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SCHWEIZ 13.03.2002
Ein düsteres Kapitel des Sozialwesens

Zürich: Psychiatrie mit Altlasten
Es ist ein düsteres Kapitel des Sozialwesens und der Psychiatrie in der Stadt Zürich: Sterilisationen und Einweisungen ohne Rechtsgrundlage, geschehen im Geist der Eugenik bis 1970. Das Sozialdepartement hat es aufarbeiten lassen. Im Bericht über «Fürsorge, Zwangsmassnahmen, Eugenik und Psychiatrie in Zürich zwischen 1890 und 1970» präsentierte gestern der Historiker Thomas Huonker über 1000 Fallgeschichten von Kindswegnahmen, Eheverboten und Sterilisationen, die unter die Haut gehen.

Was in Zürich geschah, wurde schon damals erfolglos kritisiert, gehörte aber in eine Zeit, in der Rassenhygiene, Eugenik und Sozialdarwinismus zur Blüte kamen. Wie Huonker vor den Medien sagte, führte die Lehre von der Höherwertigkeit des Stärkeren und des weissen Mannes auch dazu, dass Frauen, Arme, Ungebildete und ländliche Menschen als minderwertig galten. Sie waren es, die am meisten von Zwangsmassnahmen betroffen waren. Immer ging es den Chirurgen, Gynäkologen und Röntgenärzten darum, «erblich minderwertigen Nachwuchs» zu verhindern. Sie diagnostizierten «moralischen Schwachsinn» und Schizophrenie, behandelten teilweise aber auch Gehörlose, Blinde und Epileptische als Minderwertige.

Zum Mitmachen gezwungen
Kindswegnahmen und Einweisungen in eine Anstalt als Zwangsmassnahmen waren legal. Illegal waren hingegen die Kastrationen, Sterilisationen und Schwangerschaftsabbrüche - alles Straftatbestände. Die Ärzte sprachen sich deshalb mit den städtischen und gerichtlichen Behörden ab und brachten Verfahren in Gang, die darauf hinausliefen, dass die Betroffenen selber in die Eingriffe einwilligten. Auf Bundesebene ist zurzeit ein Gesetz in Ausarbeitung, das Entschädigungen an Personen ermöglicht, die gegen ihren Willen sterilisiert oder kastriert worden sind. (sda)