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Thomas Huonker MONDFISCH

Kapitel IX

Die letzten Videokassetten. Teils hat er im letzten Moment noch neue aufgenommen. Es sind jetzt sechzig Videobänder. Das wären dann hundertvierzigtausend Druckseiten. Was hat er seinem Kopf da zugemutet.

Moran legt kurz seine Hand auf den Ammoniten und dankt Olga und der Ratte vom Flusseck.

Ja, Olga hat recht.
Es macht mehr Spass, Geschichten zu erfinden.
Die Welt ist eh wie sie ist.

Moran gibt sich und der Videokassette einen Ruck.
PLAY. STOP. PLAY. STILL. REWIND. PLAY. STOP. PLAY.
Wer flimmert da über den Kasten?

Wow. Herkules!
Uralte Geschichten!

Herkules ist der erklärte Liebling von Morans mittlerweile fünfzehnjährigem schwarzlockigen Patenkind. Moran hat diesen Abschnitt mit dem Patenkind vorbesprochen. Er hat schwören müssen, Herkules werde auch berücksichtigt.

Voilà!

Herkules ist hübsch. Und stark. Und keusch. Er besiegt jedes Ungeheuer. Zak Bum. Er lächelt so nett nachher. Sicher, blonde englischsprechende blauäugige Griechen - gibts doch gar nich. Aber Herkules ist eben Herkules. Patenkinds grosser Kummer ist die Folge mit Dejaneira.

Die hat so grosse Titten. Sie wickelt den Unsterblichen glatt um ihren kleinen Finger. Na ja. Das musste mal kommen. Immerhin ist sie die einzige, die ihm zu widersprechen wagt. Er schlägt im Heratempel reihenweise Priester tot und überreicht ihr das eroberte heilige Feuer. Hier hast du dein Feuer. Sie nimmt die Fackel, bedankt sich aber nicht. Sie schaut nur um sich. Hinter allen Säulen, in allen Ecken, überall liegen Tote. Dejaneira denkt nach. Auch das steht ihr gut.

In die allgemeine Ratlosigkeit meldet sich Hera persönlich. Eine etwas abgelebte, aber gut geliftete Dame. Sie hat eine unaufgearbeitete Beziehung zu Herkules, dem Spross aus einem der zahlreichen Seitensprünge ihres Göttergatten mit Menschenfrauen. Sie plant eine allgemeine Eiszeit, um die Menschheit endlich loszuwerden. Und Feuer gibts nicht mehr. Die Fackel erlischt.

Eine Eiszeit? Warum auch nicht. Gedreht wurde der antikisierende Streifen im Nordwesten der USA. Schneeberge, Gletscher, eisige Flüsse.
Vielleicht verwandelt sich Anthony Quinn, im reifen Alter noch den Zeus persönlich spielend, für seine nächste Aventüre mal in ein Mammut, oder in ein Wollnashorn, oder in einen Säbelzahntiger.

Kuul neiss Hörkjuliis änd sexy Dischäniirä wandern also vor einer Nationalparkkulisse - aber kein Indianer weit und breit - zum ollen Prometheus, Feuer holen. Der ist nicht mehr an den Fels geschmiedet, aber in seinem Bergpalast tiefgefroren.

Die Szenerie erinnnert an Supermans Heimatstern Krypton, aber wer hat schon solcherart genaue Kenntnis der altgriechischen und neuamerikanischen Sagenwelt.
Herkules in Amiland.

Anything goes.
Relax and enjoy myth-mixing!


Prometheus weiss Rat.

Auf dem Weg hat Dejaneira weiter nachgedacht und sagt dem muskulösen Helden mit grossem Ernst: Gewalttätigkeit schafft nur neue Probleme!

Was hat sie doch für süsse Lippen!

Tja, Dejaneira, mach das mal einem antiken Sagenhelden klar. Oder einer antiken Sagenheldin. Or tell it on the mountains, von wannen David Hilfe kommt.
Oder sag es einem moderneren Regierenden. Oder steck solch weisen Gedanken einem Western-Regisseur. Einem Trickfilmproduzenten. Einem Ringrichter.
Glück auf, Dejaneira.

