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Bemerkungen zu Begrifflichkeiten von Verantwortlichen für Armen- und Zwangsarbeitsanstalten in Bern sowie zu von „sozialbiologischen“ Ideologemen geprägten Forschungen von Zurukzoglu, Hanhart, Buda und anderen Universtätsgelehrten betreffend „Entartungszeichen“ an Internierten in Berner und Zürcher Anstalten zwischen 1937 und 1946


Von Thomas Huonker, Zürich


Negativ gefärbte Aussagen über Bewohner von Armen- und Zwangsarbeitsanstalten gibt es viele. Als Beispiel sei hier auf eine Publikation von 1946 über die grosse bernische Armenanstalt Bärau im Emmental verwiesen, die, mit einem Vorwort des damaligen bernischen Armendirektors Georges Moeckli 1 versehen, im ersten Artikel von Armeninspektor Kiener die Geschichte der unter dem bernischen Armengesetz von 1857 errichteten Bezirks- und Gemeindearmenanstalten umreisst.2 Deren Einrichtungen seien so gewählt worden, „wie sie der bescheidene Bürger und wahrscheinlich auch ein Teil des Mittelstandes damals für sich selbst nicht anders hatte. Ohne Bedenken wurden die Armen in grossen Schlafsälen in Betten mit Strohsäcken untergebracht“.3 Erst später seien die Unterkünfte in kleinere Räume aufgeteilt und komfortabler geworden. 1946 dürfe gesagt werden, „dass die meisten dieser Leute in ihrem Leben kaum je so saubere Schlaf- und Wohnräume, so gute Betten und regelmässig eine reichliche und gut zubereitete Mahlzeit erhielten, wie sie ihnen in der Anstalt zukommen.“ 4 Kiener betonte: „Die Unterbringung der Unterstützten in einer Armenanstalt ist keine Strafe, sondern eine Form der Hilfe. Grundsätzlich sind deshalb die Anstalten offen. Ihre Insassen können frei mit der Aussenwelt verkehren, sie können dieselbe im Rahmen einer notwendige Anstaltsordnung auch verlassen, Spaziergänge unternehmen, Besuche machen und empfangen.“ 5 Die Arbeit, zu der die Insassen angehalten werden, diene deren Wohlbefinden: „Immer wieder kann man die Erfahrung machen, dass die geregelte Beschäftigung und eine den Kräften angemessene Arbeit die Leute am ehesten zufrieden hält.“ 6 Im Hinblick auf die Einführung der AHV 1947 empfahl der Armeninspektor, den Armenanstalten inskünftig mehr den Charakter von Alters- und Invalidenheimen zu geben.

In einem längeren Beitrag äusserte sich der damalige Verwalter der Bärau, Fritz Wüthrich, zu Betrieb und Insassen „seiner“ Anstalt.7 Er sah seine Ausführungen auch als Richtigstellung gegenüber den Klagen mancher Insassen über ihr Anstaltsleben. „In der Fürsorge Tätige wissen zu erzählen aus Briefen von Anstaltsversorgten, aus Briefen mit Klagen über schlechte Behandlung, über schlechtes Essen, über Gewaltmassnahmen von Angestellten oder Verwaltersleuten. In solchen Briefen stand vielleicht, wie die Pfleglinge schwer arbeiten und ‚krampfen’ müssen, wie man als Pflegling angebrüllt wird, wie man als Nummer behandelt ist (...). Den stereotypen Ausdruck, die Suppe gleiche einer Säutränki, kennen wir Anstaltsleute besonders gut.“ Es spricht für Wüthrich, dass er im Folgenden solche Klagen nicht einfach unter den Tisch wischt. „Die bernischen Armenanstalten verpflegen Bestände zwischen 350 und 500 Essern. (...) Einmal hört bei dieser Massenfütterung das Plättlen und Spezialisieren selbstverständlich auf. Dann sei darauf hingewiesen, dass gewisse Gemüsearten aus so grossen Töpfen vielleicht nicht ganz so schmackhaft ausfallen wie aus dem kleinen Kochgeschirr, wie es die Familie braucht. (...) Die zum Teil praktizierte Ausnützung der billigen [elektrischen] Nachtenergie ist nicht ohne Gefahren, weil Speisen, die lange im Topf bleiben, den sogenannten Metallgout annehmen können.“ 8

