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Referat an der Tagung „Eugenik und Psychiatrie“, Centro Stefano Franscini, Ascona - Monte Verità, Februar 2002

Eheverbote, Sterilisationen, Kastrationen

Eugenische Elemente in der Zürcher Sozialpolitik von 1890 bis 1970


Von Dr. Thomas Huonker, Ährenweg 1, CH-8050 Zürich




I. Einleitung, Methodik


Mein erster Zugang zu Fragen der Fürsorge, Eugenik und Psychiatrie war 1987 die Erarbeitung eines Buchs mit Lebensläufen von Jenischen. 1

Jenische sind, neben Sinti und Roma, eine Volksgruppe mit alter nomadischer Tradition, eigener Sprache 2 und eigener Identität, die erst in allerneuester Zeit als solche wahrgenommen und nur selten in vollen Rechten als ethnisch, kulturell und sprachlich eigenständige Gruppe anerkannt und respektiert wird. Es gibt sie in ganz Mitteleuropa, insbesondere in Frankreich, Deutschland, Österreich und Italien. In der Schweiz wurden sie bis 1975 als „dunkler Fleck der Schweizer Kulturordnung“, wie es 1927 ein Bundesrat ausdrückte, systematisch verfolgt. Eine eigens dazu landesweit agierende Organisation die Kinder weg, um sie, getrennt von Eltern und Geschwistern, ausserhalb der jenischen Tradition als Anstaltszöglinge, Kinderarbeiter oder Adoptivkinder mit geändertem Namen zur Sesshaftigkeit umzuerziehen und ihrer Tradition zu entfremden. Die Parallelen zu ähnlichen Vorgängen gegenüber den Indigenen Amerikas und Australiens sind dabei unübersehbar. Opfer dieser Kampagne erzählten mir ihre Schicksale, und ich protokollierte diese Erzählungen wortwörtlich und ergänzte sie mit meinen Aktenfunden in den Archiven. Es gab allerdings hiezu zentrale Archivalien, die mir erst im Rahmen erneuter und vertiefter Forschung zu dieser Thematik im Rahmen der Bergier-Kommission über den Umgang der Schweiz mit Roma, Sinti und Jenischen 3 teilweise zugänglich wurden.


Leider wurden die Anstrengungen von mir und anderen Forscherinnen und Forschern, hier weitere Nachforschungen in staatlichen Forschungsprogrammen mit Aktenzugang zu betreiben, zwischen 1985 und 1995 abgeblockt. Erst 1998 erschien eine offizielle Studie zu dieser Thematik,4 und erst vor anderthalb Jahren wurde ein grösseres Forschungsprojekt von nationaler Tragweite zur Thematik Eugenik und Ausgrenzung bewilligt, dessen Ausgestaltung an dieser Tagung thematisiert werden wird.5


In der Folge der politischen Debatte, die das Buch „Hirnriss“ von Willi Wottreng 6 im Jahr 1999 über die Zürcher Eugeniker August Forel und Ernst Bleuler auslöste, konnte ich nach dem Ende der Arbeit für die Bergier-Kommission im Auftrag des Sozialdepartements der Stadt Zürich ein Jahr lang die Aktenbestände der Zürcher Fürsorge durchsehen, unter besonderer Fokussierung auf Zwangsmassnahmen, speziell auch auf forcierte Sterilisationen und Kastrationen hin. Der für meine Arbeit festgelegte Zeithorizont waren die Jahre zwischen 1890 und 1970. Der Bericht, den ich dazu schrieb, liegt hier druckfrisch vor.7


Als ich, teilweise in feuchtkalten Kellern 4 und 5 Stockwerke unter der Erdoberfläche, rund tausend Dossiers aus einer Zahl von mehreren Hunderttausend Fallgeschichten verschiedener Dienste des Sozialwesens herausgesucht, durchgesehen und mittels Notizen und Kopien einigermassen dokumentiert hatte, stand ich vor der Frage, die sich auch David F. Crew stellte, als er sich an seine Darstellung des deutschen Fürsorgewesens mit dem Untertitel „From Weimar to Hitler“ machte. Nämlich die Frage: Wie wurde die Geschichte des Fürsorgewesens bisher erzählt, wie kann ich diese bisherigen Erzählungen wiedergeben und einordnen, und wie erzähle ich sie?8


Es gibt auch in Zürich zunächst die Erzählungen und Auffassungen der Armenpfleger, Psychiater und Politiker über diese Politik, die sich aus deren Schriften und aus den Quellen rekonstruieren lassen.

Dann gibt es die eigenen Darstellungen und Erzählungen der Opfer solcher Massnahmen. Sie finden sich in relativ raren Publikationen, meist in solchen, die im Eigenverlag gedruckt wurden. Durch die Publizität, die dem Forschungsauftrag zuteil wurde, kamen mir auch unveröffentlichte Niederschriften von Lebensgeschichten Betroffener aus dem Publikum zu. Sie halfen mir dabei, auch diese Sicht der Dinge zu rekonstruieren.

Dann machte ich mich an die Einordnung der wissenschaftlichen Traditionen des Erzählens dieser Geschichte. Es gab da im wesentlichen die Sicht der darin meist auch praktisch involvierten Wissenschafter, welche die Theoreme der Eugenik bis weit nach 1945 vertraten. Dem gegenüber steht der Diskurs jüngerer Wissenschaftler und vor allem Wissenschaftlerinnen, welche diese ältere wissenschaftliche Überlieferung im Lauf der 80er- und 90er-Jahre aus dem Staub der Bibliotheken und Archive hoben und aus menschenrechtlicher Optik kritisierten. 9

Dieser Diskurs scheint nun langsam zum Standard des wissenschaftlichen Mainstream zu werden, falls nicht gegenläufige Tendenzen dem Diskurs der Propagierung eugenischer Ausmerze – und sei es diesmal eine liberale und gentechnische – erneut Dominanz verschaffen.10

Was in der Schweiz vollständig fehlt, ist der Bruch 1945 und die frühe Debatte von Eugenik und Euthanasie, wie sie in Deutschland unter dem Druck der Besatzungsmächte und unter Aufbietung verschiedener theoretischer Grundkonzepte schon in den 40-er, 50-er und 60-er Jahre geführt worden war.


Der Diskurs der Tätigen oder Handelnden im Schweizer Fürsorgebereich ist ein Diskurs der Modernisierung und des Fortschritts, getragen von der Zuversicht: Alles wird immer besser. Neue Methoden sind effizienter, gerechter, menschlicher. Die Absichten sind die wohlmeinendsten.

Diese diskursive Grundstruktur unterscheidet sich nicht von ideologischen Leitmotiven anderer Bereiche. Einzig die Wertkonservativen und in neuerer Zeit die Ökologen sahen und sehen dies im 20. Jahrhundert anders, vielfach mit gutem Grund.

Eine häufige Aussage von Befürsorgten lautet gegenteilig, nämlich: Es ist heute nicht besser als früher, nur anders. Diese Sichtweise spiegelt den Umstand, dass Fürsorgeabhängige immer im unteren gesellschaftlichen Bereich leben, überwiegend den Unterschichten angehören und diese Lage auch nur allzu deutlich erkennen und zu spüren bekommen. So relativ Armut von je nach Ort und Zeit auch definiert ist und erlebt wird: Die zutreffende Wahrnehmung, in ihrer sozialen Umgebung die untersten Ränge einzunehmen, bleibt den Fürsorgeempfängern überall.


Die Kernargumentation der neuen, kritischen Geschichtsschreibung des Fürsorgebereichs lautet gegenüber der Sicht der Armen und Befürsorgten ähnlich optimistisch wie die der damals von oben her Handelnden und Entscheidenden. Auch sie geht davon aus, dass die heutige Fürsorge besser sei als die kritisch dargestellte frühere Praxis, allerdings mit der spezifischen Begründung, weil heute Menschenrechte und Menschenwürde besser gewahrt würden.


Auch ich erzähle die Geschichte so.

Ich denke aber nicht, dass dies ein automatischer und unumkehrbarer Prozess ist, sondern halte den gegenwärtigen Stand der Fürsorgegeschichte in der Schweiz für eine Resultante verschiedener Kräfte, die nur allzu leicht wieder ins Unsolidarische und Repressive abrutschen kann. Das zeigt sich im Fürsorgebereich Asylwesen, insbesondere bei Ausschaffungen, schon heute.





