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Erschienen in: Agenda Arbeitsmarkt, Zürich, Nr.4 / Mai 2000
(Nachtrag 2009: Meine Hinweise haben leider wenig Gehör gefunden...)

Definiert der Markt alle Werte?

Grenzen der Globalisierung

Die weltweite Vernetzung und Verwertung des Planeten via Kommunikationsmittel, Freihandel, supranationale Institutionen, Migration und Tourismus ist im Gange, und sie richtet sich nach den Gesetzen des Marktes. Dieser Prozess weckt Hoffnungen und tangiert Grenzen.

Thomas Huonker

Unsere Welt ist ein Globus, ein runder Himmelskörper, und es bringt Profit, die lokalen Lebens- und Wirtschaftsformen zentralisiert auszubeuten. Bereits Kolumbus hat es bewiesen. Dass planetarisches Profitieren, je nach Vorgehen, neben kultureller und wirtschaftlicher Bereicherung auch Massensterben und Vernichtung ganzer Kulturen bedeuten kann, haben seit 1492 viele Völker des nach Amerigo Vespucci benannten Doppelkontinents erfahren. Nicht nur die von Kolumbus als Indianer bezeichneten Völker, sondern auch die wenig später als Sklaven dorthin verkauften afrikanischen Bevölkerungsgruppen und andere Opfer des Kolonialismus durchlitten unfassbare Grausamkeiten globaler Vermarktung.

Das Gleichheitspostulat

Kritik an globalisiertem Wirtschaften dieser Art gab und gibt es seit Bartolomé de Las Casas. Las Casas sah entgegen damaliger spanischer Lehre in den eroberten amerikanischen Ureinwohnern nicht «lebendige Werkzeuge» im Sinn der aristotelischen Sklavenhalterphilosophie, sondern Menschen gleicher Art und gleichen Rechts wie die Spanier. Seine Sicht blieb lange ketzerisch. Erst unter dem Eindruck der ebenfalls zwischen Menschen und Untermenschen unterscheidenden Welteroberungsversuchen der Deutschen, der Italiener und der Japaner (1936 bis 1945) begann sie sich weltweit durchzusetzen. Denn auch die Weltbeherrscher des 19. Jahrhunderts, England und Frankreich, handelten im wissenschaftlich abgesegneten Glauben, die «nicht-kaukasischen Rassen» seien, wie dies Charles Darwin ausführte, minderwertig und ihre Unterwerfung oder Ausrottung eine logische Folge des «Kampfs ums Dasein». Und die USA, Promoter des UNO-Menschenrechtsdenkens nach 1945, haben zwar mit dem Bürgerkrieg von 1861 die Sklaverei abgeschafft, nicht aber die Rassendiskriminierung, etwa im Justizvollzug.

Globalisierung, erste Runde

Alte, eigenständige Kulturen wie Aegypten, Indien oder China, jahrtausendelang den Barbaren in Nordeuropa zivilisatorisch weit voraus, wurden im 19. Jahrhundert globalisiert. Beispiel: Der Opiumkrieg von 1840. Kriegsgrund war die Weigerung des Chinesischen Kaiserreichs, sich den Deals der englischen Kolonialmacht zu öffnen: Handel mit Suchtmitteln wie Tabak und Opium gegen Silber und Seide. Nach dem englischen Sieg wurde der Marktzugang, die «open door», durch Abtretung von Handelsposten wie Hongkong erzwungen, und die Opiumhöllen Chinas wurden sprichwörtlich. Einer Politik der Grenzöffnung diente auch die amerikanische Kanonenbootpolitik gegen Japans insulare Isolation.
Dieser erste Schub weltweiter Marktwirtschaft war einerseits Auslöser des Versuchs der im Verteilkampf um Kolonien zu kurz Gekommenen (Japan, Italien und Deutschland), ihrerseits die Welt unfreundlich zu übernehmen. Der erste Globalisierungsschub erzeugte aber auch Gegenentwürfe wie den sozialistischen Internationalismus auf der Basis der Menschenrechte. In der Sowjetunion, der Mongolei und in Maos China galt, von widerspenstigen Ausnahmen an strategisch ungünstiger Lage wie Tschetschenen, Krimtataren oder Tibetern abgesehen, gleiches Recht und Autonomie auch für die sogenannten «kleinen Völker» wie Burjaten, Tschuktschen, Uiguren und viele andere; im Umfeld des Stalinismus bedeutete Gleichstellung allerdings auch gleiche Auslieferung der Einzelnen an ein diktatorisches System.
In der Nachkriegszeit entstanden aus den (vielfach jedoch nur bis zur eigenen Machtübernahme) ebenfalls menschenrechtlich orientierten antikolonialen Befreiungskämpfen an die hundert neue kleinere Staaten aus den alten Kolonialimperien, oft längs zufälliger kolonialer Grenzen. Der Aufbau von eigenständigen Staaten in vordem kolonisierten Gebieten war vielfach mit Versuchen zur Autarkie, d.h. zum Aufbau eigener Industrien sowie unabhängiger Versorgungs- und Wirtschaftskreisläufe gekoppelt, besonders ausgeprägt in Argentinien, Aegypten, Burma, Nordkorea oder Tansania. Andere Länder gingen und gehen diesen Weg, weil gegen sie Handelsembargos erlassen wurden (Kuba, Lybien, Irak).

