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Staatliche Beschlüsse 1471-1574

Quellentexte zur schweizerischen Vertreibungspolitik gegenüber "Zigeunern", "Heiden" und anderen Fremden
Vom Landesverweis zur Ausrottung
Alle Beschlüsse der Tagsatzung zwischen 1471 und 1574, worin "Zigeuner" oder "Heiden" erwähnt sind

Die Tagsatzung war das oberste Organ der alten Eidgenossenschaft. Diese war ein Staatenbund aus "Orten". Der Staatenbund musste periodisch erneuert und die gegenseitigen Verhältnisse mussten immer wieder beschworen werden, der Bund hatte Untertanengebiete und nahm auch neue Orte als Mitglieder auf. Die Orte entsprachen grosso modo den gleichnamigen Kantonen, die auch heute noch als eigenständige Staaten organisiert sind, aber seit 1848 einen Bundesstaat nach dem Muster der USA bilden. Erst dieser Bundesstaat hat in der Schweiz - nach dem gescheiterten Zentralismus der vom französischen Vorbild geprägten Helvetik - eine feste Zentralregierung mit eigenen Gebäuden, Beamten etc. in einer fixen Hauptstadt, Bern, definitiv eingerichtet. Vorher tagte die Tagsatzung an wechselnden Orten. Der vielfach lückenhafte und regional abweichende Vollzug der von den Abgesandten "heimzubringenden" Tagsatzungsbeschlüsse, der sogenannten "Abschiede", lag in der Hand der Instanzen der einzelnen Orte. Vielleicht erliess die Tagsatzung, diese selber nomadisierende Zentralgewalt, gerade deshalb so grausame und harte Massnahmen gegen die unerwünschten "Umherziehenden". Andererseits stimmen die Massnahmen in vieler Hinsicht mit jenen der sich in der Nachbarschaft bildenden absolutistischen Staaten überein. Das wiederum ist auch deshalb nicht weiter erstaunlich, weil das schweizerische Patriziat in Parallele zu den umliegenden fürstlich regierten Staaten und in Abkehr von den bäuerlich-rebellischen Wurzeln der Eidgenossenschaft in den einzelnen Orten eigenständige Regierungsformen sesshafter Adelsvorherrschaft entwickelte. Und schliesslich ging auch der zentralörtlich organisierte Bundesstaat, wenn er auch eine erstaunlich liberal-revolutionäre Anfangsphase in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts durchlief, die auch den Fahrenden zugutekam, bald wieder sehr hart gegen die in- und ausländischen "Zigeuner" vor.

Insgesamt hat die gänzliche und auf Ausrottung zielende Abwehrpolitik der Schweiz gegenüber den "Zigeunern" aber doch eine Härte und Entschlossenheit, die gegenüber den umliegenden Staaten phasenweise Vorbildcharakter hatte.

Die Quellentexte, die in verschiedenen Abschriften in den Archiven der einzelnen Orte respektive Kantone vorliegen, finden sich in: "Amtliche Sammlung der älteren Eidgenössischen Abschiede, herausgegeben auf Anordnung der Bundesbehörden", diverse Bände, Herausgeber und Erscheinungsorte, zitiert.

Die Roma waren, über Persien, die Türkei und den Balkan aus Indien herkommend, an der Wende des 13.zum 14.Jahrhundert in Mitteleuropa angelangt. Erste Roma-Gruppen sind in der Schweiz für die Jahre 1414 und 1418 aus Basel und Zürich urkundlich bekannt.


Das Beschlussprotokoll der Tagsatzung, die im März 1471 in Luzern stattfand, enthält ein vollständiges Aufenthaltsverbot für "Zeginer". Um den Aufbau eines solchen eidgenössischen Abschieds und relative Wichtigkeit, welche die Zentralbehörde diesem Beschluss zumass, zu dokumentieren, sei hier der ganze Wortlaut des Abschieds zitiert.

" a) Heimbringen, dass man die Zeginer /Zigeuner) fürderhin in der Eidgenossenschaft weder hausen noch herbergen soll.
b) Auf den Ostermontag zu Nach (15.April) sollen der Eidgenossen Boten zu Constanz sein des von Württemberg, der Ritterschaft, des gefangenenen Pfaffen und anderer Sachen wegen, die man daselbst vornehmen will.
c) Die Boten, die nach Constanz gehen, sollen mit dem Abte von Reichenau und anderen Edeln im Thurgau reden, dass sie ihre im Thurgau gesessenen Angehörigen schwören lassen. d) Die Boten, welche auf Pfingsten nach Baden kommen, sollen Herrn Adrian von Bubenberg die Kosten seines Rittes nach Burgund bezahlen.
e)Am nächsten Sonntag nach Mitte Mai (19.Mai) soll man die Bünde erneuern. Was die von Zürich thun wollen, das sollen sie bis zu Maitag nach Lucern melden und Lucern soll es erforderlichen Falls gemeinen Eidgenossen verkünden."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.2, Luzern 1863, Seite 419
(Die Datierungen und die Orthografie stammen vom Herausgeber dieses Bandes, Philipp Anton Segesser, das Originaldokument liegt im Staatsarchiv Luzern)


