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Romed Mungenast gestorben
Am 27. Februar 2006 ist Prof. Dr. h.c. Romed Mungenast nach langer Krankheit gestorben.
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Die Jenischen Oesterreichs trauern
Die Jenischen Oesterreichs, aber auch die Jenischen anderer Länder wissen, was sie ihm zu verdanken haben und wie uneigennützig und unermüdlich er sich dem Anliegen des Respekts für die jenische Sprache, Kultur und Geschichte widmete. Wir trauern um einen lieben, grossherzigen und weitsichtigen Menschen, dessen Solidarität mit den Entrechteten auch weit über den eigenen Kreis hinausreichte. Sein Werk und sein Wirken werden nicht vergessen werden. |
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Titel Professor
Dem jenischen Schriftsteller, Forscher und Aktivisten Romed Mungenast wurde am 1. Juni 2004 vom österreichischen Bundespräsidenten der Titel Professor verliehen. Die Republik Österreich anerkannte damit das langjährige pionierhafte und fruchtbare Wirken von Romed Mungenast für die jenische Volksgruppe und für die Anerkennung ihrer Kultur.
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Gewerkschafter und Eisenbahnarbeiter
Der in einer bitter armen jenischen Familie aufgewachsene Gewerkschafter und Eisenbahnarbeiter hat nicht nur Bücher geschrieben und herausgegeben, sondern auch ein umfassendes Archiv zur Lage der Jenischen (und anderer lange ausgegrenzter Gruppen) zusammengetragen, das im Schloss Landeck der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Er hat unzählige unvergessliche Vorträge und Lesungen gehalten und viele Forschende, SchülerInnen und JournalistInnen beraten. So manchen verhalf er damit zu wichtigen Informationen und besserem Verständnis.
Die Dachorganisation der Schweizer Jenischen, die Radgenossenschaft der Landstrasse, hat Romed Mungenast im Juni 2004 zum Ehrenmitglied ernannt.
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Grabrede Lieber Romed!
Normalerweise sollte ein Grabredner bei seiner Rede anwesend sein. Diese Rede verliest aber mein lieber Freund Roman. Du, lieber Romed, kennst den Grund meiner Abwesenheit und manche unter den Trauernden auch. Obwohl Du darum weißt sage ich es kurz den Trauernden: Ich bin während Deines Begräbnisses in Mexiko, weil ich hier vor einigen Tagen meine Frau zu Grabe getragen hab.
Wäre ich jetzt in Innsbruck würde ich mich vielleicht in die Details vertiefen, geboren am …, von bis da und dort…, Bücher so und so, Ausstellungen, Lesungen … da und dort etc..
Als mich die Einladung, Dir die Grabrede zu halten, von Deinem Freund, dem ehemaligen Nationalrats- und Landtagsabgeordneten Walter Guggenberger erreichte, dachte ich: Ich bin nicht in Innsbruck, muss daher absagen. Aber dann dachte ich mir: Nein, das tu ich nicht. Und so kommt es zu dieser Grabrede, bei welcher der Redner nicht dabei sein kann. Etwas ungewöhnlich. Aber, was ist schon gewöhnlich in Deinem Leben! Und so begleitet Dich Ungewöhnliches bis hierher.
Da ich diese Zeilen nächtens mühselig schreibe, weil die Tastatur spanisch ist, dämmert bei Euch schon ein neuer Tag heran.
Die Nacht und der Tag: Beides kennst Du, lieber Romed, in allen Schattierungen. Kennst Du, nicht kanntest Du. Das ist ja die Gretchenfrage bei jedem Begräbnis. Die Vergangenheitsform ließe den Verdacht aufkommen, dass es einen Zweifel an Deinem Weiterleben gibt. Nein, gegenwärtig bist Du und nicht vergangen. Präsent bist Du, was ja – nicht ohne Zufall – auch Geschenk heißt.
Deine Gegenwart ist Geschenk. Vor allem Deiner Frau, deren Situation ich mehr als gut verstehen kann. Denn Deine Gegenwart hat ja für unsere Augen tatsächlich eine radikale Veränderung erfahren und schließt die Trauer nicht aus, sondern ein.
Gerne werden sie zitiert, die berühmten "einfachen Verhältnisse", fast wie ein Zierat bei den Friedhofsreden. Bei Dir waren diese einfachen Verhältnisse, in die du in die Nachkriegsjahre hineingeboren wurdest, kein "fishing for compliments", sondern eine Lern- und Gehschule des Lebens, wie sie härter nicht hätte ausfallen können.
Dieses Dein Aufwachsen zeigt Ausgrenzung, zeigt "an den Rand gedrängt sein". Ziemlich deutlich erfährst Du, wer die "Mehreren" sind und wer die "Wenigeren". Du hast wohl einen guten Schutzengel trotz alledem. Da gibt es, neben traurigen Schulerfahrungen, dann doch auch eine Lehrperson, die Dich mag. Du bekommst Prügel und teilst auch solche aus.
Und warum diese harte Schule leben, sich einleben? Warum? Du gehörst, so meint es eine selbsternannte Mehrheit, zu einer Minderheit, zu den Jenischen. SIE sind Deine Heimat. Aber diese Heimat, die erkämpfst Du Dir Schritt für Schritt. Dich bei diesem Kämpfen um Dein Bestimmtsein, um Dein Geschicktsein, um Deine Unwiderruflichkeit, Dein So-und-eben-nicht-Anderssein zu beobachten und mehr als das – das macht Dich so lebenswert.