Globalisierung, zweite Runde

Im Lauf der 70-er, beschleunigt in den 80-er und orkanartig in den 90-er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Hemmnisse des Freihandels wie Schutzzölle und Landwirtschaftssubventionen von neoliberalen Regierungen weitgehend beseitigt. Das ging in den armen Ländern meist in Abhängigkeit der Regierungen von Krediten der Weltbank vor sich, unter Verpflichtung zu einschneidenden Strukturreformprogrammen. Auch die Industrieländer reduzierten in Befolgung von Richtlinien der WTO (Welthandelsorganisation) den Schutz inländischer Wirtschaftsbereiche vor der globalen Konkurrenz. Zoll- und andere Handelsgrenzen fielen in neuen Wirtschaftsräumen wie EU (Europa) ASEA (Asien) oder NAFTA (Nord- und Mittelamerika).
Interventionen kriegerischer Allianzen mit supranationaler Kommandostruktur relativierten im Golf- und im Kosovokrieg die nationale Souveränität – sowohl der Intervenierenden als auch der Zielgebiete. Einst mächtige Staatsdomänen in der Tradition isolationistischer und protektionistischer Politik zum Schutz inländischer Landwirtschaft und Industrie vor ausländischer Konkurrenz wurden im Zeichen neoliberaler Deregulierung abgeschafft oder privatisiert. Die Reduktion der Staatsquote, d.h. des Staatsanteils am Bruttosozialprodukt, beeinträchtigte Spielraum, Ansehen und Klientel der Staaten. Auch in den kommenden Jahren wird ein weiterer Teil der Staatsangestellten auf der neoliberalen Negativliste stehen. Steuersenkung und Staatsverschuldung schwächen die nationalen Instanzen zusätzlich. In den ehemals sozialistischen Staaten waren die Umlagerungen von Macht und Geld vom einst allumfassenden Staat zur privaten Unternehmerschaft am einschneidendsten, die gesellschaftlichen Folgen am spektakulärsten.

Mehr Macht für Konzerne und Mafia

Demgegenüber wuchs und wächst die grenzüberschreitende Handlungsfähigkeit der zu immer grösseren Gebilden fusionierenden Konzerne. Ihre Umsätze liegen in der Grössenordnung von Staatsbudgets, Geldschöpfung erfolgt gegenwärtig durch Kreditierung und Aktienemission in grösserem Ausmass als durch nationale Notenpressen. Aktuelle Vorgaben und Grenzen des wirtschaftlichen Handelns sind heute weniger Staatsgrenzen und staatliche Institutionen, sondern vielmehr Börsenkurse, private Forschung, internationales Patentrecht und, manchmal, die weltweite öffentliche Meinung. Neben den staatlichen Hoheitsgebieten sind Territorien anderer Art entstanden: offshore-Finanzplätze wie die Cayman Islands oder extraterritoriale Produktionszonen, z.B. in China, Malaysia und auf den Philippinen. Die grenzenlose Weltwirtschaft eröffnet auch der organisierten Kriminalität ein weltweit leicht vernetzbares Handlungsfeld. Dem Drogenhandel ist seit dem Fall der ökonomischen Systemgrenzen nicht nur China erneut erschlossen worden. Die Bisnesmeni der russischen Mafia agieren in der GUS und im ehemaligem Ostblock weitgehend unkontrolliert, teils in offener Konkurrenz, teils in Allianz mit staatlichen Instanzen. Neben dem insbesondere in Russland schon immer exorbitanten Alkoholkonsum stieg der dort vordem kaum bekannte Gebrauch von Heroin, Kokain und Designerdrogen während der 90er Jahre in Osteuropa explosionsartig an. Neu ist auch das Elend Zehntausender von Strassenkindern aus verarmten Familien, insbesondere in Rumänien, in der Ukraine und in Russland, die sich in einem Umfeld von Prostitution, Mädchenhandel und Pädophilie in Drittweltmanier mit Leim- und Lackdämpfen betäuben.