Die Tagsatzung in Zürich vom 20. September 1510 verschärfte das Aufenthaltsverbot für die "Zegynen" durch einen formellen Bann und die Todesstrafe bei dessen Missachtung:
"Auf diesen Tag ist auch die grosse Beschwerde angezogen worden, welche man allerorts in der Eidgenossenschaft von den Zigeunern ("Zegynen") hat, die biderben Leuten das Ihrige stehlen und "eben auch sorgklich fürent". Desshalb wird beschlossen, sie aus dem ganzen Gebiet der Eidgenossenschaft zu verbannen, bei Strafe des Hängens, wenn sie selbes wieder betreten."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.3, Abt.2, S.508
Das in Anführungszeichen Geschriebene ist ohne modernisierende Umschrift dem Original entnommen. Die Lagerfeuer der Fahrenden ausserhalb der festen Wohnstätten erweckten wegen Feuergefahr Besorgnis. Die Anklagen betreffend Diebstähle wurden nicht gerichtlich abgeklärt, sondern der Gesamtheit der Roma vorgeworfen. Beides bildete die Begründung für Ausweisung und Todesstrafe im Widerhandlungsfall gegen die ganze Gruppe.


Die Tagsatzung vom 1.Juli 1516 in Bern forderte insbesondere die Grenzgebiete zur Abwehr der "Zigeuner" auf:
"Jedermann, besonders an den Grenzen, soll Vorsorge treffen, dass den Zigeunern kein Eingang in unsere Eidgenossenschaft gestattet werde, in Betrachtung "der merklichen beschwärd, so dem gemeinen mann dahar zustat". "
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.3, Abt.2, S.983


Die Tagsatzung vom 7.Januar 1518 in Zürich beschloss:
"Jedes Ort und auch die Vögte in den Herrschaften sollen die fremden Bettler, Stirnenstössel, Zigeuner, laufenden Reiseknechte und andere dergleichen Leute ausweisen, da wir sonst genug Bettler und almosenbedürfende Leute haben. Gehorchen sie nicht, so soll man sie gefangen nehmen und Andern zur Abschreckung strafen."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.3, Abt.2, S.1093
Dasselbe Tagsatzungsprotokoll beschliesst auch, zum "Türkenzug 10'000 Knechte aus unserer Eidgenossenschaft" unter päpstlichen Befehl nach Italien zu schicken; die Massnahmen gegen umherziehende "Reiseknechte", d.h. Träger und bodyguards für Kaufleute und hochgestellte Reisende hat diese Rekrutierung zum Söldnerdienst im Ausland vermutlich erleichtert.
"Stirnenstössel" sind möglicherweise Epileptiker, vielleicht aber auch Anwender der Kampftechnik des Kopfstosses, des später so genannten "Schwedenkusses".


Die Tagsatzung vom 23.Mai 1520 in Luzern beschloss:
" In Betreff der "Kriegsbuben, pettler und frömdem Kessler" wird beschlossen, man soll allenthalben, wo solche betreten werden, diejenigen unter ihnen, welche Angehörige der Eidgenossenschaft sind, bei ihrem Eide in das Ort, woher sie gekommen, zurück-, Fremde aus der Eidgenossenschaft wegweisen, es sei denn, dass sie sich mit Arbeit ernähren wollen. Ebenso soll man es mit den Heiden und Zigeunern halten, die allfällig in das Land kommen."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.3, Abt.2, S.1237
Betreffend den Umgang mit den fahrenden Kupferschmieden und Kesslern und deren Konflikten mit den sesshaften Kesselschmieden gibt es zahlreiche weitere Tagsatzungsbeschlüsse.


Die Tagsatzung vom 3.August 1523 in Bern beschloss:
" e)Heimzubringen, wie man die vielen fremden Bettler, Landstreicher und Heiden, die dem gemeinen Mann zu Stadt und Land beschwerlich fallen, entfernen und abhalten könne. Antwort auf nächstem Tag. f) Dazu wird festgesetzt: Es soll jedes Ort seine Sondersiechen selbst versorgen, damit nicht andere Orte durch dieselben belästigt werden. "
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1, S.313

Die Tagsatzung vom 10. Februar 1525 in Luzern beschloss:
" Die angebrachten Beschwerden über die Heiden oder Zigeuner, welche allenthalben in der Eidgenossenschaft umherlaufen, die Leute betrügen, bestehlen und namentlich jetzt in Luzern und anderswo ungeschickte Händel begangen haben, ist beschlossen heimzubringen und beförderlich zu berathen, wie man ihrer abkommen könne."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1, S.582


Die Tagsatzung vom 1.März 1525 in Luzern beschloss:
" Der Heiden oder Zigeuner halber wird beschlossen, man solle sie überall in der Eidgenossenschaft sofort zurückweisen und für Diebstähle strafen wie andere Diebe."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1, S.595
Diese Formulierung schliesst zwar Kollektivbestrafungen wegen einzelner Diebstähle aus, hält aber am kollektiven Einreiseverbot fest.


