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Le monde diplomatique

Die deutschsprachige Ausgabe der französischen
Monatszeitung für internationale Politik
Ausgabe
vom
12.11.1999

Jenische Mutter mit Kind, um 1930
Foto: Hans Staub

DAS SCHWEIZERISCHE HILFSWERK "KINDER DER LANDSTRASSE"

Jenische als Opfer der Sozialhygiene

Im Mai dieses Jahres beschloss das schwedische Parlament eine Entschädigung für alle Opfer von Zwangssterilisierungen, die im Zeitraum von 1934 bis 1975 erfolgt sind. Damals, in den zwanziger Jahren, machte in ganz Europa eine neue Wissenschaft von sich reden: die "Eugenik". Unter Beschwörung eines gesunden Volkskörpers entstand eine Sozialpolitik der Ausschließung und schließlichen Ausmerzung der gesellschaftlich Schwachen. In der Schweiz brachte 1926 das Hilfswerk "Kinder der Landstraße" den Krieg gegn die Fahrenden auf den Plan.

Von LAURENCE JOURDAN *

* Journalistin, Autorin der Fernsehreportage "Kinder der Landstraße", die auf arte/point du jour gezeigt wurde.

"Gleich nach der Geburt haben sie mich meiner Mutter weggenommen. (...) Die ersten sechs Monate meines Lebens verbrachte ich in einem Heim für geistig Zurückgebliebene, wo ich die ersten psychischen Misshandlungen eines jenischen Kindes erlebte (...). Als ich meinen Vormund, Doktor Siegfried, fragte, wer meine Eltern seien, sagte er mir (...), deine Mutter ist eine Hure, und dein Vater ein Asozialer. Zehn Jahre lang habe ich mit dieser Antwort gelebt. Bis ich verstand, was er mir eigentlich gesagt hatte: Meine Eltern seien Zigeuner."

Mariella Mehr lebt in Italien und ist eine Schriftstellerin aus dem Volk der Jenischen. Seit über fünfundzwanzig Jahren bannt sie die Erinnerung an diese fahrende Volksgruppe aus der Schweiz aufs Papier, die zwischen 1926 und 1972 im Rahmen der "Aktion Kinder der Landstraße" einer regelrechten Hetzjagd ausgesetzt war. Wie Hunderte von fahrenden Kindern wurde sie ihren Eltern gewaltsam entrissen, da man sie, wie schon ihre Mutter und später ihren Sohn, zum sesshaften Leben zwingen wollte.

Zweiundsiebzig Jahre nach Beginn der Aktion beseitigen die Ergebnisse einer historischen Studie auch die letzten Unklarheiten über deren Beurteilung: Bundesrätin Ruth Dreifuss (die schweizerische Innenministerin) bezeichnete das "Hilfswerk" im Juni 1998 öffentlich als "tragisches Beispiel der Diskriminierung und Verfolgung einer Minderheit, weil deren Lebensstil sich von dem der Mehrheit unterschied".

Das "Hilfswerk für die Kinder der Landstraße", das 1926 von der schweizerischen Wohltätigkeitsstiftung Pro Juventute gegründet wurde, entriss im Zeitraum eines halben Jahrhunderts über sechshundert jenische Kinder ihren Familien und verbrachte sie in Gastfamilien oder Waisenhäuser, wenn sie nicht gleich in Gefängnissen oder psychiatrischen Anstalten interniert wurden. Ziel war es, "Kinder vor Aussetzung und Landstreicherei zu bewahren", sprich: die Kinder der Fahrenden den Idealen der sesshaften Gesellschaft entsprechend umzuformen; Erniedrigungen, Misshandlungen und Rassismus waren die Folge. Mit regionalen Unterschieden allerdings: während die "Jenischen" in der Deutschschweiz und im Tessin verfolgt wurden, blieben sie in der französischen Schweiz weitgehend verschont.