Subalternisierte Staaten in Standortkonkurrenz

Die Subalternisierung, die Unterordnung und Herabstufung staatlicher Instanzen gegenüber länderübergreifenden politischen und wirtschaftlichen Instanzen und Strukturen zeigt sich nicht nur darin, dass korrekt Regierende im Vergleich zu Unternehmern viel weniger verdienen und deshalb ihre Versuchung wächst, via Korruption mitzuhalten. Schwarzgeld- und Bestechungsaffären höchster Staatsrepräsentanten wie Kohl, Jelzin, Craxi oder Mitterrand am Rand internationaler Deals mit Grossfirmen sind die Folge. Die Subalternisierung der Staaten zeigt sich auch im zunehmenden Verlust der Fähigkeit, eigenständig, etwa über Steuer- und Budgetpolitik, Prioritäten zu setzen. Die von der Weltbank abhängigen Staaten des armen Südens müssen sich an deren Vorgaben halten (Streichung der Verbilligung von Grundnahrungsmitteln, Sparen an Schulen und Gesundheitswesen). Die reichen Staaten konkurrieren als alternative Wirtschaftsstandorte mit Steuernachlässen, Infrastrukturvorleistungen, gesetzgeberischer Rücksichtnahme und Staatsaufträgen um die Gunst der Multis, wobei auch Gebilde wie Monaco, Panama oder Liechtenstein gut im Rennen liegen.

Ein Amerikaner kostet so viel wie 60 Chinesen

Diese Lohnkostenrechnung bezieht sich auf Maschinenschlosser. Und ein französischer Ökonom rechnete aus, dass das gesamte Lohnniveau in Vietnam durchschnittlich um das 47-fache niedriger liegt als in Frankreich. Das Gefälle zwischen Wirtschaftsregionen, das schon innerhalb eines Staates beträchtlich sein kann, umfasst neben den Lohnkosten auch unterschiedliche Standards von Infrastruktur, Bildung, Entlassungskosten, Streikfreudigkeit und politischer Stabilität. Die Manager der Multis können nicht nur bei der Wahl des Steuerdomizils auswählen. Sie können die Firmenbestandteile branchen- oder abteilungsweise weltweit aufgliedern und gezielt plazieren. Forschung und EDV werden in Gebiete mit guten universitären Vorleistungen und billigen Ingenieuren und Programmierern verlegt, z.B. nach Indien. Energie- und emissionsintensive Produktionsprozesse werden in Länder mit billiger Energie und schwacher Umweltschutzgesetzgebung ausgelagert. Rohstoffabbau und Holzschlag erfolgt in Staaten, welche ihre nationalen Ressourcen am billigsten und unter Inkaufnahme von Kahlschlag, Erosion und Umweltvergiftung preisgeben. Montagehallen boomen in Billiglohngebieten mit strikter, repressiv garantierter Arbeitsdisziplin und guter Transportanbindung, etwa im mexikanischen Grenzgebiet, in Malaysia oder Singapur oder in den von staatlicher Sozialgesetzgebung ausgenommenen Produktionszonen in Südostasien. In den letzten Jahrzehnten in Europa mühevoll erkämpfte und soziale Standards (Sozialversicherungen, bezahlte Ferien, Maximalarbeitszeiten usw.) und ökologische Grenzwerte werden so unter- und überschritten.
Umweltgefährdende Kinderarbeit: Goldwaschen im Tiefland von Peru.
(Foto: Susana Pastor)