II. Fürsorge als Kontrollmaschinerie:

Bürokratisierung, Aktenführung, Erkundigungsdienst, Fürsorgezentralregister


In Zürich setzte die Modernisierung und Bürokratisierung der Fürsorge mit der Eingemeindung von 1893 ein, die ihrerseits eine Anpassung der politischen Strukturen an das industrielle Wachstum Zürichs war. Einen weiteren Schub der Modernisierung, Bürokratisierung und Verstaatlichung der Fürsorge gab der Erlass und die Einführung des neuen Zivilgesetzbuchs der Schweiz zwischen 1907 und 1912. Das neue Gesetz brachte nach deutschem Vorbild die Berufsvormundschaft, in Zürich Amtsvormundschaft geheissen, in die Schweiz. Die Amtsvormünder sowie die Fürsorgeinspektoren verwalteten nicht mehr einfach eine Armenkasse. Sie verwalteten Fälle, die bald zu einem erheblichen Teil der Bevölkerung anwuchsen, und zwar in bürokratischer Weise und wissenschaftlich abgestützt.


Ein zentrales Element dieser neuen bürokratischen Fürsorgeorganisation war der Erkundigungsdienst, der zwischen 1910 und 1990 vermutlich gegen zweihunderttausend Erkundigungsberichte anfertigte. Sie füllen rund tausend Aktenschachteln. Es war ein eigentliches Spitzelsystem. Ausgehend von Amtsanzeigen oder privaten Denunziationen sammelten die Informatoren des Erkundigungsdiensts von Nachbarn, anonymen Gewährsleuten und Amtsstellen alle möglichen Daten über die ins fürsorgerische Visier genommenen und stellten sie zu jeweils mehrseitigen Berichten zusammen, die intimste Details aus der Privatsphäre und oft auch krasse Abwertungen und Diffamierungen der Ausgeforschten beinhalten. Diesen gegenüber wurden die Berichte und deren Informationsquellen geheim gehalten. Der Erkundigungsdienst wurde ab den 60-er Jahren teilweise umfunktioniert zu einer ebenfalls hinter dem Rücken der Bewerber agierenden Auskunftsstelle betreffend Interessente für städtische Arbeitsplätze, die in den wenigsten Fällen Fürsorgeempfänger waren. Vom Lehrer bis zum Strassenwischer – wer immer als Angestellter der Stadt Zürich eine Stelle suchte, über den zogen die Informatoren des Erkundigungsdienstes des Sozialamts ihre Informationen ein und verarbeiteten sie zu einem personenbezogenen, oft mehrseitigen Erkundigungsbericht. Anlässlich des Staatsschutzskandals des Jahres 1990, in dem bekannt wurde, dass die Polizei in der Schweiz Hunderttausende von Bürgern als angebliche Staatsfeinde überwacht hatte, stellte der Erkundigungsdienst des Sozialamts seine Tätigkeit stillschweigend ein, ohne dass diese bisher aufgearbeitet oder debattiert worden wäre. Die Erkundigungsberichte des Jahres 1990 brechen teilweise mitten im Formular ab.


Als Beispiel für die Erzählweise in den Erkundigungsberichten Auszüge aus einem solchen Bericht über eine Einwohnerin Zürichs. Es ging um die Frage, ob ihr die Kinder weggenommen und an einen Pflegeplatz verbracht werden sollten. Der Erkundigungsbericht datiert vom 3. Februar 1960 und ist bereits der vierhundertsiebenundsiebzigste Erkundigungsbericht dieses Jahres. Es heisst darin:

„Man erklärte da und dort, dass diese Frau in diesem Hause (...) ein Fremdkörper sei (...). Als alleinstehende Frau und Deutsche hat sie besondere Beobachtung seitens ihrer Umgebung auf sich zu nehmen (...). Man beschuldigt sie, gerne und häufig abends auszugehen und die Kinder allein zu lassen.“ Die beiden Söhne waren damals 9 und 11 Jahre alt. „Wo sie sich jeweils aufhält, weiss niemand, doch macht man so Vermutungen, die auf Vergnügungslokale hindeuten.“ Weiter erwähnt der Informator des Erkundigungsdiensts in seinem vierseitigen Bericht, „dass in den letzten Monaten wiederholt Herrenbesuche bei Frau H. beobachtet wurden, teils auch untertags. (...) Der Erkundigungsbeamte verwertet anschliessend Informationen aus den Scheidungsakten der Beobachteten: „Das Bedürfnis der Frau, Beziehungen zum männlichen Geschlecht pflegen zu können, lässt sich auch aus den Scheidungsakten herausschälen.“ Es folgt ein direktes Zitat aus den Scheidungsakten: „Ferner liess sich die Frau im Schlafzimmer in ‚exponierter Haltung’ photografieren.“


Auch aus anderen Erkundigungsberichten geht hervor, dass zahlreiche Amtsstellen den Informatoren des Erkundigungsdiensts ihre Akten, in diesem Fall die Scheidungsakten, anstandslos zugehen liessen, auch wenn sie sehr intime Personendaten enthielten. Der Erkundigungsdienst stand im Aktenaustausch mit zahlreichen anderen Amtsstellen bis hinauf zum Zentralpolizeibüro in Bern.

Ein weiteres Element war das zentrale Fürsorgeregister. Es registrierte alle fürsorgerischen Schritte und insbesondere alle Auszahlungen, die in Interaktion mit den Registrierten je vorgekommen waren. Es ging über die städtische Fürsorge hinaus, weil es einen Datenverbund mit privaten Fürsorgeorganisationen wie der Winterhilfe, der Pro Juventute oder der Fürsorgestelle für Alkoholkranke pflegte. Schon im Jahr 1927 hatte das Zürcher Fürsorgeregister 14 Prozent der Stadtbevölkerung registriert; in den 30er und 40er Jahren stieg dieser Prozentsatz vermutlich noch beträchtlich an. Solche Fürsorgeregister sind auch in andern grösseren Städten mit Amtsvormundschaften eingerichtet worden.


Erkundigungsdienst wie Fürsorgezentralregister waren aber nur Hilfsmittel für die Erstellung der eigentlichen Falldossiers. Diese konnten Hunderte von Aktenstücken umfassen. Das umfangreichste Falldossier, das ich in meine Untersuchung einbezog, dasjenige des Schriftstellers Friedrich Glauser, enthält 1756 Aktenstücke.

Die Aktenführung war eine wichtige und zeitintensive Seite der höheren Fürsorgebeamten; sie beschäftigten dazu eine Vielzahl von Schreibkräften und Kanzleisekretären.


Der andere Teil der Modernisierung der Fürsorge zwischen 1890 und 1970 war ihre zunehmend aufgegliederte Instutionalisierung, verbunden mit einer steten Ausweitung des Besitzes und Unterhalts von zahlreichen Anstaltsgebäuden oft auch ausserhalb der Stadtgrenzen. Doch die eigenen Anstalten der Stadt Zürich reichten für die in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts stark zunehmende Versorgung von Mündeln und administrativ, mit Hilfe spezieller Versorgungsgesetze, in Anstalten Internierten dennoch bei weitem nicht aus, und die städtische Fürsorge platzierte viele ihrer Fälle in privat oder kantonal geführten zürcherischen Anstalten oder in Anstalten anderer Regionen der Schweiz. Wichtig für diese als „geschlossene Fürsorge“ bezeichneten Anstaltseinweisungen waren zum Beispiel das privat geführte Asyl Littenheid im Thurgau. In unmittelbarer eigener Verwaltung hatten die Zürcher Versorger das Knabenheim Selnau, im Gebäude der Amtsvormundschaft selber, wo unter anderem einmal ein Jugendlicher wegen homosexueller Betätigung ein halbes Jahr lang in Einzelhaft gehalten wurde,11 oder die Bürgerstube an der Schipfe, ein entgegen ihrem Namen wenig gemütliches Lokal mit vergitterten Fenstern. Beide Internierungsstätten dienten den Zürcher Fürsorgebehörden auch für den Vollzug disziplinierender Einschliessungen in eigener Kompetenz von einigen Tagen oder Wochen Dauer. Nicht nur der vormundschaftliche, sondern auch der anderweitige Fürsorgebereich war seit 1907 stark an das obrigkeitliche und bevormundende deutsche Vorbild angelehnt. Nadja Ramsauer schreibt dazu: „Diese inhaltliche Orientierung an Deutschland hatte zahlreiche Konsequenzen, denn die fürsorgerische Perspektive richtete sich in der Schweiz anders als in Grossbritannien nicht auf die Zusammenarbeit mit den Fürsorgeempfängern aus, sondern auf die vormundschaftliche Kontrolle.“ 12 Von daher kam auch die Bevorzugung der „geschlossenen Fürsorge“ und die Angst, bei „offener Fürsorge“, d.h. bei Barunterstützung der Fürsorgeabhängigen zwecks Führung eigenständiger Haushalte, die Kontrolle und den angestrebten Erziehungs- und Disziplinierungseinfluss zu verlieren. Indessen förderte die „geschlossene Fürsorge“, aus den immanenten harten geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen des Anstaltslebens heraus eben jener Verrohung und Verwahrlosung, die sie zu bekämpfen vorgab.