Und schon am 24. April desselben Jahrs 1525 beschloss die Tagsatzung in Baden die Rückkehr zur kollektiven Abstempelung der "Heiden und Zeginer" nicht nur als "Diebe", sondern als "Mörder und Bösewichte" - und zwar aufgrund eines Rechtsverfahrens gegen einen Einzelnen. Zu dessen Aussagen ist anzumerken, dass viele Geständnisse in damaligen Prozessen auf brutalster Folter beruhen, die gemäss den geltenden Gerichtsverordnungen ein gängiges Verhörverfahren war.
" Auf die Anzeige Freiburgs, dass es einen Zigeuner im Gefängniss habe, der bekenne, fünf Mordthaten allein und viere mit Anderen verübt zu haben, und dabei ferner gestehe, es seien überhaupt alle Heiden und Zigeuner Mörder und Bösewichter und bilden eine "Gesellschaft",wird beschlossen, dieselben allenthalben gefangen zu setzen, zu verhören und zu strafen. "
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4., Abt.1, S.626


Die Tagsatzung vom 22.Juli 1527 in Baden beschloss:
" Jeder Bote weiss, wie man sich über die Vertreibung der Zigeuner berathen hat, nämlich ob man, wie früher verabschiedet, an den Grenzen verschaffen wolle, dass dieselben sofort zurückgewiesen würden, wo sie sich zeigen würden."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1, S.1121


Die Tagsatzung vom 22. April 1533 in Einsiedeln beschloss:
" Der fremden Bettler und Zigeuner wegen wird vereinbart, man soll die starken, verdächtigen Bettler allenthalben aus Stadt und Land verweisen; hat ein Ort Hilfsbedürtige, so soll man sie mit Schriften versehen, damit man wisse, was sie wollen. Um der Zigeuner gänzlich los zu werden, hat man ihnen, mit Einwilligung Uri's, den Pass über den Gotthard geöffnet. Jedes Ort, welches Vögte an den Grenzen hat, soll ihnen befehlen, auf Bettler und Zigeuner wohl Acht zu haben und keine hereinzulassen."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1c, S.64


Die Tagsatzung vom 14.April in Baden beschloss:
" In Betreff der Landstreicher, Heiden und Bettler, welche die armen Leute brennen, schädigen und zwingen, ihnen etwas zu geben, wird abgeredet, es solle jedes Ort, wohin solche Leute kommen, sie sofort aus dem Lande weisen."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1c, S.307


Die Tagsatzung vom 8.Juni 1536 in Baden beschloss:
" Ungeachtet der früher erlassenen Verordnungen wegen der Heiden und Bettler wird jetzt geklagt, dass deren eine Menge vorhanden sei, und desshalb beschlossen, bei den Beschlüssen wegen der Heiden zu bleiben, der Bettler halb, die sich mit blosser Faulheit behelfen wollen, soll jedes Ort Anstalten treffen, sie aus dem Lande zu bringen, damit jeder vor ihnen sicher sei."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1c, S.504


Die Tagsatzung vom 14.April 1539 in Baden beschloss:
" Wie auf dem letzten Tag beschlossen worden ist, die Bettler, Heiden und Zigeuner zu verweisen, so wird jetzt hinzugefügt, dass man auch die ausländischen Feldsiechen, die so zahlreich hin und wieder wandeln, vertreiben solle. Alle Orte werden ermahnt, dieser Verordnung strenge nachzukommen."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1c, S.1086
"Feldsiechen" waren Kriegsinvalide.


Die Tagsatzung vom 7.Juni 1540 in Baden beschloss:
" Der Gesandte von Zürich eröffnet, laut nachträglicher Instruktion, wie zu Stadt und Land eingelegt werde, was in und ausserhalb der Eidgenossenschaft über alle geschehe und niemand Anderm zu "vertrauen" sei, als den wälschen und deutschen Bettlern und starken Buben, die wohl arbeiten könnten; Zürich bittet, dass man gemeinsame Massregeln ergreife, um solche Leute abzuwehren; sonst wäre es veranlasst für sich allein zu sorgen. Das ist zum ernstlichsten heimzubringen. Vorläufig wird den Vögten geschrieben, sie sollen allenthalben verschaffen, dass solche Bettler und Buben an den Grenzen abgewiesen, die Widerspenstigen gefangen und peinlich gefragt und die Schelmen nach Verdienen bestraft werden. Wer nichts bekennt, sei mit einem Eid zurückzuschicken; wenn Einer dennoch wieder käme, soll er als Meineidiger an Leib und Leben gestraft werden. In gleicher Weise soll mit den Heiden verfahren werden. "
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1c, S.1210
Der Gesandte von Zürich war Hans Rudolf Lavater.
Somit war, auch ohne Nachweis oder auch nur auf der Folter erzwungenem Geständnis von konkreten Verbrechen, bei blosser zweimaliger Einreise von Angehörigen dieser Gruppen, zu denen auch die "Heiden" gerechnet wurden, in der Schweiz weiterhin die Todesstrafe Vorschrift.