Globale Gleichstellung steht aus

Es sind nicht allein, aber auch nicht zuletzt die Staaten, welche das globale Lohngefälle unter hohen Steuerkosten mittels restriktiven Asyl-, Arbeits- und Niederlassungsgesetzen, Grenzzäunen, Grenzpatrouillen mit Nachtsichtgeräten, Ausschaffungen per Flugzeug und Flughafengefängnissen aufrechterhalten. So erklärt sich auch das Einverständnis, zuweilen sogar das Rollenspiel ein und derselben Person, zwischen fremdenfeindlicher, nationalchauvinistischer Politik und privatwirtschaftlichem «Global Play».
Ein globales Arbeitsrecht, weltweite Gesamtarbeitsverträge, länderübergreifende Gleichstellung im Rentenwesen sind vorerst ähnlich utopische Forderungen wacher Kritiker der gegenwärtigen Globalisierungstrends, wie es solche gewerkschaftliche Anliegen im 19. Jahrhundert auf nationaler Ebene waren. Ebenso warten die Umweltschützer auf global verbindliche Öko-Standards jenseits der allzuoft rein verbalen Deklarationen von Umweltgipfeln.

Heilserwartungen und Hochglanzvisionen

Die Multinationalisierung der Konzerne, Hollywood als Kinostandard, internationale Sportveranstaltungen, die Weltmusik der verbliebenen zwei bis drei Unterhaltungsmultis, Internet und Satellitenfernsehen sowie die kulturelle Durchmischung der Metropolen werden von vielen als Garanten eines sich abzeichnenden Weltfriedens gefeiert. Es gibt Anlässe zu dieser Hoffnung. Aber ebenso steigern genau diese Elemente die Gefahr von Konflikten. Wie schon nach der ersten Globalisierungsrunde vor dem ersten Weltkrieg drohen Fundamentalismus und Nationalismus als Abwehr- und Kompensationsreaktionen. Denn die Offensive des westlich-postmodernen «anything goes» steht quer zu traditionellen Normen. Sie gefährdet auch die Vielfalt von Kulturen und Lebensräumen mit eigener Küche, eigenem Lebensstil und eigenen Strukturen. Das schürt neben klarsichtigem Widerstand auch Aggressionen aus Verunsicherung. Optimistische Prognosen erklären die Computer- und Kommunikationsbranche zum Motor einer neuen langen Welle des Aufschwungs und der Vollbeschäftigung. Sie erwarten von der Gentechnologie, ähnlich wie früher schon von der Chemisierung der Landwirtschaft oder der Atomtechnologie, die Lösung alter und neuer Umwelt-, Hunger- und Gesundheitsprobleme. Solche Beschwörungen immer schönerer neuer Welten sind immer auch Beschönigungen der jeweils anderen Seite dieser Entwicklungen.

Globale Risiken im Experimentierfeld Erde

Die neuen Computer- und Kommunikationstechnologien schaffen zwar neue Arbeitsplätze in Produktion und Dienstleistung, erweisen sich aber auch als Jobkiller in Büros, Banken und Postbetrieben. Ihre gesundheitlichen Risiken, Stichworte Elektrosmog und Strahlung, sind unzureichend erforscht. Die Computerisierung der Kindheit in Schule, Kinderzimmer und Spielzeugindustrie hat schwer voraussehbare Auswirkungen auf Verhalten und seelisches Gleichgewicht der heranwachsenden Generationen. Die erwiesene Brutalisierung der Jugend durch visuelle Gewaltorgien auf Videos und im Fernsehen lässt auch für die Cyberkids Böses ahnen, die im Multi-Player-Modus über Internet Kriegs- und Killerspiele einüben.
Industrie- und Verkehrsimmissionen drohen, das Klima zu kippen.
Und die Zukunftsbranche Gentechnologie mit Genfood und Klonierung? Pharmakonzerne sammeln weltweit die Genome von Menschen, Pflanzen und Tieren für ihre Genbanken. Ist die Entschlüsselung und Digitalisierung der Gene, die profitorientierte Patentierung und private Verwertung dieser im Lauf von Jahrmillionen gemachten Erfindungen im Tier- und Pflanzenreich von Mutter Natur unter Firmen-Labels ethisch vertretbar? Ist die Generierung neuer Monster und Krankheitserreger mit dem Risiko unkontrollierbarer Freisetzungen nicht ein gewagtes Spiel, das den Planeten zum Versuchslabor macht? Wer haftet dafür, dass die Gentechnik, wie die Atomtechnik, nicht schliesslich mehr und grössere Probleme in die Welt stellt als jene, zu deren Lösung sie vorgeblich entwickelt wurde?

