich auch Sinti und Jenische. Denn es
„wurden im April und Juni 1938 tausende von sogenannten Asozialen (darunter auch Zigeuner aus Frankfurt) von der Sicherheitspolizei und der Gestapo verhaftet und in die Konzentrationslager Flossenbürg, Mauthausen und Sachsenhausen gebracht, wo sie in den Betrieben und Steinbrüchen der SS als Sklavenarbeiter beschäftigt wurden. Unter diesen Personen befanden sich neben tatsächlichen oder vermeintlichen Kriminellen auch Homosexuelle, Juden und Zigeuner, die, sei es auch nur aufgrund eines Bagatelldelikts, vorbestraft waren.“xx
Nach Abschluss der Führerschule der Sicherheitspolizei, als frischvereidigter Kriminalkommissar und SS-Untersturmführer, wurde Dickopf Leiter des Erkennungsdienstes in Karlsruhe. Ein Hauptzweig des Karlsruher Erkennungsdiensts war seit dem 1. März 1923 die Tätigkeit als regionale „Zigeunerzentrale“. In einem Polizei-Schulungstext aus der Zeit Dickopfs in Karlsruhe heisst es im Teil „II. 1. Erkennungsdienst“:
„Die Zigeunerkartei ist im Zusammenhang mit der Strafaktensammlung zu nennen, weil sie ähnlich aufgebaut ist. Sie ist eine Sammlung der Akten über sämtliche Zigeuner aus dem Bezirk der Kriminalpolizei, die das 6. Lebensjahr überschritten haben.“xxi
Wie in Frankfurt lag auch in Karlsruhe die Einweisungsbefugnis ins Konzentrationslager in den Händen der Polizei, gerade auch betreffend die „Zigeuner“:
„Bei allen Zigeunern ist stets zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die vorbeugende Verbrechensbekämpfung duch die Polizei gegeben sind, z.b. Gefährdung der Allgemeinheit durch asoziales Verhalten. Hierbei ist ein besonders strenger Massstab anzulegen.“
Kontinuitäten bei Interpol und „Zigeunerregistratur“ nach 1945
Ebenso wie Dickopf seine Karriere nach 1945 fortsetzte, und wie die IKPK – unter Beibehaltung ihrer Rechtspersönlichkeit – nach 1945 als Interpol weiterexistierte, ebenso fuhren die Schweizer Grenzer und die Fremdenpolizei fort mit ihrer Praxis, Roma und Sinti an der Grenze abzuweisen oder, falls sie die Grenze hatten überschreiten können, zu verhaften, zu registrieren und auszuschaffen – bis ins Jahr 1972. Aus dem Jahr 1959 datiert ein Schnittpunkt dieser Kontinuitäten, nämlich Dickopfs auch nach 1945 fortdauernde persönliche Bemühungen, diesmal vom Bundeskriminalamt aus, weiterhin „Landfahrer“, und zwar von Kindsbeinen an, zu registrieren.xxii Dr. Tschäppät von der Polizeiabteilung hatte am 20. Juli 1959 per Fernschreiben die Kantonspolizeien informiert:
„aus frankreich sind, versehen mit abgelaufenen italienischen fluechtlingsausweisen, kuerzlich 45 zigeuner (tschechischer herkunft) in den kanton genf eingereist. die einreise war möglich durch fehlerhafte grenzkontrolle durch zollorgane. die rueckschaffung nach frankreich und italien scheiterte trotz allen versuchen, selbst in rom und paris. wir stehen vor der tatsache, dass diese leute im augenblick nicht weitergebracht werden können. diese sieben familien mit je 7 bis 8 personen (hauptsaechlich kinder) reisten mit autos und wohnwagen. diese gruppe befindet sich zur zeit in der umgebung der stadt bern. alle sind von uns mit neuen reiseausweisen fuer fluechtlinge ausgeruestet. mit diesen papieren koennten sie ohne visum nach deutschland fahren. fuer den augenblick ist ein solcher versuch aber nicht tunlich, weil in der presse bilder und berichte ueber diese zigeuner erschienen sind. wir sehen uns deshalb gezwungen, diese gruppe voruebergehend auseinander zu reissen“.xxiii
Leupolds Verfahren, leicht modifiziert, indem nur die Grossfamilie, nicht aber die Väter und Mütter voneinander und von ihren Kindern getrennt werden sollten, war weiterhin angesagt. Die Erwachsenen wurden daktyloskopiert und die internationalen Fahndungslisten wurden nach ihren Ausschreibungen abgesucht. Das Schweizer Zentralpolizeibüro versuchte – mittels Polizeifunk – beim Bundeskriminalamt weitere Informationen zu erlangen und erhielt sie auch. Ein von Dickopf persönlich unterzeichnetes sechsseitiges Schreiben aus Wiesbaden vom 14. August 1959 an das Schweizer Zentralpolizeibüro listete zu vier als „Landfahrer“ bezeichneten Personen insgesamt 47 Daktyloskopierungen, Ausschreibungen und Strafverfahren auf, hielt aber zu allen vier fest: „Die Person steht nicht fest“, oder: „Personenfeststellungsverfahren ist negativ verlaufen“xxiv.