III. Medizin, Psychiatrie und Fürsorge in Zürich


Robert Schneider, Amtsvormund der Stadt Zürich, publizierte 1935 einen Artikel mit dem Titel: „Wie sich ein Fürsorger zur Frage der Sterilisation äussert“.13 Schneiders Aufsatz gab „eine kleine Statistik, nach der wir auf der Amtsvormundschaft Zürich seit ihrem Bestehen, d.h. seit 1908, im ganzen rund 60 Fälle von Sterilisationen und 6 Kastrationen zu verzeichnen haben.“ 14

Davon waren mindestens 51 Fälle, also die grosse Mehrheit, Frauen.15

Schneider meinte: „Diese Zahlen sind verschwindend klein im Verhältnis zu den vielen tausend Schützlingen, die wir betreuen oder betreut haben.“ 16 Und er betonte: „Zustimmung des Betreffenden und Zuziehung des Arztes, des Psychiaters ist Voraussetzung in allen Fällen.“17 Die Sterilisationen an Mündeln der Amtsvormundschaft waren überwiegend „eugenisch“ begründet. „Von den drei Indikationen zur Sterilisation kommt für uns nach dieser Zusammenstellung hauptsächlich die eugenische in Frage, während die rein medizinische und die soziale Indikation seltener sind.“18

Schneider befürwortete die Praxis, durch Drohung mit ansonsten lebenslänglicher Einschliessung die „freiwillige“ Operationseinwilligung der Kastrierten und Sterilisierten zu erlangen, als besonders „menschlich“ und zudem kostensparend: „Ist es nicht menschlich, derartige Individuen durch solche Eingriffe wieder der Freiheit zurückzugeben, aus der Anstaltsfürsorge, die für sie eine lebenslängliche gewesen wäre, wieder zu entlassen und dem Staat und der Gemeinde grosse Internierungskosten zu ersparen?“ 19


Robert Schneider führte auch das Dossier von Friedrich Glauser. Weil dieser begabte Schriftsteller Morphinist war, stellte ihn die Zürcher Vormundschaft sein Leben lang unter Eheverbot, hintertrieb die Heirat mit einer Frau, die mit ihm Kinder wollte, wollte ihn mit dem Druckmittel des Eheverbots zur Sterilisation zwingen und behinderte auch die Eheschliessung Glausers mit einer anderen Partnerin jahrelang, obwohl aus dieser Verbindung nach eigenem Bekunden der begutachtenden Psychiater aus nicht geklärten Gründen kein Nachwuchs zu erwarten war.20 Glauser, der mit seinem Roman „Matto regiert“ eine subtile Schilderung der damaligen Psychiatrie schuf, starb unverheiratet.


Zwei Jahre vor seinem Tod schilderte Glauser in einem Brief aus der psychiatrischen Klinik Waldau vom 12. Mai 1936 an Marthe Ringier seinen Amtsvormund Schneider:

„Mein Herr Amtsvormund [...] hat ein wunderbares Bureau, gross, eine ganze Sektion könnte darin kampieren, aber er bewohnt es ganz allein mit einem Diplomatenschreibtisch. (...) Der gute Dr. Schneider ist sehr poetisch veranlagt, er schwärmt mir manchmal vor von äähh.... Abendspaziergängen und wie man in Gottes freier Natur so gute Gedanken bekäme – wenn ich nur ‚Gottes freier Natur‘ höre, werde ich schon bösartig – , und er (...) raucht Stumpen. Wenigstens am Nachmittag. Am Morgen diktiert er nur Briefe.“ 21

Eine ergänzende Schilderung hatte Glauser schon im Brief an seinen Freund Josef Halperin vom 20. März 1936 geliefert:

„Dr. Schneider, ein magerer, spitzer Mann mit einer nasalen Stimme, sehr freundlich, sehr rücksichtsvoll, aber ambivalent wie Kaugummi. Man, das heisst die Behörden, kann ihn ziehen und biegen und formen, er ist immer ihrer Meinung. Soviel ich gemerkt habe, mag er mich nicht ungern, aber er hat eine geradezu panische Angst vor der Verantwortung, vor Komplikationen mit Behörden, er muss, bevor er einen Entschluss fasst, die Vormundschaftsbehörde, seine Kollegen, meinen Vater, kurz alle nur erreichbaren Menschen um Rat fragen, was er nun tun solle, um schliesslich, die Beine übereinandergeschlagen, mit der Rechten den Rücken der auf dem Knie flach aufliegenden linken Hand streichelnd zu erklären, es sei eben doch eine medizinische Frage und er sei nicht kompetent.“ 22


Amtsmündel Glauser hatte damit genau erkannt, was insbesondere seit der Einführung des neuen ZGB nicht nur im Zürcher Fürsorgewesen galt: Die Wissenschaft der Medizin, insbesondere die Psychiatrie, hatte andere Grundhaltungen und Werthaltungen im Sozialbereich weitgehend verdrängt und fungierte fortan, mindestens bis zum Ende des Untersuchungszeitraums, also ungefähr von 1910 bis 1970, als zentrale Entscheidungsgrundlage beim Umgang mit Fürsorgefällen.

So sahen es nicht nur die Fürsorgebehörden, sondern auch die Ärzteschaft.

„Wir Ärzte müssen uns bewusst werden, dass das neue Zivilgesetzbuch [...] ganz spezielles Interesse und Mitarbeit der Ärzte verlangt“. Das schrieb die Ärztin Marguerite Pictet 1912 in ihrer Abhandlung über „die Bedeutung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches für die ärztliche Tätigkeit, speziell für die Fürsorge und indirekte Verbrechen-Prophylaxe“ nicht ohne auch zu betonen, „wie weit das moderne Zivilgesetz sozial-medizinischen Wünschen entgegenkommt“.23 Die „mit den Methoden der soziologischen und biologischen Wissenschaften“ betriebene Fürsorge neuen Stils wertet laut Pictet ihr „Objekt“ „als Glied einer bestimmten Generation. Das Bestreben muss ja dahin gehen, Individuen, die in körperlicher oder geistiger Beziehung verkrüppelt sind, aus dem Fortpflanzungsgeschäft auszuschliessen, um die Rasse allmählich von diesen Unglücklichen, die sie in ihrer gesamten kulturellen Entwicklung hindern, zu entlasten.“ 24


Der neue rassenhygienisch und eugenisch argumentierende Gleichklang von Medizin und Fürsorge lässt sich auch aus den Äusserungen von Paul Pflüger herleiten. Paul Pflüger (1865-1947), Theologe und Stadtrat (Fürsorgewesen 1910-1919, Schulwesen 1919-1923) war die Leitfigur des Übergangs von christlich geprägten Grundhaltungen zur Lehre von Rassenhygiene und Eugenik als Grundlegung der städtischen Sozialpolitik. Pflüger sagte am 11. Oktober 1917: „Ein leuchtendes Ziel steht vor unserem geistigen Auge: das Zukunftsbild einer wie aus Armut und Siechtum, so auch aus geistigem und sittlichem Elend emporgehobenen Menschheit, ein Ideal, das uns schon aus dem Evangelium vertraut ist, als die Verheissung des Gottesreichs auf Erden.“ 25

Der Sozialdemokrat Pflüger baute in seine Vision einer „emporgehobenen Menschheit“ Elemente ein, die nicht in den Evangelien stehen und die er auch von seinen sozialistischen und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen unterscheidet: „Mögen auch sozialistische Forderungen je länger je mehr erfüllt werden, es wird der Armenpflege noch ein nicht geringes Gebiet der Tätigkeit verbleiben. [...] Dies umso mehr, als die Zahl der sozial minderwertigen Menschen keineswegs im Abnehmen, als vielmehr im Zunehmen begriffen zu sein scheint. [...] Wir fassen diese Bestrebungen zusammen unter dem Namen: Soziale Gesundheitspflege. [...] Die wichtigste Aufgabe liegt darin, die Erzeugung sozial, geistig und moralisch minderwertiger Menschen zu verhüten. Das ist Vorbeugung im tiefsten Sinne des Wortes, freilich auch die schwierigste Aufgabe.“ 26

Pflüger orientierte sich direkt am Begründer von Eugenik und Sozialdarwinismus Francis Galton und progagierte die neue Lehre als Einheit von Wissenschaft und Religion: „Die Förderung der Rassenentwicklung und Rassenreinigung bezeichnet Francis Galton als einen Faktor der Religion“, schreibt Pflüger, um ihn anschliessend zustimmend zu zitieren: “Eugenik (=Rassenhygiene) ist ein männlicher Glaube, voll von Hoffnung, der sich an viele der edelsten Gefühle unserer Natur wendet.“ 27


Die Justiz – mit dem Fürsorgewesen immer schon eng verquickt – lieferte die dritte tragende Säule der neuen Lehre und Praxis.