Die Suche nach Deinen Wurzeln lässt Dich nicht mehr los. Die Wurzel Deiner Herkunft wird zu Deiner Hinkunft. Hinkünftig widmest Du Dich mit allen Fasern – woraus eben Wurzeln bestehen – Deiner Heimat: Ein Jenischer zu sein. Dieses Suchen und Finden und wieder Suchen und wieder Finden und vielleicht einmal Verlieren und dann doch wieder Finden beschreitest Du in Worten, im Wortleib des Jenischen, das Du in unsere Sprache übersetzst. Eben übersetzen – von einem Ufer ans andere.
Dabei begehst Du gottlob nicht den Fehler, den so viele in einer solchen Situation machen, nämlich nur mehr sich und seinesgleichen wahrnehmen zu können.
Ganz im Gegenteil! Von vornherein erkennst Du, dass es noch andere an den Rand Gedrängte gibt: Flüchtlinge, Asylanten, politisch Verfolgte, religiös Verfolgte. Ganze Ordner füllen sich in Deinem kleinen Büro in der Bürgerstraße in Innsbruck. Du stiftest und trägst Solidarität. Ein Wort, das ja auch Deiner politischen Gesinnung entspricht, die sich, wenn das ein Arzt sagen würde, mit "Das Herz schlägt links der Mitte", umschreiben ließe. Ein großer Politiker der Nachkriegszeit sagte einmal: "Wir alle haben den gleichen Himmel, aber die Horizonte sind verschieden." Eben diese Horizonte wolltest Du Dir und anderen erweitern – kein leichtes Unterfangen! Verzeih übrigens, lieber Romed, dass das Zitat von keinem strammen Linken stammt, sondern von Konrad Adenauer. Aber auch hier sehe ich Dich wieder schmunzeln. Und Du wirst mir ja beistimmen: Nicht immer ist das bekömmlich, was aus dem eigenen Lager kommt und Du hast auch gelernt, Augen und Ohren zu öffnen, wenn das Richtige einmal von der anderen Seite kommt.
Dir ist es wie allen Pionieren nicht erspart geblieben, auch missverstanden worden zu sein. Und was besonders weh tut ist, dass das oft einmal aus den eigenen Reihen kommen kann. Wie eben bei einer Familie schmerzt das.
Deine Freude über den Professorentitel ist ungetrübt. Neider hat man automatisch. Alles, was das ist, was der Volksmund "menschelen" nennt, kennst Du eben auch.
Der Professor ist – wortwörtlich – der Bekenner.
So stehst Du da, als Bekennender. Als solcher hat Dich der Schöpfer ins Leben gerufen. Deine Bewährungsprobe auf diesem Lernort "Globus" hast Du wahrlich bestanden.
Dein Bekenntnis zu Dir, Dein Ringen darum, Dein Bestehen darin, versammelt uns heute um Dich.
Öfters sehe ich Dich am Bahnhof beim Verschub in Deinem sicherheitstechnisch grellen Overall. Waggons wollen richtig verbunden auf die richtigen Geleise gestellt sein. Nicht ungefährlich die Arbeit: Rechtzeitig zu- und abspringen. Das richtige Geleise und die rechte Verbindung herstellen, das ist dann auch deine pädagogische Tätigkeit. Und was spricht dagegen, dass Du sie fortsetzt, nicht zuletzt – die Fußstapfen sind halt ein bisschen groß – durch uns. Aber wir haben Dich ja weiter als Supervisor und Dein Horizont ist nun all-umfassend. Man sagt im Volksmund: Du bist heimgegangen. Wohin denn sonst? Hast Dir diese Deine Heimat hart genug erkämpft. Und jetzt soll sie weg sein, nur weil sich ein physikalischer Zustand ändert? "Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen!, sagt Christus. Du hast Wohnung gegeben Deiner Familie, Deinen Ideen, den Jenischen, Deinen Freunden. Nun bist Du zuhause.
Heimat und Wohnrecht erarbeitest Du, erkämpfst Du und immer tust Du es solidarisch mit anderen und für andere. Deinen reichen Heimatschatz schenkst Du uns – auch als Dein Archiv. Wir werden versuchen, diesen im Bezirksmuseum Schloss Landeck treu zu verwalten. Der Abschied von dem was Dir und uns allen irdisch ist, fällt schwer. Tapfer bist Du in diesen letzten Jahren. Die Kraft kommt Dir von der Sehnsucht. Igor Caruso sagte einmal in Anlehnung an einen Kirchenvater Kappadoziens: "Der Mensch muss zwar werden, aber das was er ist." So ist Dein Kämpfen (auch für Deine Gesundheit bei so schwerer Krankheit), Dein Suchen, Dein Sehnen, ist Dein Sehnsuchen eingeritzt bis in Deine letzten – irdischen – Lebenstage. Das Geritzte, Geschnitzte nennt sich im Griechischen "Charakter". Den durften wir kennen lernen, auch dort war Deine Seele so unmittelbar wie im Gedicht.
Gedichte sind das eigentlich Nahrhafte an der Sprache. So werden Deine Worte zu einem Laib Brot. In allen Liturgien aller Zeiten aller Völker sagt man nach dem Teilen des Brotes "Danke", die Liturgie nennt es "Danksagung".
Lieber Romed, ich schicke Dir nach Innsbruck einen mexikanischen Sonnenstrahl. Er gilt nicht nur Dir, er gilt auch Deiner lieben Familie und allen, die um Dich trauern.
Auf dass wir uns dann wiedersehen und dann gibt es was zu feiern!
Peter Stöger
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