Das Patenkind betrachtet diese Episode kritisch. Sie kennt solche Situationen. Sie würde die gewaltigen Taten ihres Helden nicht derart hinterfragen. Morans Patenkind würde auch nicht mit Godfather Zeus Quinn derart schäkern, wie es Dischäniirä tut. Oh nein. Denn das ärgert den hübschen Herkules gewaltig. Aber er verträgts, muss das Patenkind doch auch wieder sagen. Er ist süss. Ach du unsterblicher Herkules.

Machen wir es kurz.

Herkules schlägt unterwegs den erdverbundenen Riesen Antäus tot und heilt Dejaneira von ihrer Friedensbegeisterung. Herkules holt das Feuer wieder.
Die Menschen sind nicht erfroren, und Dejaneira, das Patenkind ahnt es, sie wird den Hübschen spätestens in der nächsten Folge definitiv herumkriegen.

Das Feuer hat unterdessen das Klima ziemlich aufgewärmt, denkt Moran.
Zap.
Mal wieder CNN. Ted Turner hat CNN, kaum hat Moran den vorletzten Satz darüber geschrieben, einfach verscherbelt. Wie wenn er nicht vorher schon genug Dollars gehabt hätte, um sich und seiner Diva Jane ein Stück Prärie mit einigen hundert echten Bisons als Ferienranch zu kaufen. Ja, die hat er schon vorher gehabt. Direkt beim Yellowstone-Park. Ja, das Patenkind ist dort gewesen. Es hat Verwandte in den USA und hat die Bisons mit eigenen Augen gesehen. Jane oder Ted hat sie leider nicht getroffen. Und die Ranch bringen sie natürlich nicht in CNN, das wäre indiskret.

Aber tote Schweine bringen sie. Fünfunddreissigtausend Stück hat die holländische Regierung schon aufgekauft, um sie zu verbrennen. Achthunderttausend muss sie noch kaufen; die werden auch verbrannt.

Verbrannt oder kunstgerecht geschlachtet. Ist den Schweinen doch wurst.

Nein.

Dank der Schweinepest werden sie nur ins nächste Schlachthaus und von dort, lastwagenweise tote Schweineleiber, in die nächste Verbrennungsanlage überführt. Sonst, wenn alles in Ordnung wäre, müssten sie von Holland, immer schön dem Rhein entlang, über die Alpen nach Parma gebracht werden. Dort würden ihre Schinken abgestempelt. Dann würden erst würden die Nordeuropäer diese Schweineteile, säuberlich aromatisiert und fein gescheibelt, zu Melonen aus Spanien essen.

Aber damit ist jetzt Essig. Die verkohlten Schweine belasten den niederländischen Staatshaushalt.

Beruhigend fügt die Sprecherin bei, im Unterschied zum brandneuen Rinderwahnsinn handle es sich bei der Schweinepest um ein alte Krankheit.

Ist doch alles schon dagewesen. Keine Sorge Keine Sorge.

Wie war das schon wieder mit dem Rinderwahn?
Weil man dem lieben Rindvieh Schafkadaver zu fressen gab, und zwar mangelhaft sterilisiert, sei in den Rinderhirnen, in den Rindermarkkknochen, in der Ochsenschwanzsuppe und möglicherweise auch in Steak, Milch und Butter neuer Lebensraum für Auslöser der Schaftraberkrankheit geschaffen worden?
Offenbar.
Denn diese Auslöser, die Prionen, überstehen selbst jene Sterilisierung bei hundert Grad, die andere Krankheitserreger abtötet. Ja, liebe Leser, achten Sie strikte darauf, Ihre Kalbshaxen und Markbeine stets auf über 300 Grad zu erhitzen. Aber fragen Sie mich nicht, wie.

Sie kennen doch auch die Bilder dieser wahnsinnnigen Rinder und ihrer schwammartigen, durchlöcherten Hirne.

Gesegnete Mahlzeit!

Und dann gab es Katzen, die diese Hirnlochkrankheit bekamen. Hätten eben Mäuse fressen sollen statt Katzenfutterbüchsen mit Rind, diese Katzen.

Und jetzt gibt es auch Menschen, junge Menschen alte Menschen, die gerne Kalbshaxen und Rindermark assen, Babynahrung mit Rindfleisch eingelöffelt bekamen, Gummibärchen mit Rinderknochengelatine schleckten, Hamburger verdauten.