Wüthrich unterschätzt auch nicht die Wichtigkeit des Essens im Leben der Insassen. Nachdem er sich aber oben gegen die Gleichsetzung der Armensuppe mit „Säutränki“ verwahrte, formuliert er selber das Essverhalten eines Teils der Bewohner als „tierhaft“: „Das Essen ist Inhalt ihres Daseins und geht über alles. Dass es unter den Pfleglingen ausgesprochene Vielesser gibt, weiss jeder, der irgendwie fürsorgerisch tätig ist. Es sind namentlich die jungen Schwachsinnigen und Taubstummen, die das Doppelte und oft mehrfache einer Normalration zu sich nehmen. Wenn man ihr Essen näher studiert, macht man die fatale Feststellung, dass sie vielfach nicht kauen, sondern das Essen hinunterschlingen in tierhaft primitiver Art.“ 9 Folgende Bezeichnungen stellt Wüthrich für die damaligen Bewohner der Bärau zusammen: „Wer wird nun also versorgt? Es sind Alte und Gebrechliche, es sind Unfähige, es sind körperlich und geistig Behinderte, Taubstumme, Schwachsinnige, Idioten, Kretinen, Unreinliche, Ungeordnete, Bösartige, die Streit und Händel suchen, Unbotmässige, Undisziplinierte, unheilbare Alkoholiker, notorische Faulenzer, Vagabunden, Charakterdefekte“. 10 Der Beitrag Wüthrichs sah sich auch als Gegengewicht zu der Kritik am Anstaltswesen, die schon seit langem insbesondere der selber als Anstaltszögling aufgewachsenen Carl Albert Loosli vorbrachte und die in der Zeit um 1944 durch verschiedene Artikel in der Zeitung „Die Nation“ von Peter Surava erneuert und intensiviert worden war.11 Der Verwalter der Bärau schreibt: „Einzelnen Hetzern und Wühlern gelingt es aber immer wieder, andere, Gutgesinnte aufzustiefeln und sie gegen die Anstaltsleitung und gegen die bestehende Ordnung der Dinge aufzuwiegeln. Die Hetzer und Wühler sind in der Regel solche, die ihr Leben schlecht gelebt haben, solche, die auch bei ihren Angehörigen unmöglich geworden sind, Leute, die mit der ganzen Welt, aber in der Regel auch mit sich selber unzufrieden sind. Darüber besteht kein Zweifel: Das Dasein des Anstaltspfleglings ist ein bescheidenes, es muss ein einfaches sein. Aber ebenso sicher ist, dass das, was mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, getan werden kann, auch wirklich getan wird.“ 12 Sie wenigstens so gut zu behandeln, wie es die „bestehende Ordnung der Dinge“ erlaubte, sah Wüthrich als christliche Verpflichtung: „Dominieren soll der Geist werktätigen, praktischen Christentums, die Hochachtung vor dem Menschen, vor dem Heiligtum, das in jedem Menschen ist, auch im ärmsten, jenem Heiligtum, das Gott angehört.“ 13

Ein wichtiger Wortführer jener Männer in der Schweiz, welche die angebliche „Minderwertigkeit“ unangepasster, kranker und arbeitsunfähiger Mitmenschen als „erblich“ definierten und durch „eugenische“ und „rassenhygienische“ Zwangsmassnahmen wie Internierung, Zwangssterilisierung und Kastration einen „Volkskörper“ aus möglichst „Höherwertigen“ und ohne „Minderwertige“ heranzüchten wollten,14 war der aus der aus der Türkei stammende Grieche Stavros Zurukzoglu (1896-1966), Berner Bürger seit 1932. Schon die Titel seiner Werke bezeugen, dass sich der Dozent und Honorarprofessor an der Universität Bern vor allem für die griechische Kultur, gegen den Alkoholismus sowie zu Themenkreisen wie „Rassenhygiene“ bzw. „Erbhygiene“, „Entartung“ und „Verhütung erbkranken Nachwuchses“ äusserte, wobei er Internierung, Sterilisierung und Kastration „Minderwertiger“ befürwortete.15