Dies lässt sich unter anderem an zürcherischen Eheverbotspraxis darlegen.


Amtsvormund Schneider interpretierte den Artikel 97 des Zivilgesetzbuchs betreffend Ehehindernisse so: „Dass man Eheunfähige, und das sind nach Art. 97 ZGB alle Geisteskranken und ein erheblicher Teil der Geistesschwachen, der Gefahr unerwünschten Nachwuchses entzieht, dürfte ohne weiteres klar sein. Wenn das Gesetz die Eingehung der Ehe verbietet, so tut es das nicht zuletzt aus dem Grunde, um unerwünschte Nachkommenschaft zu verhindern. Es hat aber keinen Sinn, solchen Menschen lediglich die Eingehung einer Ehe zu verbieten und sie ausserehelich beliebig viele schwache und ungeschützte Kinder in die Welt setzen zu lassen.“ 28


Die zürcherische Praxis der Jahre zwischen 1920 und 1970 bestand darin, gegenüber als „minderwertig“ eingestuften Heiratswilligen Eheeinsprache zu erheben und deren Heirat nur bei Sterilisation oder Kastration zu gestatten. Es waren, neben anderen Instanzen, nicht zuletzt die Leiter der psychiatrischen Kliniken, welche die zuständige Behörde darüber informierten, wessen Ehe aus „eugenischen“ Gründen zu verhindern respektive welche Heiratswilligen zuvor unfruchtbar zu machen seien. Bei diesem Vorgehen war das Konkubinatsverbot zentral, weil somit das Eheverbot auch ein Verbot des Zusammenlebens überhaupt bedeutete. Das Zürcher Konkubinatsverbot konnte bei Nichtbefolgung des vom Statthalteramt auferlegten Trennungsbefehls strafrechtlich als „Ungehorsam“ verfolgt werden. Im Gefolge der sexuellen Liberalisierung der 60er-Jahre wurde aber das freie Zusammenleben von Geschlechtspartnern üblich. Das Konkubinatsverbot konnte nicht mehr durchgesetzt werden. Das machte auch die Zürcher Eheverbotspraxis hinfällig. Umgekehrt zeigt sich der Zusammenhang von Eheverbot und Konkubinatsverbot bereits beim ersten Eheverbotsfall, der vor Bundesgericht abgehandelt wurde.


Es ging um den Fall A.B., einen gelernten Schneider aus Dizy im Kanton Waadt, der sich mittels Kartenlegen und Hellsehen nicht ohne Erfolge als Wahrsager und Helfer beim Suchen vermisster Gegenstände und Menschen betätigte. Der Hellseher kam zwischen 1895 und 1900 dreimal in die Irrenanstalt Céry bei Lausanne. Seine Heirat mit der Ausländerin C. Z. war von den Behörden zuerst wegen Epilepsie der Braut verweigert worden, bei einem zweiten Anlauf wegen der in Cery erstellten Diagnosen „Hysterie“ und „Schwachsinn“ des Bräutigams. Die Brautleute bekamen am 19. Januar 1922 ein uneheliches Kind und appellierten ans Bundesgericht gegen ein über sie verhängtes Eheverbot. Sie wollten ihr gemeinsames Kind als ehelich anerkannt sehen. Das Bundesgericht akzeptierte mit seinem Entscheid vom 11. April 1922 unter Referierung der ärztlichen Begründungen für diesen Teil von Art. 97 ZGB dessen „rassenhygienische“ Absicht betreffend „ la santé psychique de la race“. 29 Die „eugenische“ Ausrichtung dieses Gesetzesartikels betonte auch der Kommentator des Zivilrechts A. Egger, Universitätsprofessor in Zürich: „Das Gesetz hat sich damit ein Postulat der Eugenik zu eigen gemacht.“ 30


Das Bundesgericht befand den Wahrsager als „konstitutionell“ und somit erblich geisteskrank.31 Indem das Bundesgericht dem Paar die Ehe untersagte, verhinderte es aber keineswegs ihr Zusammenleben und ihre Möglichkeit, weitere Kinder zu bekommen, da im Waadtland kein Konkubinatsverbot bestand. Jedoch belastete das Bundesgericht das erste und mögliche weitere Kinder des Paares mit dem damals schwer wiegenden Stigma „unehelich“.32


Während in den Folgejahren der Kanton Waadt die Lücke zwischen der Eheverbotsgesetzgebung gemäss ZGB und dessen Absicht der Verhinderung „minderwertigen Nachwuchses“ durch sein Zwangssterilisationsgesetz schloss, ging die Stadt Zürich mit seiner restriktiven eugenischen Eheverbotspraxis einen anderen Weg.

Die bei der lokalen Zürcher Eheverbotspraxis aktiven Instanzen, vor allem das Zivilstandsamt, der juristische Sekretär des Fürsorgewesens, der jeweilige Stadtpräsident und dessen Sekretariat, liessen Ehen von „Geisteskranken“ und „erblich Belasteten“ zwar zu, verbanden sie aber mit dem Sterilisationszwang. Der Zwangscharakter dieser Sterilisationen liegt darin, dass die Betroffenen in Zürich vor folgende Alternative gestellt wurden: Entweder Heirat und kinderlose Partnerschaft nach Sterilisation oder aber, wegen des Konkubinatsverbots, Verzicht auf Ehe und Zusammenleben.


Eine zentrale Rolle bei der Durchführung dieser Eheverbotspolitik spielte der juristische Sekretär des Waisenamts, Ludwig Wille, der von 1919 bis 1946 neben den Unterhaltsprozessen für uneheliche Mündel auch die Eheeinspracheprozesse führte.33


Aus einer Statistik des Berner Armensekretärs und „Eugenikers“ Rudolf von Dach geht hervor, dass Zürich mit der Androhung des Eheverbots gegen „erblich Minderwertige“ eine im Vergleich zu andern Regionen der Schweiz hohe Zahl von Eheverhinderungen respektive mit der Drohung des Eheverbots erzwungene Sterilisationen oder Kastrationen erreichte, „sind doch in den Jahren 1912 bis 1939 in Luzern bloss 28, in Basel 27, in Zürich 144, in Bern 3 und in St.Gallen auch nur drei derartige Einsprachen gemacht worden“.34


Bis 1936 zählte Amtsvormund Schneider rund 66 Sterilisationen und Kastrationen im Vormundschaftsbereich. Sie wurden meist dadurch erzwungen, dass die Betroffenen vor die Alternative Dauerinternierung oder Unfruchtbarmachung gestellt wurden. Hinzu kommen bis 1939 noch etwas über hundert Sterilisationen und Kastrationen, die dadurch erzwungen wurden, dass die Behörden die Betroffenen vor die Alternative Eheverbot oder Unfruchtbarmachung stellten. Die Kurve dieser Fälle stieg in den 40-Jahren nochmals an. In den 50-er und 60-er Jahren bleibt die Fallzahl trotz sinkender Tendenz immer noch recht hoch.


Hinz kommt, dass es andere statistische Aufstellungen zu Unfruchtbarmachungen gibt, aus denen der Schluss zu ziehen ist, dass die fürsorgerisch-justiziarisch-medizinischen Weichenstellungen unter dem Vorzeichen der Eugenik im Kanton Zürich zu Sterilisationen im Zahlenbereich nicht von Hunderten, sondern von Tausenden von Betroffenen geführt haben.