Creutzfeld-Jacob heisst die Krankheit bei den Menschen.

Der Arzt bewegt einen Kugelschreiber über dem aufs Spitalkissen gebetteten Kopf einer bodenständigen Frau im Wehlacher Zentralspital hin und her. Der Arzt fragt die erkrankte Rindsmarkkonsumentin: Was ist das? Die Frau antwortet, so selbstsicher überzeugt von ihrer Meinung wie Herr Blocher in einer Arenasendung:
Das ist eine Roulade. Eine Roulade, Herr Doktor.

Vorbeugen, denken jetzt die Grossverteiler. Sie lancieren das Vegi-Schwein. Denn wenn Schweine Rindfleischabfälle fressen, bekommen sie ebensoleicht den Schweinewahn wie die Rinder, die Katzen, die Menschen. Es fällt nur nicht so auf, weil sie schneller geschlachtet werden.

Zap.
Den Lokalsender überspringt Moran meistens. Aber den da kennt er doch. Es ist der hagere Kunstsammler, sein Vermieter. Eine schicke Sonnenbrille trägt er. Pelzmantel. Moonboots. Locker lehnt er sich an den Motorschlitten. Ach ja, die Grönlandreise der Wehlacher Prominenz.
Die Stadtpräsidentin ist beeindruckt von der Weite der eisigen Landschaft und gesteht dem Reporter, sie werde Mühe haben, sich wieder in ihrem Wehlacher Amtsbüro zurechtzufinden.

Zap.
Nachrichten.
Die Head-Line:
Zwei erbgleiche Schafe aus dem Labor.
Dolly. Und Baby-Dolly, frisch geklont.

We got it!

Endlich hat der Fortschritt wieder mal einen Albtraum wahr gemacht. Der Invalide wird sich nicht wundern, denkt Moran.

Klonen ist machbar.

Man nehme eine Zelle, aus Blut, Haut, ist doch egal.

Man stopfe sie unter den geeeigneten Bedingungen in ein Reagenzglas. Man entnehme einem weiblichen Wesen derselben Art unbefruchtete Eizellen. Man entkerne sie und fusioniere sie mittels Elektroschocks mit der Erbsubstanz der im Reagenzglas angesetzten beliebigen Körperzellen derselben Art.
Man warte auf Teilung und Weiterentwicklung einiger dieser geklonten Eizellen. Man transplantiere diese Morulas in die Gebärmütter weiblicher Wesen derselben Art.

Et voilà!

Man hat nun das männliche oder weibliche Wesen erbgleich dupliziert, oder multipliziert, wenns mehrmals geklappt hat. Körperidentisch.

Ja ja.

Moran ist von schneller Auffassung.
Die übrigen Nachrichten von steigender Arbeitslosigkeit, Aufarbeitung der Geschichte des zweiten Weltkriegs zuhanden der internationalen Bankkundschaft, Oelkatastrophe im Seelöwenreservat, Siegen an Weltcups und Frühlingsstürmen in der Nordsee hört er nur noch mit halbem Ohr.

Moran sieht bereits eine nächstens anstehende Diskussionsrunde in seiner inneren Television.

Die Teilnehmer und Teilnnehmerinnen:
Ein kinderloses Paar, sie eierstockamputiert, er ohne Spermien im Saft.
Ein Arzt, vier Kinder. Eine Moderatorin, ein Kind.
Ein Ethiker, glatzköpfig, schwul, ein Adoptivkind.
Ein Priester, Anzahl Kinder unbekannt.
Eine Politikerin, kinderlos. Ein Universitätsprofessor, drei Kinder, sechs Enkel.
Die Moderatorin stellt die Diskussionspartner vor.
Sie gibt dem Universitätsprofessor das Wort.
Der Universitätsprofessor betreibt auch noch ein privates Forschungsinstitut im nahen Ausland. Nur dort kann er kinderlosen Paaren wie den beiden, die neben ihm sitzen, zu Nachwuchs aus eigener Erbsubstanz verhelfen. Diese Gesetzeslage findet der Professor unkomfortabel.
Er erklärt: Die Kombination von Gentechnologie und der Klonierung aus den Zellen von Erwachsenen erlaube es ihm, nicht nur erbgleiche Klone des Vaters, wie er sagt, oder der Mutter, wie er auch sagt, herzustellen. Sondern richtig massgeschneiderte Kinder. Das Geschlecht? Ein Sohn. Die Nase? Lieber die der Frau. Die Beine? Die vom Mann. Die Grösse? Die der Frau. Augen und Haare? Grün wie der Mann, Rot wie die Frau.
Der kleine eugenische Test, der die erblichen Behinderungen ausschaltet, ist im Verfahren des Professors natürlich inbegriffen. Das ganze kostet nicht mehr als ein kleineres Motorboot, sagt der Professor mit vertrauenerweckendem, warmem Lächeln.