Zurukzoglu verfasste zusammen mit Walter von Gunten im gleichen Bändchen über die Anstalt Bärau den Hauptartikel „Die Ursachen der Armut – Sozialbiologische Untersuchungen an der Verpflegungsanstalt Bärau“. Oberstes Ziel der Untersuchung war „das systematische Studium der Armut, mit dem Zwecke, diese soweit wie möglich zu bekämpfen“, und zwar unter der Maxime: „Erst dann kann die Praxis der Armenfürsorge als richtig angesehen werden, wenn sie die Staatsfinanzen nicht mehr übermässig belastet.“ 16

Anhand von Statistiken, Fotos von Anstaltsbewohnern sowie einzelnen Fallgeschichten legten Zurukzoglu und von Gunten deren „Sozialbiologie“ dar. Hier einige Auszüge aus Fallgeschichten:

H. G., m., geb. 1897. sechstes Kind von Nr. 1 und Nr. 2, war ein Idiot. Er ist 1942 in der Verpflegungsanstalt B. nach einem Anstaltsaufenthalt von 16 Jahren gestorben. Die Armenbehörde gab für seinen Unterhalt von 1899 bis 1942 im ganzen Fr. 13'717 aus.“

Z. L., w. geb. 1902, verheiratet mit Z.F., Bahnarbeiter von W., vernachlässigte ihren Haushalt und die Kinder. Alle Ermahnungen der Armenbehörde, welche die Frau unterstützte, nützten nichts. Von den sechs Kindern befanden sich 1942 drei an Pflegeplätzen. Die drei andern kamen meist schmutzig, zu spät und verwahrlost in die Schule. (...) Die Schlafstube der Knaben sah aus wie ein Schweinestall. (...) So mussten auch die drei übrigen Kindern in Pflegeplätzen untergebracht werden. Die Frau wurde zur Nacherziehung in die Verpflegungsanstalt B. eingewiesen, wo sie nun seit einem Jahr weilt. Während dieser Zeit wurde sie sterilisiert, um der Gefahr einer neuen Schwängerung vorzubeugen.“ 17 Das in all seinen Schriften propagierte Rezept Zurukzoglus, die Existenz solcher Menschen vorbeugend mittels „Eugenik“ zu verhindern, schimmert deutlich durch diese Schilderungen hindurch.

Auch Zürcher Verwahrte wurden solchen Untersuchungen und Einschätzungen unterzogen. Hier forschte ein Schüler Ernst Hanharts, eines weiteren Exponenten der schweizerischen Rassenhygiene, Dozent an der Universität Zürich und Mitarbeiter bei gesundheitspolitischen Grosspublikationen des Nazireichs,18 G. Edward Buda, der unter der Anleitung Hanharts 1937

seine Dissertation verfasste: „Über das Vorhandensein bzw. Fehlen von sog. Entartungszeichen bei 72 Verwahrungsgefangenen (Haltlosen Psychopathen, Debilen und Psychotikern)“. Buda war sich des Umfelds seiner „Entartungsforschung“ durchaus bewusst: „Die unbestreitbare Problematik des leider vielerorts zum Schlagwort gewordenen Begriffs „Entartung“ darf uns nicht davon abhalten, die im Vergleich zur Exterieurkunde der Tierärzte und Züchter noch stark vernachlässigte Somatologie des Menschen im Allgemeinen und vor allem der konstitutionell minderwertigen und der im ‚Borderland’, d.h. im Grenzgebiete zwischen gesund und krank befindlichen Individuen besser auszubauen.“ 19 Seit der Physiognomielehre, wie sie auch der Zürcher Pfarrer Johann Caspar Lavater (1741-1801) vertreten hatte, versuchten verschiedene Theoretiker immer wieder, vom Äusseren eines Menschen auf dessen Inneres zu schliessen, so neben dem rassistischen Kriminologen Cesare Lombroso 20 auch der Psychiater Paul Naecke 21 und sein russischer Kollege G. D. Aronowitsch,22 an denen sich der „Entartungs“-Forscher Buda orientierte. „Dank dem freundlichen und verständnisvollen Entgegenkommen der Hohen Regierung des Kantons Zürich sowie der Direktion der Kantonalen Strafanstalt Regensdorf“, also von Regierungsrat Karl Hafner (1878-1947) und von Direktor Otto Heusser (1884-1949), konnte Buda 57 männliche Verwahrungsgefangene in Regensdorf einer „Inspektion“ unterziehen, wobei auch „die bekleideten Körperteile kurz berücksichtigt werden“ konnten. „Bei den 15 weiblichen verwahrten Insassen verbot sich leider jegliche Entkleidung aus Rücksicht auf den Straf-vollzug und die Möglichkeit falscher Auslegung unserer wissenschaftlichen Absichten.“ 23 Einer der Untersuchten war 1928 sterilisiert worden.24