An der Tagsatzung vom 13. Dezember 1540 in Baden wurde nachgedoppelt:
" Zürich erinnert an den auf einem Tage zu Baden gefassten Beschluss, die Landstreicher, Bettler und Heiden an den Grenzen zurückzuweisen etc. Das sei aber bisher, "verliederlicht" und nicht vollstreckt worden, indem solche Gengler und Zigeuner überall umherstreichen, so dass der Landschaft Zürich die Unterhaltung der Wachen zu beschwerlich werde; es müsse darauf dringen, dass der frühern Verordnung ernstlich nachgelebt, die Pässe und Grenzen wohl verwahrt, solche Leute zurückgewiesen und die Schelmen und Buben bestraft werden. Es soll nun jede Obrigkeit die nöthigen Massregeln treffen. Auch wird an alle Zugewandten und und in die Vogteien geschrieben, sie sollen auf verdächtige Leute achten, dieselben durchsuchen, auch wohl mit der Marter befragen und die Schuldigen nach Verdienen strafen, Unverdächtige einfach verweisen. Die Zigeuner soll man noch einmal gütlich aus dem Lande weisen, ihnen aber mit allem Ernst anzeigen, dass man sie auf Wiederbetreten bestrafen werde."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1c, S.1280 Es war selten, dass an einer Tagsatzung wegen dieses Themas Differenzen zwischen den Abgesandten auftraten. Vielmehr scheint die stete Wiederholung dieses Punktes eine gewisse einigende Selbstbestätigungsfunktion für die sonst durchaus nicht in allen Fragen einigen Vertreter der verschiedenen Orte gehabt zu haben. Mochte man sich auch sonst in Fragen der Religion, der fremden Kriegsdienste und der Bündnispolitik uneinig sein, gegen die "Heiden" und "Zigeuner" war die Abwehrhaltung einhellig.


Die Tagsatzung vom 12. Juni 1548 in Baden beschloss:
" Es kommen immer arme Landsknechte ins Land und niemand weiss, wozu sie dienen sollen oder was sie im Sinne haben; es ist aber zu besorgen, dass sie die armen Leute beladen und mit Stehlen, Brennen und Morden schädigen werden; es ziehen auch viele Heiden und starke Bettler im Lande umher und fallen den Leuten beschwerlich. Desshalb wird nun verordnet, man soll dieselben aus jedem Orte verweisen und ihnen einen Eid abnehmen; werden sie wieder betreten, so sind sie an Leib und Leben zu strafen als Meineidige. Dieser Beschluss wird allen Vögten und den Zugewandten mitgetheilt, damit sie in gleicher Weise zu verfahren wissen." Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1d, S.954 Bezüglich des Treibens der Schweizer Landsknechte im Ausland, das nicht anders gewesen war, schweigen die Tagsatzungsabschiede.


Die Tagsatzung vom 28. Januar 1550 in Baden liess protokollieren:
" Es wird angezogen, eine Ordnung in Betreff der Zigeuner, Heiden und der starken wälschen und deutschen Bettler zu erlassen, damit man sie abkomme und unser armen Leute nicht so stark von ihnen beschwert werden. Es wird beschlossen, jeder Ort soll "by sinen" ein Einsehen thun, sei es, dass es sie heisse aus dem Lande schwören, oder die Heiden und starken Bettler gefangen nehme und peinlich verhöre und dann Schelmen und Diebe nach Verdienen strafe und die Übrigen verweise."
Amtliche Abschiedesammlung,Bd.4, Abt.1e,S.209


Die Tagsatzung vom 28. Januar 1550 in Baden beschloss:
" Wieder wird angezogen, wie die Orte ud die gemeinen Vogteien mit heimischen und fremden, wälschen und und deutschen Bettlern belästigt werden, und wie viele Almosen empfangen, die es nicht bedürfen, und solcher Art dasselbe andern dürftigen Leuten vor dem Mund wegnehmen. Es ist nun die Meinung der Obern, dass jedes Ort, jeder Flecken und jede Kirchhöre in der Eidgenossenschaft ihre armen Leute selbst nach Vermögen erhalten, und denselben nicht gestatten sollen, Andern mit Betteln beschwerlich zu fallen. Die fremden Landstreicher und wälschen Bettler sollen zurück- und weggewiesen werden. Die boten sollen auch Instruction einholen, ob nicht eine gemeine Verordnung gemacht werden solle, dass in den Städten, Klöstern, Gotteshäusern und an andern Orten, wo solchen Bettlern Spend ausgeteilt wird, wälschen Bettlern und fremden Landstreichern künftig keine Spend gegeben werden solle, damit jene um so eher ferngehalten werden können. Daneben soll jedes Ort seine Sondersiechen in den betreffenden Häusern halten und ihnen nicht gestatten, andere Leute zu beunruhigen Das wird auch denen in den III Bünden und im Wallis und allen Vögten geschrieben, dass sie sich dieser Ordnung bedienen mögen. Jeder Bote soll auch heimbringen, wie man die Heiden und Zigeuner vertreiben wolle.
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1e, S.551f