Und von wem sind dann in diesem Fall die Eizellhüllen, fragt die Politikerin. Die Frau sagt: Von meiner Schwester. Der Professor sagt: Das kommt im Prinzip nicht darauf an, es könnten Eizellhüllen einer beliebigen gesunden Eizellspenderin sein, das hat auf Aussehen und Erbeigenschaften des massgeschneiderten Klon-Wunschkindes keinerlei Einfluss.

Der Priester fragt, ob denn auch zwei Frauen mit diesem Verfahren zu einem gemeinsamen Kind gelangen könnten. Der Professor sagt: Selbstverständlich.

Die Moderatorin fragt, ob denn auch alleinstehende Frauen sich ein ganz genidentisches Klönchen, eine restlose körperliche Verdoppelung ihrer selbst, in die Gebärmutter einpflanzen lassen könne?

Der Ethiker, der Professor und die Politikerin sagen gleichzeitig: Ja, klar. Das ist machbar. Das ist das allererste gewesen, noch vor dem kombinierbaren Wunschklon. Das ist möglich seit diesem Schaf Dolly, sie erinnern sich vielleicht noch.

Der Ethiker fügt bei: Auch ein Mann kann das, er braucht einfach eine Leihmutter, die seinen Klon austrägt. Das könnte sogar seine eigene Mutter sein. Es gibt ja bereits, sagt er weiter, diesen Fall des kinderlosen hodenkrebskranken 76jährigen Milliardärs, der einen erbgleich geklonten Erben in eine Leihmutter transplantieren liess. Die Leihmutter, eine Schwarze aus Brooklyn, will nun aber das Kind behalten. Der Fall ist vor den Gerichten hängig.

Die Politikerin sagt: Und es gibt ja auch diese Gerüchte, wonach eine Sekte, die riesige Ländereien in Paraguay besitzt, klonierte Kinder aufzieht, deren Erbsubstanz angeblich vom Blut auf einem Kreuzessplitter stammt.

Der Priester sagt: Das kann nicht sein.

Der Ethiker sagt: Aber ich hatte persönlichen Kontakt mit einem Mann, dessen Exfrau in einer anderen Sekte, zusammen mit allen anderen Sektenfrauen, Klone und Kloninnen des Sektengurus austrägt und aufzieht.

Der Professor sagt nichts.

Warten wirs ab, denkt Moran, schaltet seine innere Fernsicht aus und denkt an Olga. Kinder mit Olga. Vielleicht. Ja. Das gäbe nette Kinder. Aber sie müssten ihre Augen haben.
Bin ich auch schon so weit? Warten wirs ab.

Zap.
Gestänge. Scheinwerfer. Bretter. Viel Publikum.
Eine Liveshow.
Iron Lion Zion. Iron a Lion a Zion. Das singen die Witwe von Bob Marley und Ice T gemeinsam. Ice T rapt in freien Rhythmen die Geschichte des Reggae. Peter Tosh Bob Marley Jimmy Cliff.
The Truth of Yah People.

Jimmy Cliff sitzt, in feierlich roter Robe, auf einem Regisseurstuhl. Die Moderatorin und das Publikum sind selig. Chaled ist auch da. Soviel Stars in einer einzigen Sendung.