Hier einige Beispiele in Budas Wortwahl, wobei auffällt, das Buda zwar die „erbliche Belastung“ in einigen Fällen als „nicht erwiesen“ einstuft, er aber bei „Vorhandensein von Entartungszeichen“ dennoch auf „ererbte oder zumindest angeborene konstitutionelle Schädigung“ schliesst.

S. F., geb. 17. 1. 1890, Handlanger aus der Zürcher Landschaft. Ledig. Erbliche Belastung: Nicht erwiesen. Vorleben: Immer wieder rückfälliger, verwahrloster Trinker, der aus den offenen Anstalten U. a.A, Ue. a.S., R. und K. a.A. wiederholt entwich und deshalb in R. verwahrt werden musste. 3 Vorstrafen. Psychiatrische Diagnose (Heilanstalt B.): Psychopathische Haltlosigkeit mit Alkoholismus und Verstimmungen, ohne Selbst- und Gemeingefährlichkeit. Körperlicher Befund (8. 11. 34): Habitus pyknisch-athletisch. Konfluierende Augenbauen (Synophris). Trinkerphysiognomie, starker Händetremor. Nebenbefund Tätowage.“ 25

Sp. R., geb. 6.8.1886, Handlanger aus der Zürcher Landschaft. Militärfrei wegen Plattfüssen. Ledig. Erbliche Belastung: Mutter schwere Trinkerin. Ein Bruder des Expl. ebenfalls Trinker. Vorleben: Zeichnete sich schon als Jüngling durch Roheit und Liederlichkeit aus, sodass er mit 19 Jahren in die Erziehungsanstalt R. versorgt werden musste. Konnte es nirgends lange aushalten, wechselte Beruf und Stellungen ausserordentlich häufig, trieb sich als Vagabund herum und kam schon sehr früh ins Trinken hinein. Bietet jetzt geistig und körperlich das Bild eines heruntergekommenen Trinkers. Wurde mit 42 Jahren zuerst in der Anstalt K. a. A., dann im Männerheim R. untergebracht, wo er aber immer wieder entwich, sodass er in die geschlossene Verwahrungsanstalt R. eingewiesen werden musste. Kann unter Aufsicht ein guter Arbeiter sein, wenn er will. 7 Vorstrafen, meist wegen Diebstahls. Psychiatrische Diagnose: Angeborener Schwachsinn leichteren Grades bei chronischem Alkoholismus mit Neigung zu explosiven Reaktionen im Trunk. Da völlige Einsichtslosigkeit – schlechte Prognose. Körperlicher Befund (8.11.34): Habitus leptosom-asthenisch. Stärker dysplastische Schädel- und Gesichtsbildung. Sehr plumpe Ohrmuscheln, angeborene Startrübung am rechten Auge, das blind ist und infolgedessen nach aussen schielt (Strabismus divergens). Äusserst plumpe Hände, besonders die Daumen. Beidseits Unterschenkelvarizen, namentlich rechts. Epikrise: 45jähriger, intellektuell debiler Alkoholiker und Vagant mit kriminellen Neigungen und ausgesprochener körperlicher Stigmatisierung.“ 26