Am 4. September 1959 reagierte Dickopf auf ein Fernschreiben des Schweizerischen Zentralpolizeibüros vom 27. August 1959 betreffend eine Frau aus derselben „Landfahrergruppe“ mit den Angaben, die in Wiesbaden zu ihr respektive zu weiblichen Personen ähnlichen Namens und Alters vorhanden waren. Darüber hinaus erkundigte sich Dickopf noch nach den Personalien von deren minderjährigen Kindern.xxv Der Chef des Schweizerischen Zentralpolizeibüros, Carrel, antwortete Dickopf am 12. September 1959:
„Leider konnte nicht abgeklärt werden, ob Identitätsgleichheit besteht“, denn die von Dickopf Anvisierten seien „zurzeit unbekannten Aufenthalts“.xxvi
Das waren weder die letzten „Zigeuner“, die an der Schweizer Grenze abgewiesen wurden, noch die letzten spezifischen Registrierungen von Mitgliedern dieser Gruppen. Über einen 1969 zu Unrecht diverser Verbrechen verdächtigten Roma forderten und erhielten Schweizer Polizeistellen Akten von Interpol. Polizeiliche Register von Roma-„Sippschaften“ und auch spezifische Photoregister von Schweizer Jenischen wurden bis zu den Umbrüchen im Gefolge der Fichenaffäre 1990/91 geführt AENDERUNG und anschliessend unter Umgehung der Aktenaufbewahrungspflicht illegal entsorgt.
Unausgeleuchtete Schatten auch in der Schweizer Wissenschaftsgeschichte
Die Polizeigeschichte ist nur eine der gruseligen Dunkelkammern schweizerischen Erinnerungsvermögens bezüglich ihres Umgangs mit Roma, Sinti und Jenischen. Eine ebenso beschämende und mit Figuren aus dem Nazireich wie Robert Ritter und Friedrich Stumpfl verbundene langjährige Kontinuität, die bis in die neueste Zeit andauert, ist die Stereotypisierung und Diffamierung von Fahrenden durch Psychiater, Juristen und Volkskundler in der Schweiz. Konnte die polizeiliche Verfolgungslinie hier wenigstens in den Grundzügen, wenn auch keineswegs in der ganzen der Unabhängigen Expertenkommission vorgelegten Breite und Gründlichkeit, dargestellt werden, so fehlt hier wie andernorts vorerst der Raum für die selbstkritische Aufarbeitung und Darstellung dieses düsteren und muffigen Kapitels der Schweizer Wissenschaftsgeschichte.
Vielleicht müsste, angesichts der beschränkten Finanzen und der restriktiven Publikationspraxis hiesiger staatlicher und wissenschaftlicher Instanzen, ein ausländischer und/oder privater Verlag das Thema und die gemachten Forschungen dazu der Öffentlichkeit zugänglich machen, oder es findet sich eine Stiftung, welches die gründliche Ausleuchtung dieses minderheitspolitisch nicht unwichtigen, aber von starken Widerständen umzingelten Bereichs durch einen Publikationsbeitrag ermöglicht. Oder aber die Thematik kann weiter vor sich hin muffen, und kritische Forschende werden betreffend Forschungsgelder, Anstellungen und Publikationsmöglichkeiten weiterhin an kurzer Leine gehalten.
i Schlussbericht der Polizeiabteilung, 25.10.1912, Bundesarchiv E 21, 20606.
ii Vgl. u.a. Fenton Bresler, Interpol. Der Kampf gegen das internationale Verbrechen von den Anfängen bis heute, München 1993; Laurent Greilsamer, Interpol, Le siège du soupçon, Paris 1986.
iii Bresler 1993, S. 84.
iv Das Reichssicherheitshauptamt liess zu Spionagezwecken ein Bordell einrichten, den Salon Kitty. Der Befehl dazu kam von Heydrich, die Prostituierten beschaffte Nebe „aus den Grossstädten Europas“, Spionagechef Schellenberg besorgte die Räumlichkeiten.
v Die Bezahlung der Mitgliederbeiträge aller Länder in Schweizer Franken war an der IKPK-Tagung von 1935 in Kopenhagen beschlossen worden, unter Zugrundelegung des damaligen Kurses von 1 SFR = 0,29032 g Feingold, der unverändert auch noch 1942 galt. In einer Notiz von Scheim an Rothmund vom 9.11.1943 heisst es: „Die in der IKPK vertretenen Länder haben an die Kommission jährlich Beiträge geleistet und zwar 100 Franken pro Million Einwohner. Unser Beitrag betrug daher jährlich 400 Franken. Seit einigen Jahren ist der Beitrag von der Finanzverwaltung im Zuge von Einsparungsmassnahmen auf 312 Fr. herabgesetzt worden. Dieser Beitrag ist bis jetzt immer bezahlt worden“ (Bundesarchiv E 4260 (C) 1974 / 34, 39).