Chaled und Jimmy singen zusammen HARMONY. Cliff in Jamaican English, Chaled französisch. Jimmy Cliff, brandmager, alt und weise, mit blitzenden Augen, tanzt wie ein Derwisch. Chaled, Gel in den Locken, Gigoloschnauz, lächelt beim Singen wie ein Christenkind bei der Weihnachtsbescherung. The words go together very well, die Musik auch. Die Beleuchtung ist raffiniert. Die Moderatorin hat die Show im Griff. Das Publikum gibt eine standing ovation.

Sie haben es verdient, all diese beschwingten Multikultis.
Le Pen hört derweil den Badenweilermarsch und klopft den Takt dazu, denkt Moran.

Chaled erzählt, dass er letzten Sommer auf Jamaika seinen Rai mit dem Reggae kombiniert hat. Es sei restlos prächtig gewesen alles. Und jeden Tag sei man fischen gegangen.

Zap.
Eine Reportage über Algerien. Die Fundamentalisten haben die Wahlen gewonnen, aber das Militär hat die Wahlen annulliert. Es herrscht Bürgerkrieg. Das Militär garantiert Ruhe und Ordnung in den Hochsicherheitszonen, wo europäische Arbeiter und Ingenieure Algeriens Erdöl zwecks Export in streng bewachte Pipelines pumpen.

Im übrigen Algerien steigen die Lebensmittelpreise, grassiert die Armut, hoffen immer mehr Menschen darauf, dass alles gut sein wird, wenn das Wort des Propheten wieder gilt. Die Militärregierung kämpft mit modernster Bewaffnung gegen die Fundamentalisten, umzingelt rebellische Dörfer und Quartiere mit Helikoptern und Panzern. Bisher gab es fünfzigtausend Tote. Niemand denkt daran, hier für die Demokratie zu intervenieren. Der Oelpreis ist billig. Die Militärregierung macht den Job.

Die Fundamentalisten haben einen Rai-Sänger umgebracht, weil seine Liedtexte nicht korankonform waren.
Satanische Verse. Ketzer totschlagen.

Zap.
Ein Junge hängt im Seil an einer Felswand. Oben winkt ein Mann. Grossaufnahme: Karabinerhaken aus Edelstahl, verknotete Bergseile. Ungemütliche Musik. Der Junge seilt sich ab. Der oben schaut prüfend stolz. Das muss Daddy sein. Zack, der Karabiner bricht. Der Junge im freien Fall. Daddy schreit: Artie! Artie! Charles, Artie stürzt, nimm das Seil! Noch einer ist da oben, ein bärtiger kräftiger Kerl, blond, er greift das Seil, es rast ihm durch die Finger, er blutet, hält aber fest, das Seil reisst ihn Richtung Abgrund, er stemmt sich in den Fels, stoppt das Seil, Schnitt, Artie baumelt im Seil, im Kreuz gebrochen durch den Ruck. Glücklicherweise sieht der Kenner, dass da eine Puppe stürzte. Sie hängt geknickt im Seil, reglos, in der Mitte der Wand, an der Wand gnadenlos die Schattenlinie des Seils, die Schattenfigur des Abgestürzten. Daddy schlingt sich ein Seil um den Bauch, seilt sich in grossen Abschwüngen gegen die Wand wie eine Spinne ab, dem Blonden rinnen Seil und Blut durch die Hände, aber es klappt, Daddy rettet Artie, der Blonde hievt beide hinauf. Schnitt.
Moran ist begeistert: Ein Fernseher im Fernseher.

Ein Live-Reporter vor der Felswand. Dies sei die Wand wo. Ein zufällig anwesender Videoamateur habe. Der Fernseher im Fernseher läuft in einem Spital. Der zähe Blonde und Daddy schauen zu, neben ihnen eine Krankenschwester und Mummy. Der verdoppelte Daddy live im Kasten im Kasten wird interviewt. Er sagt: Man vergisst die Gefahr, wenn es der eigene Sohn ist.