Die Tagsatzung vom 23. November 1551 in Baden bekräftigte:
" Bei dem auf dem letzten Tag in Betreff der heimischen und fremden Landstreicher und Bettler gethanen Einsehen wollen die Obern es verbleiben lassen, nämlich:
1. Jedes Ort, Kirchhöre und Flecken in der Eidgenossenschaft soll seine armen Leute selbst nach Vermögen erhalten un dihnen nicht gestatten, andern Leuten mit dem Bettel beschwerlich zu fallen; die fremden Landstreicher und und wälschen Bettler soll man allenthalben zurückweisen.
2. Jedes Ort soll seine Sondersiechen soviel möglich daheim behalten und niemand auf den Hals schicken und jetzt insbesondere auf bevorstehende Weihnacht und Neujahr dafür sorgen, dasss sie nich so herumfahren und singen. Wo aber die "Sondersiechenhüsli" so arm sind, dass man die Sondersiechen in denselben nicht erhalten kann, da soll ihnen das Sammeln des Almosens nicht abgeschlagen sein.
3. Wenn Heiden und Zigeuner oder andere starke Bettler in der Eidgenossenschaft betroffen werden, da sollen sie gefangen gesetzt, peinlich verhört und wegen ihrer (allfälligen) Missethaten nach Verdienen bestraft werden; haben sie aber nichts verbrochen, so soll man sie mit dem Eid aus der Eidgenossenschaft verweisen und bei Übertretung dieses Eides an Leib und Leben strafen.
4. Das schreibt man auch den Eid- und Bundesgenossen der III Bünde und denen im Wallis und allen Landvögten, dass sie sich in Betreff der fremden und heimischen Bettler der Ordnung der Orte bedienen mögen.
"
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1e, S.576
Einmal mehr wird klar gesagt, dass auf blosses zweimaliges Betreten der Schweiz für "Zigeuner" und "Heiden" die Todesstrafe stand.


An der Tagsatzung in Baden vom 23. Juli 1554 referierte der Vogt Christoph Murer aus dem Untertanengebiet Aarau über einen Streitfall mit "Heiden und Zigeunern":
" Christoph Murer, Vogt zu Klingnau, und Einige aus der Grafschaft Baden eröffnen, vor einiger Zeit, als die Leute in den Reben beschäftigt waren, seien die Heiden und Zigeuner nach Döttingen gekommen, in die Häuser gegangen und haben da Speise und Anderes weggenommen. Als ihm dies geklagt worden sei, habe er sich mit einigen Begleitern nach Döttingen begeben, wo die Heiden und Zigeuner sich im Wirthshause befanden.. Als aber diese ihn gesehen haben, seien sie zu den Läden hinausgesprungen und mit Zurücklassung von einer Partisan und einem Schwert entflohen. Nachdem er diese Gegenstände zur Hand genommen habe, sei ihm kürzlich entboten worden, wenn er dieselben nicht wieder zurückstelle, so solle er die Folge hievon gewärtigen. Auch als die zu Döttingen die Heiden nicht beherbergen wollten und sich entschuldigten, sie haben kleine und enge Häuser, haben sie ihnen gedroht, sie werden ihnen bald weite Häuser machen, mit Anderm. Es soll nun jedes Ort insbesondere an den Pässen vorsorgen, dass diejenigen, welche ausser die Eidgenossenschaft entkommen sind, ferngehalten werden; werden soche Heiden die Eidgenossenschaft betreten, so sollen sie, sowohl Männer als Weiber, gefangen gelegt und um ihre Missethaten bestraft werden, da man wohl weiss, dass sie den armen Biederleuten mit Stehlen und Anderm grossen Schaden zufügen. Der Vogt zu Klingnau zeigt noch insbesondere an, wie zwei, der eine heisse Hans und habe lange zu Zurzach gedient, der andere sei ein Metzger von Zürich, sich in die Gesellschaft der genannten Heiden verpflichtet haben. Man schraub auch allen Vögten, auch denen zu Bremgarten und Mellingen, dass sie solche Heiden, wenn sie dergleichen in ihrer Amtsverwaltung finden, einziehen und wie angegeben mit ihnen verfahren sollen. "
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.1e, S.961
Der Text zeigt, dass es Einheimische gab, die sich der "Gesellschaft" der "Heiden" anschlossen - ob sie deswegen "Heiden" im Sinne von "Nichtchristen" wurden, ist unklar. Ferner zeigt der Text, dass "Heiden", wie andere Reisende und insbesondere auch wie umherziehende Landsknechte, Waffen trugen. Dennoch ergriffen sie vor dem Vogt und "einigen Begleitern" die Flucht. Dass sie in Döttingen zuerst verlassene Wohnhäuser ausgeraubt hätten und anschliessend in einem Döttinger Wirtshaus angetroffen worden seien, lässt Fragen offen. Die Beschlagnahme von Eigentum - in diesem Fall Waffen - von "Heiden" wird auch aus späteren Fällen überliefert. Dass die Armut der "Biederleute" in den eidgenössischen Untertanengebieten nicht zuletzt an diesem Rechtsstatus und den entsprechenden Abgabepflichten lag, lässt die Tagsatzung ausser Betracht.