vi Bresler 1993, S. 95 f., zitiert 3 Schweizer Ausschreibungen aus den Jahrgängen 1943 und 1944 der „Internationalen Kriminalpolizei“. Eine Ausschreibung aus dem Kanton Waadt findet sich in Nr. 5/1941, und in Nr.12/1942 fahndete die IKPK zusammen mit dem Schweizer Polizeianzeiger nach dem Zürcher Dieb einer Briefmarkensammlung.
vii AENDERUNG Vgl. Müllers Bericht über die Wiederbelebung der IKPK in Brüssel 1946.
viii AENDERUNG Oskar Dressler, Die internationale Kriminalpolizeiliche Kommission und ihr Werk. Herausgegeben für den Dienstgebrauch, Berlin-Wannsee 1942, S. 28.
ix Vgl. den von Dickopf am 10.8.1944 in Bern verfassten Lebenslauf, maschinengeschriebene Abschrift, S. 16, Bundesarchiv E 27, 10755. Zu Dickopf vgl. Armand Mergen, Die BKA-Story, München 1987; Greilsamer 1986; Bresler 1993.
x Zu Genoud vgl. Karl Laske, Ein Leben zwischen Hitler und Carlos: François Genoud, Zürich 1996; Pierre Péan, L'extrémiste, François Genoud, De Hitler à Carlos, Paris 1996.
xi Lebenslauf Dickopf, S. 14, Bundesarchiv E 27, 10755.
xii Dickopf wurde nicht, wie andere Flüchtlinge, in einem Arbeitslager interniert. Vgl. den Brief von Hauptmann Zimmerlin an den Armeeauditor vom 10.8.44: „Er konnte sich unter Meldezwang in Lausanne aufhalten.“
xiii Vgl. Bundesarchiv E 4264 (-) 1985 / 196, 1094, Dossier N 12673. Erst Péan bekam, auf ein Schreiben Genouds an das Bundesarchiv vom 2.7.95 hin, Einblick in Teile des Dossiers N 12673. Dem israelischen Forscher Barram war dies 1975 noch nicht bewilligt worden.
xiv Mit Bezug auf das Jahr 1942 schreibt Dickopf über sein Leben als Besatzer in Belgien und Frankreich: „Diese Zeit benutzte ich dann, um für eigene Rechnung und auch gemeinsam mit Genoud Aktien- und Devisengeschäfte sowohl in Brüssel als auch in Paris durchzuführen.“ Sein „persönliches Vermögen“ habe sich auf „200 000 RM“, „z.T. in Gold“ belaufen. Lebenslauf, maschinengeschriebene Fassung, Bundesarchiv E 27, 10755, S. 13.
xv Peter Ferdinand Koch, Geheim-Depot Schweiz, Wie Banken am Holocaust verdienen, München 1997, S. 173.
xvi „Copie“, S. II, Bundesarchiv E 27, 10755.
xvii Vgl. zu Dickopfs Verbindung mit AENDERUNG Dulles Mergen 1987, S. 102 f. Eine Kopie des Briefs von Paul G. Blum vom 19.9.45, der Dickopfs Arbeit für die USA schildert und ihn den andern Alliierten empfiehlt, liegt in Bundesarchiv E 4264 (-) 1985 / 196, 1094. Für den schweizerischen Nachrichtendienst ging Dickopf am 11.11.1943 zusammen mit Genoud schwarz über die französische Grenze, um zuhanden seines schweizerischen Führungsoffiziers Olivet einen Bericht zu AENDERUNG liefern. Lebenslauf Dickopf, maschinengeschriebene Fassung, S. 18, Bundesarchiv E 27, 10755.
xviii Laut Mergen 1987, S. 86, hat Dickopf auch nach seiner Verhaftung und Freilassung noch mit Fritz Albert von der deutschen Abwehr zusammengearbeitet und war somit Dreifachagent. Vgl. auch Mergen 1987, S. 120, wo er die unbeantworteten Fragen Hagemanns an Dickopf betreffend dessen Zeit in der Schweiz zitiert, insbesondere die Frage, ob er dort noch Geld von der Abwehr bekommen habe und weshalb er nicht mit antifaschistischen deutschen Exilkreisen in der Schweiz Kontakt aufgenommen habe.
xix Lebenslauf, maschinengeschriebene Fassung, S. 2, Bundesarchiv E 27, 10755.
xx Wolfgang Wippermann, Das Leben in Frankfurt zur NS-Zeit, II, Die nationalsozialistische Zigeunerverfolgung. Darstellung, Dokumente und didaktische Hinweise, Frankfurt 1986, S. 26f.
xxi Überblick über Aufbau und Aufgaben der Kriminalpolizei, S. 4. Generallandesarchiv Karlsruhe, Bestand 465 d, 1438.
xxii Bundesarchiv E 4326 (A) 1991 / 186, 2 sowie Bundesarchiv E 4264 (-) 1988 / 2, 1535.
xxiii Bundesarchiv E 4264 (-) 1988 / 2, 1535.
xxiv Bundesarchiv E 4326 (A) 1991 / 186, 2.
xxv Bundesarchiv E 4326 (A) 1991 / 186, 2.
xxvi Bundesarchiv E 4326 (A) 1991 / 186, 2.