G.A., 48jährig, geschiedene Kellnerin. 4 Kinder, wovon ihr zuerst 2 durch das Scheidungsurteil zugesprochen wurden. Nach 5 Jahren verlor sie wegen ihrer gewerbsmässigen Unzucht die elterliche Gewalt auch über diese beiden Kinder. Mit 47 Jahren bevormundet. Erbliche Belastung: Nicht erwiesen. Vorleben: Zog sich durch ihre Lebensweise 1 Jahr nach der Scheidung eine syphilitische Infektion zu und wurde 3 Monate lang in der Dermatologischen Klinik interniert. Vermochte sich dann eine Zeit lang mehr oder weniger einwandfrei durchzubringen, musste in den folgenden Jahren aber nach mehrmaliger Verwarnung wegen Gewerbsunzucht polizeilich mit Haft bestraft werden. Wurde dann 2 Jahre in der Korrektionsanstalt Kappel a. A. versorgt, jedoch ohne Erfolg. Kam ins Trinken hinein und konnte sich wegen ihrer Liederlichkeit, Gleichgültigkeit, Faulheit und Frechheit nirgends mehr halten. Wurde dann eine Zeit lang in der Korrektionsanstalt L. (Kt. St. G.) versorgt, beging aber nach ihrem Austritt ein Betrugs- und Diebstahlsdelikt, so dass sie zur Strafe von 3 Wochen Gefängnis verurteilt werden musste. Soziale Diagnose: Raubdirne und notorische Trinkerin, früher syphilitisch. Körperlicher Befund (8.11.34): Physiognomie unauffällig, ebenso der Körperbau, soweit das die Kleidung erkennen lässt. Merkwürdig sind einzig die überschlanken Finger. Epikrise: Psychopathisch haltlose Dirne und Trinkerin von einstweilen leichterer Kriminalität. Körperlich: Forme fruste von Arachnodaktylie.“

Galten Buda bei Sp. R. die „plumpen“ Daumen als „Entartungszeichen“, waren es bei G.A. „die überschlanken Finger“. Obwohl Buda auch „nervös Entartete ohne oder fast ohne eine körperliche Stigmatisierung“ zu diagnostizieren wusste, betonte er speziell, dass „einzelne oder gar gehäufte Sonderbildungen (...), die erfahrungsgemäss weit häufiger bei konstitutionell Minderwertigen (...) auftreten, (...) darauf hinweisen, dass es sich (...) um eine ererbte oder wenigstens angeborne konstitutionelle Schädigung handeln muss.“ 27


(Publiziert auf www.thata.ch im Februar 2008)



1 Zu Georges Moeckli (1889 – 1974), SP-Regierungsrat (1938 – 1954), National- und Ständerat (1934 – 1959) vgl. Carl Albert Loosli, Werke, Bd. 2: Administrativjustiz, Zürich 2007, S. 302 ff, S. 516

2 M. Kiener: Aufgabe und Entwicklung der Armenanstalten, in: Untersuchungen in der Verpflegungsanstalt Bärau, Bern 1946, S. 5-9

3 l.c. S. 6

4 Ebda.

5 l.c. S. 6f.

6 l.c. S. 7

7 Fritz Wüthrich: Das Leben in einer bernischen Armenanstalt, in: Untersuchungen in der Verpflegungsanstalt Bärau, Bern 1946, S. 10-27

8 l.c. S. 10 f.

9 l.c. S. 11

10 Wüthrich, Leben, S. 23

11 Vgl. Carl Albert Loosli: Anstaltsleben, Betrachtungen eines ehemaligen Anstaltszöglings, Bern 1924; Carl Albert Loosli: Ich schweige nicht! Erwiderungen an Freunde und Gegner auf ihre Äusserungen zu meinem ‚Anstaltsleben’, Bern 1925; Carl Albert Loosli: Administrativjustiz und Schweizerische Konzentrationslager, Bern 1939. Looslis Schriften zu dieser Thematik sind neu greifbar in: Carl Albert Loosli: Anstaltsleben. Werke Band 1, Zürich 2006. Vgl. zu Looslis Biografie Erwin Marti: Carl Albert Loosli 1877-1959, Zürich 1999ff. Zu den Artikeln in der „Nation“ vgl. Peter Hirsch: Er nannte sich Surava, Stäfa 1991; Erich Schmid (Hrsg.): Abschied von Surava, Eine Dokumentation, Zürich 2000.