Die Tagsatzung vom 19. Juni 1558 in Baden beschloss:
" Lucern macht Anzug, dass allenthalben wieder Bettler, Schelmen, Zigeuner und Heiden im Land umherziehen, jedermann zur Last fallen und stehlen, aber weder arbeiten noch Kriegsdienste nehmen wollen, und wünscht, dass man Massregeln gegen dieselben treffen möchte. Es wird nun der Vorschlag, wirklich Armen, welche eine Bescheinigung ihrer Obrigkeit besitzen, Almosen zu verabreichen, dagegen gesunde, arbeitsscheue Bettler zu verhören, zu bestrafen und aus dem Land zu verweisen, in den Abschied genommen." Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.2, S.70 Hier taucht erstmals der Begriff "arbeitsscheu" auf, der in der Verfolgungsgeschichte der Fahrenden im deutschen Sprachraum eine grosse Kontinuität aufweist. In der zünftisch-ständischen Territorialgesellschaft war es für Aussenstehende sehr schwer, vorschriftsgemässen Erwerb betreiben zu können. Die "Heiden" und "Zigeuner" hatten zudem keine "Obrigkeit", da ihre eigenen Strukturen und Repräsentanten nicht als solche anerkannt wurden, sondern als gefährliche "Gesellschaft" ausserhalb der eigenen gesellschaftlichen Strukturen interpretiert wurden. Seit der Tagsatzung vom 4.Juni 1554 in Baden lag das Angebot des französischen Gesandten vor, aus der Schweiz abgeschobene männliche Arbeitsfähige als Galeerensklaven zu übernehmen (Amtliche Abschiedesammlung, Bd. 4, Abt.1e, S.940)


Die Tagsatzung vom 11.Dezember 1559 in Baden beschloss:
" Auf die abermalige Anregung, dass die Heiden, Zigeuner, arbeitsfähigen Bettler, Kräzenträger, "Gengler" und welschen Krämer alle Orte durchlaufen, das arme Landvolk belästigen und bestehlen, wird beschlossen, allenthalben einen Ruf über sie zu erlassen und die als schuldig Erfundenen nach verdienen zu strafen und die Anderen aus dem Land zu weisen. Dieser Beschluss wird allen Landvögten zum Verhalt mitgeteilt."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.2, S.105
Hier werden erstmals zusammen mit den als "Heiden" und "Zigeuner" bezeichneten Roma auch die Hausierer unter die Unerwünschten subsumiert, unter den Namen "Kräzentrager" (Kräze ist ein schweizerischer Ausdruck für ein geflochtenes Gestell, auf dem Rücken mitzutragen), "Gengler" (Umhergehende) und "Krämer".
Dies steht in Parallele zu den bereits am allerfrühesten in Konflikt mit sesshaften Instanzen gekommenen fahrenden Kupferschmiede und Kessler. Das diese fahrenden Gewerbe den sesshaften Zünftern und Händlern eine unerwünschte Konkurrenz waren, ist offensichtlich; mit den herumziehenden Bettlern haben die mobilen Gewerbler jedoch nur die Ortsungebundenheit gemeinsam.


Die Tagsatzung 13.Januar 1561 in Baden beschloss:
" Bern macht Anzug, dass laut Bericht des Vogts zu Lenzburg die Heiden und Zigeuner in grosser Menge sich wieder in den Freien Aemtern auf halten, von da aus des Nachts in das Bernergebiet hinüberstreifen, stehlen und, wenn sie verfolgt werden, sich wieder in die Freien Ämter zurückziehen, und dass demnach der im December 1559 in Betreff der Heiden, Zigeuner, Bettler, Landstreicher, Kräzenträger und welchen Krämer gefasste Beschluss nicht gehandhabt werde; es verlangt, dass man benannter Verordnung überall nachlebe. Es wird daher jedem Ort befohlen, für Vollziehung dieser Verordnung zu sorgen; auch wir an alle Landvögte, besonders an den in den freien Ämtern, die Weisung erlassen, dieser Verordnung bei Strafe und Ungnade nachzukommen und solche Personen ohne Schonung zu behandeln, damit man von denselben befreit werde."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.2, S.160
Es ist möglich, dass in den Untertanengebieten eine grössere Bereitschaft bestand, die Fahrenden gegenüber den von den eidgenössischen Orten eingesetzten Vögten, die wegen ihrer Habgier und Willür unbeliebt waren, zu unterstützen und ihnen Unterschlupf zu gewähren.