Der Nachfolger von August Forel und Eugen Bleuler als Burghölzli-Direktor, Hans Maier, hatte im Rahmen der Vernetzung zwischen Fürsorge und Psychiatrie, die vor allem auch über die von ihm gegründete Psychiatrische Poliklinik Zürich lief, beinflusst von seiner Tätigkeit bei der militärischen Musterung, bei der es um die Tauglichkeit oder Untauglichkeit zum Militärdienst ging, Begutachtungsabläufe institutionalisiert, bei denen es um die „Ehefähigkeit“ hauptsächlich von Frauen und um die „Schwangerschaftsfähigkeit“ ausschliesslich von Frauen ging. Im Rahmen solcher Abklärungen, welche neben den staatlichen Fürsorgebehörden auch Zivilstandsämter, private Fürsorgeinstitutionen, Ärzte von staatlichen und privaten Anstalten und Kliniken, Bezirksärzte, Stadt- und Kantonsärzte, aber auch Privatärzte einleiten konnten, kam es sehr häufig zu Sterilisationen. Ein auch zahlenmässig stark ins Gewicht fallendes Muster war dabei die Abklärung der „Schwangerschaftsfähigkeit“ unverheirateter Schwangerer. Diese gingen oft zur Fürsorge, um ihre Schwängerer zur vielfach leichtfertig oder lügenhaft versprochenen Ehe zu drängen oder gerichtlich zu Unterhaltszahlungen zu verpflichten. In vielen Fällen war die Schwangerschaft ungewollt, und die Schwangeren versuchten, die Schwangerschaft auf legalem Weg durch qualifizierte Medizinpersonen abzubrechen. Diese Frauen wurden psychiatrisch begutachtet. Quellen und Literatur überliefern, dass diese Schwangerschaftsgutachten viele Frauen vor die Alternative stellte: Schwangerschaftsabbruch nur bei Einwilligung in die Sterilisation.


Mit der Sterilisation sollten sowohl weiterer „erblich minderwertiger“ Nachwuchs wie auch weitere Schwangerschaftsabbrüche verhindert werden.


Wurde die Begutachtete aber als „schwangerschaftsfähig“ erklärt, so wurde dieser Befund oft mit der dann meist auch ausgeführten Empfehlung kombiniert, die Entbundene unmittelbar nach der Geburt gleich einer Steriliationsoperation zu unterziehen. Die dadurch meist extrem geschwächten Frauen erhielten dafür in vielen Fällen von Fürsorgeinstanzen, etwa der Spitalfürsorge, einen Erholungsurlaub zugesprochen. Die Kinder der so behandelten Frauen wurden häufig zur Adoption freigegeben.


Das Verfahren, diesen Frauen unmittelbar nach der Geburt gleich auch noch die Eileiter zu unterbinden, hatte in Zürich als erster der Gynäkologe an der Schweizerischen Pflegerinnenschule, Alfred Reist, praktiziert. 35 Reist propagierte unter Berufung auf Hans Wolfgang Maier die ärztlicherseits „eugenisch“ indizierte Sterilisation ohne gesetzliche Regelung als Kampf gegen die „Verseuchung“ durch „Minderwertige“:

„Nach Prof. Maier finden wir [...], dass beispielsweise im Kanton Zürich von 650000 Einwohnern ungefähr 3000 Geisteskranke in Anstalten untergebracht sind und gut zehnmal so viel noch frei in der Bevölkerung leben. Diese grosse Zahl stellt für die übrige Bevölkerung nicht nur eine kolossale Last dar, sondern bedeutet, da ein grosser Teil dieser sichtbar mit erblichen Geisteskrankheiten Belasteten auch wieder Nachkommen hat, eine Gefahr der weitergehenden Verseuchung der erbgesunden Bevölkerung mit krankhaften Erbanlagen. Es kommt noch hinzu, dass ein grosser Prozentsatz dieser Nachkommen auch sonst minderwertige, lebensuntüchtige, asoziale Glieder der Menschheit werden. Das gleiche gilt auch von den Gewohnheitstrinkern, Gewohnheitsverbrechern, Sittlichkeitsverbrechern, Dirnen, Zwangs- und Fürsorgezöglingen etc., die alle durch ihr Verhalten ihre schwere psychopathische Konstitution dokumentieren. “ 36


Reist lobte die Zürcher Praxis:

„In der Schweiz und speziell im Kanton Zürich werden seit langer Zeit unbeanstandet Sterilisationsoperationen aus eugenischen Gründen beim Manne und bei der Frau vorgenommen. (...) Zwischen den ärztlichen Instanzen und den Behörden hat sich auf diese Weise auf dem Gebiete der Sterilisationsoperationen aus eugenischen Gründen eine freiwillige Zusammenarbeit entwickelt, welche Prof. H. W. Maier, der derzeitige Direktor der Psychiatrischen Klinik in Zürich, der sich seit Jahren in verdienstvollster Weise mit dem Sterilisationsproblem und seiner Beziehung zur Gesetzgebung befasst, für besser hält als eine Regelung durch gesetzliche Vorschriften“.37


Vor diesem Hintergrund sind die Zahlenreihen zu verstehen, auf die ich im folgenden verweise. Es geht daraus des weiteren noch hervor, dass die an der Poliklinik Tätigen, ebenso wie andere Medizinpersonen, auch direkte Sterilisationsgutachten erstellten.


Zahlen zu den Schwangerschafts- und Sterilisationsgutachten der psychiatrischen Poliklinik Zürich von 1929 bis 1931 liefert Hans Wolfgang Maier. 1929 empfahlen die Gutachter 221 Sterilisationen, sämtliche an Frauen, 1930 waren es 236, davon 6 an Männern, 1931 empfahl die Poliklinik 243 Sterilisationen, davon 8 an Männern. In diesen 3 Jahren waren es also genau 700 Sterilisationsempfehlungen bei insgesamt 1484 Begutachteten, also 47 Prozent.38


Einen weiteren Hinweis zur Grössenordnung der Zahl von Sterilisationen in Zürich gibt die Arbeit von Adolf Zolliker, damals Arzt an der Epilepsie-Klinik, später Direktor der psychiatrischen Klinik Münsterlingen im Thurgau, in seiner Arbeit über 1500 weitere psychiatrische Begutachtungen der Schwangerschaftsfähigkeit durch die psychiatrische Poliklinik Zürich in den Jahren 1933 und 1934.


Zolliker weist zusätzlich darauf hin, dass im Kanton Zürich jeder Arzt, auch privat praktizierende Mediziner, eine Sterilisation oder Kastration empfehlen und jeder Chirurg respektive Radiologe Unfruchtbarmachungen durchführen konnte, was die Zählung aller Sterilisationen nicht einfacher machen wird:

„Die Ausführung der Sterilisation oder der Kastration ist im Kanton Zürich gesetzlich nicht geregelt (...), jeder Arzt kann eine Sterilisation resp. Kastration empfehlen und der ausführende Gynäkologe, resp. Radiologe entscheidet von sich aus über die Notwendigkeit des Eingriffes. Er kann diesen auch ohne Zuziehung eines Konsilarius nach seinem eigenen Gutdünken ausführen.“ 39


Zolliker beschränkt sich auf die von der psychiatrischen Poliklinik Zürich begutachteten Fälle; neben den überhaupt nicht begutachteten Fällen gab es auch noch andere Gutachter, zudem berücksichtigt Zolliker nur die Unfruchtbarmachungen von Frauen.

„1933 wurden 748 und 1934 752, zusammen 1500 verheiratete und unverheiratete Frauen auf der psychiatrischen Poliklinik entweder mit der Frage, ob es sich nervenärztlich rechtfertige, eine bestehende Schwangerschaft mit oder ohne gleichzeitige Sterilisation zu unterbrechen, oder ob bei Nichtgraviden die Notwendigkeit einer Sterilisation bestehe, oder ob zum mindesten keine Kontraindikation gegen eine solche vorliege.“ 40

Der Anteil der bei einer Abtreibung gleichzeitig Sterilisierten war steigend. Für die Verheirateten, die im Jahr 1933 begutachtet wurden, insgesamt 395 Frauen, gibt Zolliker an: „Sterilisation, resp. Kastration empfohlen 247 = 67%“.41

Der Ausgang der Begutachtung hing wesentlich von der Diagnose ab. Ziel war die Sicherung „gesunden“ und die Ausschaltung „kranken“ Nachwuchses. Lage und Wünsche der Frauen wurden weitgehend und bewusst übergangen.