Zap.
La douce France. Ein junger Mann an einem Flussufer, es muss wohl die Loire sein. Ein Schloss im Hintergrund. Der junge Mann hat eine Kiste bei sich. Er setzt sich darauf. Er zieht eine Schlange aus der Brusttasche, das heisst, er öffnet die Tasche und lässt das Tier über Hand und Arm ab-wärts gleiten, fasst es wieder mit der anderen Hand.
Ja, das seien Vipern. Er fange sie für das Institut Pasteur. Dort zapfen sie ihnen Gift aus den Zähnen. Für das Serum. Dann schicken sie die Schlangen wieder zurück, per Bahn, er holt sie und setzt sie dort wieder aus, wo er sie gefangen hat. Ja, sie kennen ihn. Einige hat er schon drei, viermal gefangen. Ja, er kennt sie auch. Nein, ihn beissen sie nicht. Sie spüren, dass er sie gern hat. Er würde sie sogar mit ins Bett nehmen. Tun Sie das? fragt der Reporter.
Nein, nein. Der Schlangenfänger lächelt unbeholfen. Leider nein. Die Freundin hätte Angst. Er geht ein paar Schritte zum Flussufer, küsst die Schlange auf die Schnauze, lässt sie ins Wasser gleiten. Er klappt die Kiste auf. Noch eine Schlange lässt er los. Sie schwimmen in eleganten Serpentinen den trägen braunen Fluss hinab.

Zap.
Ein fast dreissigjähriger Film. Eine Parade auf dem Tien An Men. Vierhunderttausend Menschen in Vierundzwanzigerreihen. Rechne!
Die Vierhunderttausend skandieren: Rebellion ist berechtigt! Mao auf der Tribüne lächelt zufrieden, winkt hinab.

Sicher ist Rebellion berechtigt, denkt Moran.
Rebel Music von Bob Marley ist seine LieblingsCD.

Re bel Mju sick. Raa sta Pii pel.

Zap on, Moran.
Rebellion in Albanien. Wütende Männer treiben zwanzig Polizisten mit Helmen und Plastikschutzschilden an eine Hausmauer. Die Männer werfen grosse Steine aus kurzer Distanz, mit voller Kraft. Die Polizisten drängen sich schutzsuchend aneinander. Einige Männer treten die Tür des Hauses ein, rennen die Treppen hoch, werfen den Polizisten aus den Fenstern Mobiliar auf die Helme. Tische, Stühle, Kästen.
Die wütenden Demonstranten fordern den Rücktritt des Präsidenten Berisha, weil der die Wahlergebnisse fälschen liess.

Albanien, arm schon immer. Vierzig Jahre lang kommunistisches Musterland hinter scharf bewachten Grenzen. Kenner lobten die umweltfreundliche Wirtschaftsweise mit Mauleseln und Hacken statt Lastwagen und Traktoren. Die vom Tourismus verschonte albanische Küste ist eine Meeresgegend, wo noch Delphine spielen. Dann Rebellion, Sturz der kommunistischen Führung, Emigration des Nationaldichters, Installation des Leibarztes des gestürzten Dikators als Präsident, Öffnung. Die Störsender wurden abgestellt. Die Albaner konnten die Glitzerwelt von RAI Uno in ihren Stuben flimmern sehen.

Die Steinewerfer waren betrügerischen Anlageberatern auf den Leim gekrochen, hofften auf einen kapitalistischen Aufschwung.
Ihr Land würde so sein wie RAI Uno. In diesem Irrglauben verkauften und verloren sie das wenige, was sie hatten.

Einer von ihnen hat es geschafft: Er besitzt Restaurants, Häuser, Läden, Kioske, Schlösser, einen Helikopter. Etwa hundert Millionen Dollar. Ein startschneller Musterkapitalist. Anything goes. Aber alle Albaner können nicht hundert Millionen haben.

Alle für einen, einer für alle.

In Vlores haben die Demonstranten sich unterdessen bewaffnet. Sie haben das Zeughaus ausgeräumt. Kinder ballern aus Maschinenpistolen begeistert in die Luft.
Sechs Geheimpolizisten wurden von den Demonstranten umgebracht. Der Präsident hat den Notstand ausgerufen.

Ein wütender Albaner sagt:
Und was war denn vorher? Seit fünf Jahren essen wir das Brot der illegalen Emigranten. Ohne sie würden wir und diese Kinder hier verhungern.

Tage später schickt der Arztpräsident Panzer.
Die Rebellen kapern sie. Die Regierung setzt die Luftwaffe gegen die Rebellen ein. Zwei Piloten desertieren in ihren Maschinen nach Italien und ersuchen um politisches Asyl.