Alfred Siegfried (1890-1972), der Gründer und Direktor des Hilfswerks, den die eingangs erwähnte Schriftstellerin als ihren "Vormund" betitelte, war diesen Kindern ein Alptraum. Unter aktiver Mithilfe der Polizei sowie der politischen Behörden der Kantone und der Gemeinden entwickelte er einen wütenden Rassismus gegenüber den Fahrenden, die er als "geistig minderbemittelt", "psychopathisch", "schwachsinnig" oder "debil" bezeichnete.

Nachdem die Wochenzeitschrift Der Schweizerische Beobachter 1972 den Skandal aufdeckte, war Pro Juventute im Jahr darauf gezwungen, das Hilfswerk aufzulösen. Im Jahre 1987 übernahm die Schweizerische Eidgenossenschaft offiziell die moralische und politische Verantwortung für die Aktion und stellte den Opfern zwischen 1988 und 1993 elf Millionen Schweizer Franken als symbolische Wiedergutmachung zur Verfügung. Erst im Jahr 1996 führten drei Historiker im Auftrag des Bundesrates eine Studie über jene Zeit durch, um die "Zielsetzungen, Strukturen, Finanzierung und Aktivitäten des Hilfswerks für die Kinder der Landstraße" zu erforschen und dabei die "Rolle der Eidgenossenschaft und der Stiftung Pro Juventute" zu ergründen.

Die Ergebnisse dieser Arbeit, die im Juni 1998 in Bern der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, sind niederschmetternd. Bereits in den zwanziger Jahren beschlossen die Bundesbehörden - im Bestreben, alle Formen der Randständigkeit entschieden zu bekämpfen -, jene Bürger zwangsweise zu unterwerfen, die den herrschenden Ordnungsidealen nicht entsprachen. Die Fahrenden wurden als "soziale Abweichler", "Faulenzer, verwahrloste und zum großen Teil degenerierte Leute" betrachtet und von der Kriminalanthropologie jener Zeit als "Vagabunden von Geburt an" gebrandmarkt.

Die Jenischen, deren Wanderschaft eng mit ihrer gewerblichen Tätigkeit zusammenhing, reisten im Familienverband. Sie gaben dem Unterricht ihrer Kinder im eigenen Handwerk den Vorrang vor dem regelmäßigen Schulbesuch. Die Gesellschaft war der Meinung: "Umherschweifen mündet im Verbrechen", und so gerieten Kultur und Lebensstil der Fahrenden ins Visier der Behörden: "Wer die Landfahrerei wirksam bekämpfen will, muss versuchen, die Gemeinschaft der Fahrenden zu sprengen. Auch wenn das hart klingen mag - er muss der familiären Gemeinschaft ein Ende setzen. Eine andere Lösung gibt es nicht", schrieb Dr. Alfred Siegfried und verwandelte das zu Wohlfahrtszwecken gegründete Hilfswerk Kinder der Landstraße in ein sozialpolitisches Instrument, um "die Gesellschaft von dem Übel zu befreien, das diese als minderwertig eingestuften Familien und Gruppen von Fahrenden darstellten", wie die Historiker 1998 resümierten.

Ab 1930 plante das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (Justizministerium) den Zugriff auf alle Kinder in einem Zeitraum von zehn Jahren. Die Aktion wurde aus Mitteln des Departements des Innern sowie der Kantone und Gemeinden finanziert. Den Verfassern der historischen Studie zufolge "machten die Subventionen des Bundes zwischen 7 und 25 Prozent des Gesamtbudgets des Hilfswerks aus". Sie erfolgten noch bis 1967, die übrigen Gelder stammten teils von Mäzenen und Vereinen, teils wurden sie von der Stiftung selbst erwirtschaftet: durch den Verkauf von Sondermarken und Propagandabroschüren.