„Gesunde wurden nie unterbrochen, Schizophrene immer, ausgesprochen Imbezille fast immer“.42

Bei den „Imbezillen“ komme hinzu, „dass es sich in überwiegender Zahl um hereditäre Formen des Schwachsinnes handelt, und dass meist auch die Schwängerer psyschisch abnorm sind, so dass zu allem hinzu für die zu erwartende Frucht noch eine schlechte Erbmasse kommt. Es ist einfach unsinnig, dass eine hereditäre Idiotin, die an irgend einem Strassenrand geschwängert wurde, nun wieder die Gesellschaft mit einem neuen Idioten belastet.“ 43

Die Diagnose war wichtiger als die Kinderzahl: „Es wurde auch bei Nulliparae unterbrochen und sogar sterilisiert; diagnostisch handelt es sich hier aber ohne Ausnahme um schwere Schwachsinnige, Schizophrene oder Epileptiker. Im Gegensatz dazu wurde der Abort aber auch abgelehnt, wenn die Frau selbst 8 Kinder hatte und dabei gesund erschien.“ 44

Bezogen auf die Ledigen des Jahrs 1933 sagt Zolliker: „Bei Schizophrenen ergab sich die Schwierigkeit, dass sie sich unter Umständen gar nicht interrrumpieren lassen wollten, oder zumindest die Sterilisation strikte ablehnten. Bei den Imbezillen und Organikern dagegen war es in allen Fällen möglich, eine Sterilisation durchzuführen.“ 45

1934 wurde aber, was einen Hinweis zur „Freiwilligkeit“ gibt, bei allen als „schizophren“ diagnostizierten ledigen Schwangeren abgetrieben und sterilisiert: „Bei den Schizophrenen und Organikern wurden alle Schwangerschaften unterbrochen; bei den ersteren immer mit gleichzeitiger Sterilisation.“ 46 Zur sozialen Lage dieser Gruppe (Ledige 1934) schreibt Zolliker: “Die Dienstmädchen überwiegen stark, an zweiter Stelle stehen die Haustöchter, ihnen folgen auf dem Fusse Bürolistinnen, Verkäuferinnen, Fabrikarbeiterinnen und Serviertöchter.“ 47


Zur Zahl der Gutachten, die zu Sterilisationen führen konnten, welche die psychiatrische Poliklinik Zürich in der Zeit ihres Leiters Alfred Glaus erstellte, sagt Manfred Bleuler, Burghölzli-Direktor von 1942 bis 1970: „Die Poliklinik gab allein in den Jahren 1932 bis 1957 12‘538 Gutachten über die Schwangerschaftsfähigkeit ab, dazu viele Gutachten über psychiatrische Indikation zur Sterilisation.“ 48


Die Zahl der in Zürich durchgeführten Sterilisationen liegt somit bei weitem höher als die 66 Fälle der Amtsvormundschaft, die Schneider bis 1935 nannte und die in der Literatur mitunter als Gesamtzahl für den Kanton Zürich angegeben wird.49


Bei grober Hochrechnung der Angaben von Hans Wolfgang Maier, Adolf Zolliker und Manfred Bleuler, die sich auch durch weitere Zahlenreihen, etwa für die Kliniken in Winterthur, ergänzen lassen, ergibt sich für den ganzen Untersuchungszeitraum, dass im Kanton Zürich zwischen 1892 und 1970 Tausende von Frauen und eine weit kleinere, aber auch nicht zu vernachlässigende Anzahl von Männern unfruchtbar gemacht worden sind. Davon wurde ein grosser Teil aus den geschilderten Zwangslagen heraus sterilisiert und kastriert. Bei einem beachtlichen Teil dieser Operationen spielten „eugenische“ Überlegungen mit.


Die ohnedies schwierige Abschätzung der Zahl von Sterilisationen und Kastrationen im Untersuchungsbereich dieser Arbeit wird noch zusätzlich dadurch erschwert, dass in Zürich auch Sterilisationen ohne Wissen der Betroffenen und unter Angabe falscher Diagnosen durchgeführt wurden. Dies geht aus einem Brief des Vorstehers des Amts für Sozialversicherung betreffend Kostenübernahme für Sterilisationen durch die Krankenkassen vom 20. August 1948 hervor. Er schreibt, „dass wenn bisher einzelne Vertragskassen die Sterilisationskosten übernommen haben, das darauf zurückzuführen ist, dass aus der ärztlichen Diagnose im Krankenschein der wahre Sachverhalt vermutlich nicht ersichtlich war.“ 50


In zwei der von mir dokumentierten Fallgeschichten wird zudem in den Akten die Frage erhoben, inwieweit sich die Betroffene im Klaren war, dass die an ihr vorgenommene Operation ihre Kinderlosigkeit zur Folge hatte, was im einen Fall die Betroffene selber, im anderen Fall, die nach der Sterilisation auch noch leukotomisiert wurde, deren Mann bestreitet.


Zu den oben zitierten Zahlenreihen kommt also noch eine Dunkelziffer falsch deklarierter oder ohne klare Information der Betroffenen vorgenommener Sterilisationen hinzu.


Zur Konkretisierung und Ergänzung des Ausgeführten lasse ich hier noch folgende zwei Fallgeschichten aus meinem Bericht 51 folgen:


Fallgeschichte Maria Theresia Katharina A.

Die 23-jährige Tänzerin Maria Theresia Katharina A. aus St. Antoine im Kanton Freiburg hatte nach der Geburt ihres zweiten Kindes psychische Probleme, die sie am 20. Juli 1945 ins Burghölzli brachten. Der Vater der gemeinsamen Kinder, ein Artist aus dem Iran, sagte im Eheeinspracheprozess am 15. Oktober 1946 vor Bezirksgericht als „Beklagter 1“ Folgendes: „Es ist bei uns alles in Ordnung, es stimmt auch nicht, dass meine Braut krank ist. Wir haben heute 2 Kinder und wollen heiraten, auch meine Verdienstverhältnisse gehen in Ordnung, ich verdiene meinen Lebensunterhalt als Artist und trete mit meiner Partnerin, der Beklagten 2, in allen bekannten Lokalen auf, in Zürich, Lugano, Bern usw. Ich füge noch bei, dass ich fast alle Tage meine Braut im Burghölzli besucht habe, man sagte mir aber nicht, was ihr fehle, offenbar wusste man es dort selber nicht. Die Krankheit meiner Braut hing lediglich mit der Geburt zusammen und sonst ist sie absolut gesund.“

Der Iraner erreichte zusammen mit dem Vater der Tänzerin, dass seine Partnerin nach 17 Tagen im Burghölzli „ungeheilt entlassen“ wurde. Sie kam in die Klinik Marsens im Heimatkanton, „wo sie ihrem geistigen Zustand entsprechend durchbehandelt wurde, so dass sie nach drei Monaten wieder ihrem Vater zurückgegeben werden konnte“.

Betreffs Ehefähigkeit erstellten nach Eheeinsprache der Stadt eine Assistenzärztin und der leitende Arzt Alfred Glaus von der psychiatrischen Poliklinik am 5. April 1947 ein Gutachten, für welches die Beklagten eine Barkaution von Fr. 150.- hinterlegen mussten. Laut Gutachten „besteht noch ein leichter schizophrener Defektzustand“, obwohl die „Explorandin imponiert als  wenigstens in sozialer Hinsicht geheilt“.

Wegen Rückfallsgefahr bei weiteren Geburten, aber auch zur Verhinderung weiterer „erblich belasteter Nachkommen“ empfahlen die Experten Sterilisation. Sie schrieben: „In Sippen Schizophrener sind Schizophrenien und charakterlich Abnorme viel häufiger als im Durchschnitt der Bevölkerung. [...] Der Gefahr der Erzeugung von erblich belasteten Nachkommen könnte am wirksamsten durch Sterilisation der Explorandin begegnet werden“. Die Tänzerin lehnte die Operation ab, „entgegen allen augenscheinlichen Vernunftgründen“, was das Bezirksgericht zur Bestellung eines Ergänzungsgutachtens durch dasselbe Expertenteam veranlasste.

„Die psychischen Grundfunktionen [...] erwiesen sich als ungestört“, schreiben die Gutachter, „Wahnideen oder Sinnestäuschungen liessen sich bei der Expl. nicht eruieren“.