Die Tagsatzung vom 14.April 1561 in Baden wiederholte:
" In Betreff der Heiden, Zigeuner, Landstreicher, Bettler, Kräzenträger u.dgl. belässt man es beim frühern Beschluss, um dieser lästigen Leute los zu werden."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.2, S.171
Die stete Wiederholung der Tagsatzungsbeschlüsse ruft nach Abklärung der Frage, ob diese stete Wiederholung die Wichtigkeit zeigt, welche die eidgenössische Oberinstanz der Vertreibung der unerwünschten Fahrenden zumass, oder ob sie nicht auch darauf hindeutet, dass die Beschlüsse nicht vollzogen wurden, oder dass ihr Vollzug nicht ausreichte zur Vertreibung der Roma - die ja überall vertrieben wurden und doch irgendwo leben wollten. Zur genaueren Abklärug müsste der Vollzug in den einzelnen Gebieten aufgrund der lokalen Quellen zur Rechtsgeschichte erforscht werden. So ergäbe sich auch Aufschluss über die Zahl der Verurteilungen und der vollzogenen Todesurteile an den vertriebenen Roma und an den andern unerwünschten und vertriebenen Gruppen.


Die Tagsatzung vom 10.Februar 1566 in Baden beschloss:
" Die frühern Verordnungen in Betreff der "starken, unpresthaften" Bettler, Gengler und Landstreicher werden bestätig, nämlich, es soll dieselben jedes Ort au dem Land weisen; jene, welche nicht arbeiten wollen und dem Volk zur Last fallen, soll man einziehen, auf der Folter verhören und nach Verdienen bestrafen; das gegenseitige Zuführen der "presthaften" aber soll aufhören; endlich sollen die Heiden und Zigeuner, die meistens Diebe sind, überall aus dem Land gewiesen werden; wenn sie aber nicht Folge leisten, sollen die Gemeinden aufgeboten werden, um sie festzunehmen und der Obrigkeit zur Bestrafung zu überliefern."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.2, S.334


Die Tagsatzung vom 23.Juni 1566 in Baden wiederholte:
" Die auf letzter Tagsatzung entworfene Verordnung in Betreff der starken gesunden Bettler und Landstreicher, sowie der Heiden und Zigeuner wird bestätigt; daher soll man solche Leute allenthalben aus dem Land weisen, die Verdächtigen an der Folter verhören und nach Verdienen strafen. Dagegen soll jeder Ort für seine Armen so viel möglich selbst sorgen, damit sie durch ihr betteln niemandem beschwerlich fallen; solchen , welche sich in ihrer Heimath mit den Almosen nicht ernähren können, soll der Vogt einen Schein über den Sachverhalt ausstellen. Endlich soll man uach in den Orten und gemeinen Vogteien die "Sondersiechen" zu Hause behalten und nicht also umherziehen lassen."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.2, S.341
Dass die örtlich oder obrigkeitlich durch Almosen unterstützte oder dank eines Bettelausweises legalisierte Regelung auch für "presthafte", d.h.kranke, alte, behinderte oder gebrechliche Roma nicht galt respektive unmöglich zu erlangen war, hat zwei Gründe: Erstens wurden sie ohnedies generell vertrieben und ausgewiesen, ob "presthaft" oder nicht, zweitens gab es gar keine Obrigkeit oder örtlichen Strukturen, die für allfällige Hilfestellungen für "presthafte" Fahrende zuständig gewesen wären. So oblag den unerwünschten reisenden Gruppen, insbesondere auch den Roma, nebst dem Problem des Überlebens in einer Gesellschaftstruktur, die ihr Recht auf Existenz und Anwesenheit prinizipell verneinte, auch die Versorgung der eigenen Kranken, Gebrechlichen und Alten.


Die Tagsatzung vom 27.Juni 1568 in Baden beschloss:
" Auf einen Bericht des Landammann Schorno von Schwyz, dass ein gewisser Adam Brünster von Kammerstein aus dem Innthal zu Glarus mit dem Rad gerichtet und dann verbrannt worden sei und dass derselbe drei ander Brandstifter als seine Gehülfen angegeben habe (die er benennt und genau signalisiert), wird beschlossen: Es soll der auf letzter Jahrrechnung zu Baden erlassenen Verordnung in Betreff der starken Bettler, Landstreicher, Heiden, Zigeuner und herumstreifenden Sondersiechen genau nachgelebt werden. "
Amtliche Abschiedesammlung, Bd. 4, Abt.2, S.389
Nähere Angaben zu Hingerichteten werden nicht gemacht; aufgrund seiner lokal definierten Herkunft kann aber ausgeschlossen werden, dass er ein Rom war.


Die Tagsatzung vom 13. oder 29. September 1568 in Baden beschloss:
" Die erlassenen Verordnungen in Betreff der Bettler, Landstreicher, Heiden, Zigeuner, Sondersiechen u.dgl. wurden bestätigt; auf deren Aufrechterhaltung soll streng gehalten werden, auch soll man sie jährlich und überall in den Kirchen verkünden. Bern soll die von Biel und Neuenburg dazu anhalten, dass sie die welschen Bettler zurückweisen; Uri soll dasselbe auf dem Gotthard und auf dem See thun, ebenso Schwyz und Glarus zu Weesen, damit keine welschen Bettler aus Bünden durchgelassen werden. An die III Bünde und an den Abt von St.Gallen wird geschrieben, sie sollen ihre Armen auf ihrem Gebiet behalten und und versorgen; Zürich soll dafür sorgen, dass die von Winterthur ihre Sondersiechen in ihren Häusern behalten und nicht herumschweifen lassen; dasselbe soll der Landvogt im Thurgau denen von Frauenfeld anbefehlen. "
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.2, S.402
Die Verkündung der Tagsatzungsbeschlüsse zur Wegweisung von Roma, Fahrenden, Bettlern und Behinderten in allen Kirchen ist ein neues Element. Früher, insbesondere vor der Reformation, sahen es die Kirchen und Klöster als gutes Werk an, Almosen an alle Armen abzugeben. Viele kirchliche Institutionen hielten dennoch an der Praxis des allgemeinen Almosens fest.