Auf Initiative des Hilfswerks wurde das fahrende Volk zunächst statistisch erfasst. Alfred Siegfried nahm die Kinder in seine Vormundschaft - er hatte auf diese Weise über dreihundert Mündel -, nachdem er dafür gesorgt hatte, dass ihre Eltern unter obrigkeitliche Aufsicht gestellt wurden. Seiner Ansicht nach war der totale Bruch des Kindes mit der familiären Welt Voraussetzung für das Gelingen seiner erzieherischen Ziele. Und er schrieb: "Jedesmal, wenn aufgrund unserer Nachgiebigkeit oder durch ein unglückliches Zusammentreffen (sic) Kinder, die noch nicht angepasst oder charakterlich nicht gefestigt waren, mit ihren Eltern in Kontakt kamen, war unsere ganze Arbeit zunichte gemacht."

Dr.Siegfried mit jenischen Kindern.
(Foto Hans Staub, 1953)

Robert Huber, der seinen Eltern im Alter von acht Monaten weggenommen wurde, lernte seine Mutter erst als Zwanzigjähriger kennen. "Vor mir stand eine völlig fremde Frau. Und diese Frau, meine Mutter, sagte mir, ich hätte noch zehn weitere Geschwister. (...) Die Familie existierte nicht mehr. Keiner wusste vom Verbleib des anderen. (...) Die jenischen Männer mussten ihren Militärdienst ableisten, und in dieser Zeit nahm man ihnen ihre Kinder weg. Wenn sie zurückkamen, fanden sie ihre Frauen weinend vor. Und wenn sie ihre Kinder zurückforderten, drohten die Behörden ihnen mit der Einweisung in eine psychiatrische Klinik oder ins Gefängnis." Die Jenischen mussten zwar allen schweizerischen Bürgerpflichten nachkommen, doch viele Rechte wurden ihnen vorenthalten.

Vom Klerus wurde diese Politik weitgehend mitgetragen. Die Kinder, die vor allem durch die Verinnerlichung von Ordnungs- und Arbeitswerten gesellschaftsfähig werden sollten, erhielten nur eine rudimentäre Bildung. Die Jungen konnten bestenfalls eine Lehre machen, die Mädchen wurden in Hauswirtschaft unterrichtet. Täglich waren sie Misshandlungen, Rassismus und selbst sexuellem Missbrauch ausgesetzt, sei es bei Nonnen, auf Bauernhöfen (wo sie als billige Arbeitskräfte eingesetzt wurden) oder in Strafanstalten. Uschi Waser, die Vorsitzende des Vereins "Naschet Jenische" (Steht auf, Jenische) wurde innerhalb von achtzehn Jahren in dreiundzwanzig verschiedenen Einrichtungen untergebracht. Noch unter dem Eindruck der sie betreffenden Äußerungen in ihrer 3 500 Seiten starken Akte, erklärt sie: "Siegfried sagte, alle Zigeuner sind schlecht, sie lügen und stehlen. (...) Sie würden nicht zu Lügnern gemacht, sondern sie würden so geboren."

Auch viele schweizerische Wissenschaftler teilten diese Vorurteile und ließen sie in ihre Studien einfließen. Schamlos nutzten sie die Aktion Kinder der Landstraße, um ihre Thesen über die "erbliche Minderwertigkeit" der Fahrenden zu untermauern. Zwangssterilisationen wurden durchgeführt, wenn auch nicht systematisch: "Das Landfahrertum wird, wie auch bestimmte gefährliche Krankheiten, hauptsächlich von Frauen übertragen", notierte Siegfried im Tätigkeitsbericht des Hilfswerks für das Jahr 1964.

Mariella Mehr erinnert sich: "Als ich drei Jahre alt war, hat man bemerkt, dass ich nicht sprechen wollte. Man beschloss, mich dazu zu zwingen. Dazu benutzte man eine Art Badewanne. (...) Man legt den Patienten in die Wanne. Man bedeckt ihn mit einem Brett, damit er sich nicht befreien kann, nur der Kopf schaut heraus. Bis das Wasser eisig wird. So bleibt er siebzehn, achtzehn oder auch zwanzig Stunden lang liegen." Der Psychiater Joseph Jörger, der viele Jahre lang die Klinik Waldhaus in Chur leitete, wo zahlreiche Jenische interniert waren, war einer der ersten schweizerischen Ideologen der Rassenhygiene. Noch im Jahre 1988 lebten dem Bericht der Historiker zufolge etwa einhundert dieser Opfer der Wissenschaft in Kliniken oder anderen Instituten.