Die Untersuchte blieb freundlich, einzig „ihr Lächeln wirkte etwas automatisch“.

Die Psychiater konnten die Artistin nicht überzeugen. „Sie dankte lächelnd und erklärte alles gut verstanden zu haben. Sie sehe schon ein, dass es vernünftig wäre, in die Sterilisation einzuwilligen, allein sie könne nicht gegen sich selber, gegen ihr eigenes Ich vorgehen. Aufgefordert, nun doch einmal ganz ohne Rückhalt ihre Argumente gegen die Sterilisation vorzubringen, zuckte die Expl. lächelnd die Achseln. Sie habe eben schon viel mit Ärzten und Spital zu tun gehabt, so dass sie gegen beides eine Abneigung habe. Ein weiteres Argument war, dass sie ihre Heirat nicht mit etwas bezahlen wolle, das im Allgemeinen nicht üblich sei“.52



Fallgeschichte Elsa Meta F.

„Hier in Zürich werden über die Frau keine Klagen laut.“

Als sie am 12. Mai 1936 mittellos ins Kantonsspital kam, wurde Elsa Meta F. der Stadtzürcher Fürsorge gemeldet. Da sie papierlos war und auch im Fürsorgezentralregister nicht figurierte, sammelte Informator Maag am 26. Mai im Erkundigungsbericht Nr. 6380 des Jahres 1936 die biografischen Eckdaten der Zürcherin:

„H., gesch. F. Elsa Meta, geb. 1912, von M., Waadt, als ledig von Zürich, ref., cop. 1931, gesch. 1936 [...], Ehemann: F. Fernand Louis, geb. 1910, von M., Elektromonteur, ref., angeblich in O. Kinder: Fernand Willy, geb. 1931, Denise Meta, geb.1932, wohnhaft gewesen Molkenstrasse 6, Heilsarmee, z.Zt. im Kantonsspital. [...]

Die Eheleute F.-H., welche während ihrer Ehe in Oberengstringen Niederlassung hatten, mussten seit 1933 wiederholt armenrechtlich unterstützt werden. F. hatte langdauernde Arbeitslosigkeit aufzuweisen, ferner hielt sich Frau F. im Jahre 1933 längere Zeit in der Dermat. Klinik und in der Frauenklinik (Schwangerschaftsunterbrechung und Sterilisation) auf. Am 30. August 1934 beschloss der Regierungsrat des Kt. Zürich die Heimschaffung und armenrechtliche Wegweisung der Familie. Vom Vollzug wurde abgesehen, da die Gemeinde M. für sämtliche Kosten Gutsprache leistete.

Im Januar 1936 sprach das Bezirksgericht Zürich die Scheidung der Eheleute F., welche vom Manne verlangt wurde, wegen total zerrütteter Verhältnisse aus. Die Hauptschuld fiel auf die Ehefrau, welche sich als unfähig erwiesen habe, einer Familie vorzustehen. Elsa H. leidet lt. einem Zeugnis von Dr. Sigg vom Jahre 1927 an angeborenem Schwachsinn. Sie entstamme aus einem völlig verwahrlosten Milieu. Schon vor und während der Pubertät machte sie sich sex. Verfehlungen schuldig, die nur mit ihrer angeborenen geistigen Debilität erklärt werden konnten. In den Jahren 1927 - 1930 war sie durch die Jugendanwaltschaft Zürich, wo sie wegen eines geringfügigen Delikts eingeklagt war, in Wangen b. Zürich versorgt. [...] Die Kinder, [...] welche sich seit Januar im Kinderheim Paradiesli in Mettmenstetten befanden, [...] wurden von Fernand F. ins Welschland geholt. Wo sie sich z.Zt. aufhalten, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.“

Nach der Scheidung arbeitete Frau H. an verschiedenen Stellen, anfangs im Service mit Kost und Logis, später, vom Heilsarmeeheim aus, als Jätfrau in einer Gärtnerei. Informator Maag schreibt weiter:

„Hier in Zürich werden über die Frau keine Klagen laut. Sie habe sich anständig geführt und sich an ihren Arbeitsorten, wenn auch nicht als gross leistungsfähig, so doch als willig gezeigt. Elsa H. ist heute total mittellos u. zahlungsunfähig. Gegen Krankheit ist sie nicht versichert. Fürsorgezentralregister: Kein Eintrag. Frau H. gesch. F. berichtet, seit der Scheidung keine Schriften zu besitzen. Deshalb habe sie sich seither auch nirgends angemeldet.“

Als weitere Fürsorgemassnahme für die von Anstaltseinweisung, Sterilisation, Scheidung und Kindswegnahme Betroffene und nun völlig Vereinsamte und Verarmte steht im „Abhörbogen“ nur: „Übernahme der Pflegekosten im Kantonsspital“. Weitere Massnahmen hätten allerdings wohl die erneute Trennung der Kinder auch vom Vater bedeutet.53


1 Thomas Huonker: Fahrendes Volk – verfolgt und verfemt. Jenische Lebensläufe. Zürich 1987

2 Hansjörg Roth: Jenisches Wörterbuch. Aus dem Sprachschatz Jenischer in der Schweiz. Frauenfeld 2001

3 Thomas Huonker, Regula Ludi: Roma, Sinti, Jenische. Schweizerische Zigeunerpolitik zur Zeit des Nationalsozialismus. Zürich 2001

4 Walter Leimgruber, Thomas Meier, Roger Sablonier: Das „Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse“. Bern 1998

5Das nationale Forschungsprogramm 51des Nationalfonds, das vom Bundesrat laut dessen Pressecommuniqué vom 1.12.2000 insbesondere auch der Bewusstmachung und künftigen Vermeidung von Ausgrenzungsmechanismen gegenüber Roma, Sinti und Jenischen dienen soll.

6 Willi Wottreng: Hirnriss. Wie die Irrenärzte August Forel und Eugen Bleuler das Menschengeschlecht retten wollten. Zürich 1999

7Thomas Huonker: Anstaltseinweisungen, Kindswegnahmen, Eheverbote, Sterilisationen, Kastrationen. Fürsorge, Zwangsmassnahmen, „Eugenik“ und Psychiatrie in Zürich 1890 bis 1970.Vorwort Monika Stocker. Zürich 2002. Der Bericht kann beim Zürcher Sozialdepartement bestellt werden. Eine erweiterte und illustrierte Fassung davon erscheint 2003 im Verlag Orell Füssli: Thomas Huonker: Diagnose: „moralisch defekt“. Kastration, Sterilisation und Rassenhygiene im Dienst der Schweizer Sozialpolitik. Zürich 1903

8 David F.Crew: Germans on Welfare. From Weimar to Hitler. New York, 1998, S.3ff. Zur Begründung narrativer Methodik in der Geschichtswissenschaft vgl. Arthur C. Danto: Analytische Philosophie der Geschichte. Frankfurt a.M. 1974