Die Rebellen stürmen in sieben Städten die Polizeistationen und Kasernen. Das Volk bewaffnet sich auch dort, schleppt Panzerfäuste, Kalashnikows, Munitionskisten, Zeltbahnen auf Mauleselsrücken weg. Selige Buben tragen Gewehre, die doppelt so lang sind wie sie.

Ein bärtiger Mann mit Wollmütze sagt: Wir sind keine Rebellen. Wir sind das Volk.

Ein Tag später: Im ganzen Land sind die Zeughäuser ausgeräumt, das Volk hat sich bewaffnet. RAI Uno meldet über Albanien: Die Armee hat sich aufgelöst. Sie existiert nicht mehr.
Moran denkt: Gut so.

Gerüchte, der Herr Präsident sei seiner Familie schon ins Exil nachgefolgt. Aber noch ist er nicht zurückgetreten. Er habe seiner Geheimpolizei alle Vollmachten übertragen. Die Ausländer werden per Helikopter evakuiert. Die internationale Geschäfts-, Politiker- und Medienwelt konstatiert Chaos und Anarchie.

Die Albaner erleben einen jener seltenen Momente der Weltgeschichte, wo alles offen ist. Die Gefängnistore werden aufgebrochen, die Gewehrläufe stehen unter keinem Kommando, die Macht liegt auf der Strasse.
Es herrscht ein allgemeines Hochgefühl.

Und wie immer in solchen Momenten hofft Moran, unverbesserlich, diesmal werde es gelingen. Das Gute werde siegen.

So hofft Moran. Aber er denkt: Unwahrscheinlich. Vielleicht werden diese kriegerischen Bergler nun mit begeistertem Ingrimm zwanzig Jahre lang Krieg führen, Clan gegen Clan.

Zap.
Wie in Afghanistan. Dort sind zur Zeit die Taliban daran, nach der Macht zu greifen. Sie sind die Guten, die siegen, davon sind sie überzeugt. Fromme Muslime. Sie verbieten alles, was der Koran verbietet, und zwar strikte.

Zuwiderhandelnde werden aufgehängt, in milderen Fällen wird die Hand abgehackt. Die Taliban verbieten insbesondere auch jegliches Fotografieren und alle Fernsehaufnahmen. Vielleicht schiessen sie sogar die Satelliten ab.

Moran hat schon öfter Helga, eine Töpferkollegin von Olga, die mit ihr das Atelier und den Brennofen teilt, darauf hingewiesen, dass ihr Brotberuf für einen gläubigen Muslim, aber auch für einen strikt reformierten Bilderstürmer ein teuflisches Treiben sei.
Helga arbeitet für eine Videoüberwachungsfirma.
Sie wartet in ihrem Revier all die Kameras in Supermärkten, Parkhäusern, Banken, Flughäfen, Zolläm-tern, Polizeiwachen, Autobahntunnels. Sie muss die Videobänder auswechseln und den Betriebsarchiven zustellen. Millionen von Bildern von Millionen von Menschen gehen durch Helgas schöne Töpferinnenhände.

Helga hat Moran geantwortet, dass auch zwei arabische Banken zu ihrem Rayon gehören. Die würden die Videobänder sogar besonders lange archivieren, bis sie wieder neu überspielt werden.

Als Moran von dem Job Helgas hörte, achtete er eine Weile lang darauf, wo überall Videoaugen über ihn wachten.
Tun Sie das auch mal, sie werden ganz beruhigt sein. Heutzutage ist jeder Ladenkunde ein Filmstar.

Und es ist wirklich schade, dass gerade die bildschönen Männer Afghanistans sich nicht mehr fotografieren und filmen lassen, sagt Helga.

Zap.
Drei Männer in Overalls.
Sie liessen sich filmen.