12 Wüthrich, Leben, S. 26

13 ebda.

14 Zu Zurukzoglu und anderen Verfechtern der „Eugenik“ in der Schweiz vgl. Magdalena Schweizer: Die psychiatrische Eugenik in Deutschland und in der Schweiz zur Zeit des Nationalsozialismus, Bern 2002; Thomas Huonker:Anstaltseinweisungen, Kindswegnahmen, Eheverbote, Sterilisationen, Kastrationen – Fürsorge, Zwangsmassnahmen, „Eugenik“ und Psychiatrie in Zürich zwischen 1890 und 1970, Zürich 2002; Ders.; Diagnose.'moralisch defekt', Kastration, Sterilisation, Rassenhygiene im Dienst der Schweizer Sozialpolitik und Psychiatrie 1890-1970, Zürich 2003

15 Stavros Zurukzoglu: Biologische Probleme der Rassenhygiene und Kulturvölker, München 1925; Griechischer Frühling, Basel o. J. (Nachdruck von zwei Schriften Zurukzoglus aus den Jahren 1928 und 1928); Die Alkoholfrage in der Schweiz, 2 Bände, Basel 1934; Verhütung erbkranken Nachwuchses, Basel 1938; Wesen und Notwendigkeit der Gesundheitspflege, Zürich 1944; Die alkoholbedingte Kriminalität in der Schweizerischen Armee während des Aktivdienstes 1939-1945, Bern 1956; Ist Trunksucht eine Krankheit?, Bern 1963; Probleme der Erbhygiene, in: Fingerle, Anton (Hg.): Rassenfrage heute, München 1963, S. 71-80

16 Stavros Zurukzoglu / Walter von Gunten: Die Ursachen der Armut, Sozialbiologische Untersuchungen in der Verpflegungsanstalt Bärau, in: Untersuchungen in der Verpflegungsanstalt Bärau, Bern 1946, S. 28-88, S. 29

17 Zurukzoglu/Gunten, Ursachen, S. 86

18 Zu Ernst Hanhart vgl. Huonker, Diagnose, S. 119f.

19 G. Edwards Buda: Über das Vorhandensein bzw. Fehlen von sog. Entartungszeichen bei 72 Verwahrungsgefangenen (Haltlosen Psychopathen, Debilen und Psychotikern), med. Diss. Zürich 1937, S. 6

20 Vgl. Cesare Lombroso: L’uomo bianco e l’uomo di colore, Letture su l'origine e la varietà delle razze umane, Padova 1871; Ders.: Der Verbrecher in anthropologischer, ärztlicher und juristischer Beziehung, Hamburg 1889; Ders.: Genie und Irrsinn in ihren Beziehungen zum Gesetz, zur Kritik und zur Geschichte, Leipzig 1887; Ders./ G. Ferrero: Das Weib als Verbrecherin und Prostituierte, Anthropologische Studien, gegründet auf einer Darstellung der Biologie und Psychologie des normalen Weibes, Hamburg1894; Ders.: Genie und Entartung, Leipzig 1922. Zu Lombroso vgl. Peter Strasser:Verbrechermenschen. Zur kriminalwissenschaftlichen Erzeugung des Bösen, Frankfurt 2005

21 Vgl. Paul Naecke: Degeneration, Degenerationszeichen und Atavismus, in: Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik, Band 1, 1899, S. 200 ff.

22 G. D. Aronowitsch: Über ein Klassifikationssystem der physischen Degenerationszeichen und Versuch von dessen Anwendung, in: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, Bd. 92, 1924, S. 609 ff.

23 Buda, Vorhandensein, S. 13f.

24 l.c. S. 32

25 l.c. S. 19

26 l.c. S. 37

27 l.c. S. 50