9 Hiezu eine – unvollständige – Titelliste. Marc Rufer: Irrsinn Psychiatrie. Bern 1988; Elisabeth Joris, Heidi Witzig: Brave Frauen, aufmüpfige Weiber. Wie sich die Industrialisierung auf Alltag und Lebenszusammenhänge von Frauen auswirkte (1820-1940). Zürich 1992; Anna Gossenreiter: Psychopathinnen und Schwachsinnige. Eugenischer Diskurs in Psychiatrie und Fürsorge: Die Sterilisation von weiblichen Mündeln der Vormundschaftsbehörde Zürich 1918-1933. Lizentiatsarbeit am historischen Seminar. Zürich 1992; Liz Horowitz: „Aus einem harten Stein können Sie nie ein Butterwegglein machen.“ „Lasterhafter Lebenswandel“ als Entmündigungsgrund bei Frauen in den 1920er Jahren in Zürich. Lizentiatsarbeit am historischen Seminar. Zürich 1992; Antoinette Killias: Die Entmündigung von Trunksüchtigen in den 1920er Jahren. Eine geschlechterspezifische Untersuchung anhand von Vormundschaftsakten der Stadt Zürich. Lizentiatsarbeit am historischen Seminar. Zürich 1993; Annemarie Ryter: Als Weibsbild bevogtet. Zum Alltag von Frauen im 19.Jahrhundert. Liestal 1994; Markus Zürcher: Unterbrochene Tradition. Die Anfänge der Soziologie in Zürich. Zürich 1995; Christoph Keller: Der Schädelvermesser. Otto Schlaginhaufen – Anthropologe und Rassenhygieniker. Eine biographische Reportage. Zürich 1995; Alex Schwank: Der rassenhygienische (bzw. eugenische) Diskurs in der schweizerischen Medizin des 20. Jahrhunderts. In: Weigel, Sigrid/Erdle Birgit (Hg.): Fünfzig Jahre danach. Zur Nachgeschichte des Nationalsozialismus. Zürich 1996, S.461-482; Zürcher 1995,Tradition; Urs Aeschbacher : Psychiatrie und „Rassenhygiene“. In: Mattioli, Aram (Hg.): Antisemitismus in der Schweiz 1848-1960, S.279-304; Nadja Ramsauer, Thomas Meier: Blinder Fleck im Sozialstaat. Eugenik in der Deutschschweiz 1930-1950. In: Traverse, Jahrgang 2, 1995, S.117-121; Regina Wecker: Frauenkörper, Volkskörper, Staatskörper. Zu Eugenik und Politik in der Schweiz. In: Itinera 1998, Jahrgang 20, S.209-226; Regina Wecker: „Liederlich“. Eugenik, Sexualität und Geschlecht. In: Itinera 1999, Jahrgang 21, S.272-273; Béatrice Ziegler: Frauen zwischen sozialer und eugenischer Indikation. Abtreibung und Sterilisation in Bern. In: Geschlecht hat Methode. Beiträge der 9. Schweizerischen Historikerinnentagung 1998 in Bern. Zürich 1999; Roswitha Dubach: Die Verhütung „minderwertiger“ Nachkommen über den Zugriff auf den Frauenkörper. Sterilisationsdiskurs und -praxis in der Deutschschweiz bis 1945. Lizentiatsarbeit am historischen Seminar Zürich, Zürich 1999; Roswitha Dubach: Die Sterilisation als Mittel zur Verhütung „minderwertiger“ Nachkommen (Ende 19. Jh. bis 1945). In: Schweizerische Ärztezeitung, Jg. 82/2001, Nr. 3, S.81-85; Brigitte Kramer: Wie Arme zu Kranken werden. Die Einführung des Eheverbotsartikels im Schweizerischen Zivilgesetzbuch 1907 und seine Anwendung in der Zürcher Gerichtspraxis 1912-1938. Lizentiatsarbeit am historischen Seminar. Zürich 1999; Annette Eldevik: „Und wenn ich ein Kind habe, deretwegen bin ich noch kein schlechter Mensch“. Ledige Mütter und das Vormundschaftswesen in der Stadt Zürich zwischen 1890 und 1908. Lizentiatsarbeit am historischen Seminar. Zürich 2001

10 Vgl. Helga Kuhse, Peter Singer : Euthanasia: a survey of nurses‘s attitudes and practices. In: Australian Nurses Journal, Nr.21, März 1992, S.21-22; Helga Kuhse, Peter Singer: Should the Baby Live? The Problem of Handicapped Infants. Oxford 1985; Helga Kuhse, Peter Singer (Hg.): Bioethics. London 2000. Vgl. dagegen Jürgen Habermas : Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik? Frankfurt a.M. 2001

11 Huonker 2002, Anstaltseinweisungen, Fallgeschichte von Ferdinand H.

12 Nadja Ramsauer: Verwahrlost. Kindswegnahmen und die Entstehung der Jugendfürsorge im schweizerischen Sozialstaat 1900-1945. Zürich 2000, S.159

13 Robert Schneider: Wie sich ein Fürsorger zur Frage der Sterilisation äussert. In: Schweizerische Zeitschrift für Gemeinnützigkeit, Jahrgang 74, Zürich 1935, S.3-10

14 Schneider 1935, Sterilisation, S.4

15 Schneider 1935, Sterilisation, S.5

16 Schneider 1935, Sterilisation, S.4

17 Schneider 1935, Sterilisation, S.5

18 Schneider 1935, Sterilisation, S.6

19 Schneider 1935, Sterilisation, S.8

20 Den eugenischen Aspekt der Bevormundung des Schriftstellers rückte ich ins Zentrum der Fallgeschichte von Friedrich Glauser in meinem Bericht. Vgl. dazu auch: Gerhard Saner: Friedrich Glauser, Eine Biografie. 2 Bde. Zürich 1981

21 Glauser 1991, Briefe, Bd.II, S.299

22 Glauser 1991, Briefe, Bd.II. S.202

23 Marguerite Pictet: Die Bedeutung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches für die ärztliche Tätigkeit, speziell für die Fürsorge und indirekte Verbrechen-Prophylaxe. Zürich o.J. (1912)S.5

24 Pictet 1912, Bedeutung, S.9

25 Paul Pflüger: Die Zusammenhänge des Armenwesens und der Armenpflege mit Sozialgesetzgebung und Sozialpolitik. In: Erster Instruktionskurs für Armenpfleger, veranstaltet von der Armen- und Anstaltenkommission der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft und der Schweizerischen Armenpfleger-Konferenz in Zürich vom 8.-11. Oktober 1917. Zürich 1918, S.127-134

Pflüger 1917, Zusammenhänge, S.134

26 Pflüger 1917, Zusammenhänge, S.132 ff.

27 Paul Pflüger: Moderner Glaube. Separatdruck o.J. S.571 f.

28 Schneider 1935, Sterilisation, S.6

29 Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts. Amtliche Sammlung. Lausanne 1922, S.180f.

30 August Egger: Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Bd. II: Das Familienrecht, 2. Aufl. Zürich 1936, S.45

31 Bundesgericht 1922, Entscheidungen, S.181

32 Vgl. Rosalia Wenger: Rosalia G., ein Leben. Bern 1978, S.14f, S.155

33 Vgl. Stadtratsprotokoll 1921, Beschluss Nr. 902, S.349 f.

34 Rudolf von Dach: Die Unfruchtbarmachung von Menschen als Rechtsproblem unter besonderer Berücksichtigung des schweizerischen Rechts. In: Archiv der Julius-Klaus-Stiftung, Band XVI, Heft 1-2, S.269-313, Zürich 1941, S.280

35 Herbert Eberhart: Die psychische Verarbeitung der Sterilisation bei der Frau. Eine Untersuchung mit dem Rorschachtest. Diss. phil. I. Zürich 1968, S.24. Vgl. auch M.Vala: Sterilisation post partum. Diss. med. Zürich 1957

36 Reist 1934, Referat, S.413

37 Reist 1934, Referat, S.419

38 Hans Wolfgang Maier: Die ärztliche Indikationsstellung zur künstlichen Unterbrechung der Schwangerschaft und ihre Durchführung. Sonderabdruck aus Helvetica Medica Acta, Band 2, 1935, S.1-9, S.8

39 Adolf Zolliker: Die nervenärztliche Beurteilung der Schwangerschaftsfähigkeit an der psychiatrischen Universitäts-Poliklinik Zürich in den Jahren 1933 und 1934 (1500 Fälle). In: Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie, Band XL. Zürich 1937, S. 403-456, S.408

40 Zolliker 1937, Schwangerschaftsfähigkeit, S.408

41 Zolliker 1937, Schwangerschaftsfähigkeit, S.416

42 Zolliker 1937, Schwangerschaftsfähigkeit, S.416

43 Zolliker 1937, Schwangerschaftsfähigkeit, S.416f.

44 Zolliker 1937, Schwangerschaftsfähigkeit, S.418f

45 Zolliker 1937, Schwangerschaftsfähigkeit, S.435

46 Zolliker 1937, Schwangerschaftsfähigkeit, S.443

47 Zolliker 1937, Schwangerschaftsfähigkeit, S.444

48 Manfred Bleuler: Vorwort. In: Glaus, Alfred: Über Schwangerschaftsunterbrechungen und deren Verhütung. Bern 1962, S.9-10, S.9

49 So in Keller 1995, Schädelvermesser, S.157

50 Vorsteher Amt für Sozialversicherung an Sekretär Stadtpräsident , 20.8.1946. Stadtarchiv Zürich, Bestand V.B.c.51.21

51 Huonker 2002, Anstaltseinweisungen

52 Alle Zitate aus dem einschlägigen Dossier im Stadtarchiv-Bestand V.B.c.51.21

53 Alle Zitate aus den Akten des Erkundigungsdiensts im Stadtarchiv Zürich, Bestand V.J.b.54