Seit 1987 befinden sich alle das Hilfswerk betreffenden Akten im Berner Bundesarchiv, wo sie, da sie formal den Kantonen gehören, hundert Jahre lang nicht eingesehen werden dürfen. Nur die Jenischen haben Zugang. Diese zeigten sich zunächst schockiert und verlangten aus der Befürchtung heraus, die Archive könnten ihnen eines Tages schaden, die Vernichtung der Akten. Doch in dem Maße, in dem sich der Schleier über ähnlich dunkle Kapitel der jüngeren Schweizer Geschichte lüftete, wurde ihnen klar, wie wichtig es ist, ihre Geschichte zu bewahren. Sie begriffen desweiteren, dass diese Politik ihrer Kultur das Fundament entzogen hatte, nämlich die Wanderschaft. Heute sind die Jenischen in der Schweiz, deren Zahl auf fünfunddreißigtausend geschätzt wird, mehrheitlich "Beton-Jenische", das heißt sesshaft. Lediglich fünftausend von ihnen sind noch auf den Schweizer Straßen unterwegs.

Die Aktion Kinder der Landstraße entstand im europäischen Kontext der Zwischenkriegszeit. Ein nationalistisches Fieber hatte Europa damals erfasst, und man war bestrebt, die gesellschaftliche Moral zu festigen und die je eigene Kultur zu bewahren. Ökonomen sorgten sich um die demographische Entwicklung; die Elite sah in der hohen Geburtenrate unter Arbeitern und Marginalisierten eine Gefahr. Um stark zu sein, sollte eine Nation sich nicht mit "Schwachen" belasten, mit "sozialen Abweichlern" und Fremden, die ihren wirtschaftlichen Aufschwung möglicherweise bremsen könnten. Eine auf Geburtensteuerung abzielende Eugenik schien die Lösung für dieses Problem der "Sozialhygiene".

Der Brite Francis Galton, der 1907 gemeinsam mit Karl Pearson das Galton Laboratory for National Eugenics ins Leben gerufen hatte, propagierte "die Gründung eugenischer Gesellschaften auf der ganzen Welt" und fand in der Tat bald Bundesgenossen. Die Vorstellung, die Menschheit durch Steuerung der Gebärfähigkeit rein zu halten, verbreitete sich rasch. Zahlreiche schweizerische Wissenschaftler, die mit der Bekämpfung der Fahrenden beauftragt waren, standen unter dem Einfluss eugenischen wie nationalsozialistischen Gedankenguts und trugen maßgeblich zur Einführung einer Politik bei, die während des Zweiten Weltkrieges zur Ausrottung von mindestens 500 000 Zigeunern durch die Nazis führte: "Damals gab es eine enge Zusammenarbeit unter den Forschern. Schweizerische Psychiater spielten bei der Ausarbeitung der Gesetze des Dritten Reichs eine Rolle", bestätigt der Historiker Walter Leimgruber, einer der Autoren der Studie. Das erste Gesetz über die Sterilisierung geistig Behinderter wurde 1928 im Kanton Waadt verabschiedet.