Die Tagsatzung vom 4.Juni 1570 in Baden beschloss:
" In Betreff der Sondersiechen und der so lästigen Bettler und Landstreicher wird verfügt: Es soll jedes Ort dafür sorgen, dass da, wo Siechenhäuser sind, die Kranken darin behalten und und verpflegt werden und dass man sie nicht umherschweifen lasse; in Betreff der fremden Siechen abe wird verordnet, dass allen Zollnern und Schiffleuten am Rhein verboten werde, solche Leute durchzulassen; dem Abt von St.Gallen, den Landvögten im Thurgau und Rheinthal sowie zu Baden werden die nöthigen Massregeln anbefohlen; ebenso soll Zürich zu Stein und Eglisau dasselbe thun; entlich wird verordnet, dass man die Heiden und Zigeuner, die seit einiger Zeit viele Verbrechen verüben, überall einziehen, an der "Marter" peinlich befragen und dann nach Verdienen bestrafen soll."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.2, S.448f


Die Tagsatzung vom 3. September 1570 in Baden beschloss:
" Die Verordnung in Betreff der starken unpresthaften Bettler, Landstreicher, Sondersiechen, Heiden und Zigeuner lässt man in Haft verbleiben. Daneben melden die Gesandten von Zürich, dass ihre Angehörigen, welche von solchen Leuten bestohlen worden, denselben in die Freien Ämter und in andere Gerichte nachgejagt haben und dass Zürich dasselbe auch auf seinem Gebiet niemanden verwehren werde."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.2, S.457


Die Tagsatzung vom 7.-13. Januar in Baden beschloss:
" Es wird vorgeschlagen, dass jeder, dem von den Heiden oder Zigeunern etwas gestohlen worden, diesen in alle Orte und Vogteien nachjagen dürfe, dass er aber die Thäter dem Ort oder der Vogtei, wo er sie betrete, überantworte, damit sie nach Verdienen bestraft werden. Zürich und Schwyz haben dieses bereits mit einander angenommen."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt.2, S.463


Die Tagsatzung vom 8. August 1574 in Baden beschloss die Ausrottung der "Zigeuner und Heiden":
" Der Landvogt von Baden macht Anzug: Er habe vor einiger Zeit auf die Zigeuner und Heiden wegen ihrer Diebereien und anderer Vergehen Jagt machen und in die Pferde sammt dem "Plunder" wegnehmen lassen und unter letzterem viel gestohlenes Gut und Dietriche gefunden; er mache hievon Anzeige, damit man jedermann vor denselben warne. Es wird daher an alle Landvögte diess- und jenseits des Gebirgs geschrieben, sie sollen die Zigeuner und Heiden, so sie solche finden, gefangen nehmen und strafen. Hierauf meldet Schwyz, dass unter diesen Heiden die Männer Diebe, die Weiber Hexen seien und dass dieselben, als es Leute ausgeschickt habe, um sie auf den Alpen gefangen zu nehmen, sich also in den Felsen verstekt haben, dass man nicht habe zu ihnen gelangen können. Dieses wird in den Abschied genommen, damit jedes Ort seine Massregeln zu deren "Ausrottung" treffe."
Amtliche Abschiedesammlung, Band 4, Abt.2, S.546
Bei diesem oberstinstanzlichen Ausrottungsbeschluss gegen eine kollektiv als Diebe und Hexen stigmatisierte Menschengruppe wirkten folgende Gesandte mit:
"Zürich. Hans Kambli, Burgermeister; Konrad Escher, Sekelmeister und des Raths. Bern. Beat Ludwig von Mülinen, Schultheiss. Lucern. Ludwig Pfyffer, Ritter, alt-Schultheiss und Pannerammann. Schwyz: Christoph Schorno, Ritter, alt-Landammann und Pannerherr. Unterwalden. Andreas Schönenbühl, alt-Landammann ob dem Wald; Melchior Lussi, Ritter, alt-Landammann nid dem Wald. Zug. Wolfgang Brandenberg, des Raths. Glarus. Jost Hösli, des Raths. Basel. Ulrich Schulthess; Franz Rechberger, beide des Raths. Freiburg: Ludwig von Affry, Schultheiss. Solothurn. Stephan Schwailer, Venner und des Raths. Schaffhausen. Alexander Peyer, Burgermeister; Dr. Hans Konrad Meyer, des Raths. Appenzell. Hans Bodmer, alt Landammann."
Amtliche Abschiedesammlung, Bd.4, Abt. 2, S.546