Virtuelle Werte und Umverteilung

Die neuen Technologien starten in den reichen Ländern durch. Aber während hierzulande Computer, Handy, Fax und Telefon zur Standardeinrichtung in Büros und einer steigenden Zahl von Haushalten gehören, haben 50 Prozent aller Menschen noch nie telefoniert.
Ein exponentielles Abheben der weltweit kotierten Aktienwerte von der realwirtschaftlichen Grundlage ist seit 1985 klar nachgewiesen. Besonders krass ist die Ueberbewertung von trendigen Firmen des Internetbereichs, deren Börsenkapitalisierng zuweilen beim Zehnfachen ihres Umsatzes und noch viel höher über dem in ihren Gebäuden, in Hard- und Software und im Personal real investierten Kapital liegt. Diese Tendenzen erhöhen einerseits die Risiken jenes Finanz-Crashs, der anlässlich der Mexiko- und der Asienkrise von 1995 und 1998 jeweils knapp vermieden werden konnte. Dazu ist die Neuschöpfung von virtuellem Geldwert durch Aktienemission und Bankkredite auch ein Mittel zur Umverteilung. Denn dieses Geld wird nicht nur zu weiteren Spekulationsspiralen in teilweise krass überbewerteten Boombereichen sowie mit hochriskanten Aktienderivaten eingesetzt. Mit dem Geld aus dieser virtuell-spekulativen Wertschöpfung können auch reelle Werte gekauft werden: Immobilien, Schmuck, Kunst, Yachten, Wälder, Ländereien. Die Ausdehnung des Markts für Luxusgüter und die stete Bereicherung der Superreichen steht in der reellen Welt einer zunehmenden relativen und absoluten Verarmung der Unterschichten gegenüber. So sind in den USA die Reallöhne des unteren Bereichs seit den achtziger Jahren selbst in Aufschwungphasen kontinuierlich gesunken, während die Aktiengewinne boomten und Löhne, Gewinnbeteiligungen und Abgangsentschädigungen der Manager rasant anstiegen. Schwarzafrika verelendet weiterhin, trotz oder wegen der Vorgaben der Weltbank. Kindersterblichkeit und Arbeitslosigkeit wachsen in vielen Regionen, vor allem im tropischen Armutsgürtel. Auch in Europa geht die Schere zwischen Zuwächsen für die Oberschicht und Einbussen der Mittel- und Unterschicht immer weiter auf. Dieser Prozess verlief in Osteuropa am krassesten. Die Umkrempelung der zusmmengebrochenen staatsbürokratischen Produktions- und Verteilungssysteme zu Anhängseln des westlich dominierten Weltmarkts nach 1989 bewirkte in Russland, in Rumänien, in der Ukraine oder in Albanien die völlige Verelendung breiter Schichten binnen weniger Jahre. Die Vorteile der wirtschaftlichen Öffnung, den Löwenanteil am Konsum westlicher Importgüter und Millionenkonten im Ausland, oft in der Schweiz, sicherten sich kleine Gruppen von Grossprofiteuren des Übergangs. Und in Osteuropa, etwa in Ex-Jugoslawien oder in den beiden Tschetschenienkriegen der russischen Generalität, waren auch die nationalchauvinistischen Gegenbewegungen zur Globalisierung bis hin zum Völkermord am krassesten.

Ausblick

Zusammenfassend gilt: Je enger und umfassender der Globus via Marktmechanismen vernetzt wird, desto löchriger wird das lokale soziale Netz. Und: Die laufende globale Umverteilung von oben nach unten hat eine Schmerzgrenze . Der Maximalkontrast zwischen Superreichtum und weltweiter Verfügungsgewalt der «Global Players» einerseits, lokalem neoliberalem Abbau der Leistungen für Arbeitslose, Kranke, Kinder, Alte, Invalide und Verhungernde andererseits findet seine Schranken entweder in Krisen und Katastrophen, ausgelöst von Gefahrenherden wie Kulturkonflikte, Börsencrashs, grosstechnologische Umweltrisiken, Verteilkämpfe um sauberes Wasser und andere kapp werdende Ressourcen. Oder es gelingt, auch in der Weltgesellschaft die demokatisch und menschenrechtlich legitimierte Aushandlung von globalen Grenzwerten sozialer und ökologischer Verträglichkeit des Weltmarkts zu institutionalisieren.


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