Auch Ernst Rüdin (1874-1952), Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel und Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene (1905), deren Vorsitz er 1933 übernahm, war ein deutsch-schweizerischer Psychiater. Er empfahl die Internierung von Alkoholikern und geistig Behinderten und trat schließlich in die NSDAP ein. Er gehörte zu den drei Verfassern des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, das im Juli 1933 in Deutschland verabschiedet wurde - ein Gesetz, das bei angeborener Geisteskrankheit, manischer Depression, Schizophrenie, Epilepsie, erblicher Taub- und Blindheit sowie bei starkem Alkoholismus etc. die Zwangssterilisierung vorschrieb und aufgrund dessen ca. 400 000 Personen verstümmelt wurden, bis 1939 mit der "Aktion T4"

die Ermordung der Geisteskranken und anderer "Minderwertiger" beschlossen wurde.

In Frankreich erarbeitete der Chirurg und Biologe Alexis Carrel, der 1912 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet worden war, ein Programm für "erbliche biologische Aristokratie durch Eugenik". Der Autor von "Der Mensch, das unbekannte Wesen" schrieb: "Damit eine Elite fortbesteht, ist Eugenik unumgänglich. Es versteht sich von selbst, dass eine Rasse sich über ihre besten Elemente fortpflanzen muss."

Mehrere europäische Länder verabschiedeten in den dreißiger Jahren Eugenik-Gesetze. Norwegen und Schweden stimmten bereits 1934 für ein Gesetz über Zwangssterilisierung, 1935 folgten Dänemark und Finnland. Auch Eltern, die als unfähig erachtet wurden, ihre Kinder ordnungsgemäß zu erziehen, konnten in den skandinavischen Ländern zwangssterilisiert werden. In Norwegen waren es vierzigtausend Menschen, in Dänemark sechstausend.

Schweden hat diese Politik sogar bis 1976 durchgeführt. Nachdem im Jahr 1921 das staatliche Institut für Rassenbiologie ins Leben gerufen worden war, fielen dem Sozial- und Rassenhygieneprogramm, das erst 1976 eingestellt wurde, insgesamt etwa 63 000 Personen zum Opfer.

90 Prozent der Sterilisationsopfer waren Frauen; infolge ärztlicher Entscheidungen waren auch Jugendliche darunter.

Die im September 1997 ins Leben gerufene Enquête-Kommission der Regierung schlug im März 1998 vor, Gelder in Höhe von 175 000 Kronen (20 260 Euro) für die Entschädigung der Opfer bereitzustellen. Dieser Gesetzentwurf wurde am 19. Mai 1999 vom Parlament verabschiedet. Die Zahl der Betroffenen, die noch am Leben sind, wird auf sechs- bis fünfzehntausend geschätzt. Sie werden allerdings nachweisen müssen, dass sie aufgrund von "psychischen Störungen", "Epilepsie" oder "anderen geistigen Mängeln" gegen ihren Willen sterilisiert worden sind. Zwei Hürden werden diese Menschen hierzu nehmen müssen: Die erste besteht darin, das Gefühl der Scham und Erniedrigung zu überwinden, das sie bisher zum Schweigen verurteilte, die zweite ist dann die Überprüfung selber, der sie sich werden aussetzen müssen.

dt. Miriam Lang

(1) Walter Leimgruber, Thomas Meier, Roger Sablonier, "Das Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse. Historische Studie aufgrund der Akten der Stiftung Pro Juventute", Bern (Schweizerisches Bundesarchiv) 1998.
(2) Sylvia Thodé-Studer, "Les Tsiganes suisses, la marche vers la reconnaissance", Lausanne (Réalités sociales) 1987.
Siehe auch Thomas Huonker (Hg.), "Fahrendes Volk - verfolgt und verfemt. Jenische Lebensläufe", Zürich (Limmat) 1987.
(3) Alfred Siegfried, "Kinder der Landstrasse". Zürich (Pro-Juventute) 1964.
(4) Siehe Jacques Testard, "Le désir du gène", Paris (Flammarion) 1994, S. 38.
(5) Siehe hierzu auch Götz Aly, " Aktion T4", Berlin 1989.
(6 )"Alexis Carrel, cet inconnu", Lyon (Ed. Golias) 1996.
(7) Stephen Bates, "Sweden pays for grim past", The Guardian, London, 6. März 1999.