Sie sitzen vor einer Energiezentrale. Ja, vor zwanzig, dreissig Jahren, da hatten wir hier gute Zeiten. Auf jedem Tisch der Kantine stand eine Schüssel roter Kaviar. Ja, wir lebten gut. Wir waren alle jung. Ich war zweiundzwanzig, die andern achtzehn oder neunzehn.
Im Bild nun: Die Brotfabrik. Die Konditorei. Das Lebensmittelangebot im Kaufhaus: Fleischhaufen, frischer Stör, Lachs, fette Karpfen.
Ein alterer Herr, um die sechzig, in weissem Hemd, mit Krawatte, erzählt von seiner Anwerbung. Die Lebensbedingungen würden sehr gut sein. Der Lohn höher als anderswo. Als ich den Werber fragte, wo das denn sei, zog der Genosse seinen Ausweis. Darauf stand die Registrierung: Moskau, Zentrum 300. Diese Worte, Moskau Zentrum, übten eine magische Anziehung auf mich aus.

Der ältere Herr ist angeworben worden, aber nicht nach Moskau, sondern in eine Stadt, die erst seit kurzem in Landkarten eingetragen ist: Die geheime Stadt der russischen Atomwaffenbauer ARSAMAS16.

Als er es merkte, hatte er schon unterschrieben.
Seinen Verwandten hatte er gesagt, er gehe nach Moskau, sie waren stolz. Nach einem Jahr wollte ihn die Mutter besuchen.

Andrei Sacharow gab ihm Moskau-Urlaub für eine Woche, und die Mutter blieb stolz auf ihren Sohn.

Andrei Sacharow ist Moran bekannt als kämpferischer Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger. Ein Freund von Demokratie und Abrüstung.

Den Ingenieuren hier war er bekannt als Konstrukteur der grössten Atombombe überhaupt.

Man sieht sie auf Stühlen vor dem Riesending sitzen, es ist sicher zehn Meter lang. Die Weisskittel testen jedes Detail des Ungeheuers.
Kein Herkules weit und breit, es auszurotten.
Ein Riesenflugzeug fliegt es zu einer Eismeerinsel. Ein Riesenpilz steigt in den Himmel. Die grösste Bombe, der grösste Pilz, der grösste Bombenbauer.

Oder die Chemikerin Lija Sochina. Mit blitzenden Augen, leuchtend, strahlend erzählt sie, mit welchem Vergnügen sie hier arbeiteteten, ungeachtet der Gefahren.
Wir seien Sklaven gewesen, eingesperrt in diesen geheimen Städten, sage man ihr jetzt. Lija ist empört. Nein, sage sie dann, wir waren keine Sklaven. Wir waren fröhlich. Es gab viel Sport, es war ein schöner Zusammenhalt da. Kein Vergleich zu dem, wie es heute ist. Das wir hinter Stacheldraht lebten, das hat vielleicht einige von uns gestört. Mich hat es nicht gestört. Mir hat es sehr viel Spass gemacht. Wir hatten sehr gute Freundschaft.
Und sehr interessante Arbeit.


Die Frau könnte Morans Mutter sein. Sie wirkt warmherzig, spontan, lebendig. Was für Gifte hat sie gemischt?

Etliche ihrer Mitarbeiterinnnen starben an eingeatmeten Plutoniumteilchen. Man dachte zuerst, es sei Tuberkulose. Aber da half kein Sanatorium mehr.
Oh ja, Kameradschaft und Sportsgeist gab es in den geschlossenen Geheimstädten. Privilegien bei der Versorgung mit Essen, Wohnung, Kleidung, Kultur. Und spannende, neuartige Projekte; Bomben, Raketen, Satelliten. Herausforderungen. Aufstiegsmöglichkeiten. Allmachtsgefühle.
Und es war ein gutes Werk, für den Fortschritt, den Sozialismus, den Frieden.

Sacharows Superbombe war zu gross. Es gab keine Raketen, keine Flugzeuge, die sie ins Feindesland hätten bringen können. Wie alle Atombomben bisher, abgesehen von den beiden über Japan, explodierten die sowjetischen Bomben in der Sowjetunion, die amerikanischen in Amerika, die indischen in Indien, die chinesischen in China, die englischen und französischen in den jeweiligen Empires, Empires. (Die englischen in Australien, bei den Aboriginals, die französischen auf Mururoa.)

Moran war ein zartes Baby, als Sacharow seine Riesenbombe, seinen Riesenpilz in die Atmosphäre ejakulierte.

Alle zarten Babys dieser Jahre bekamen etwas viel Plutonium ab. In die Muttermilch, in die Knochen. Alles nicht so schlimm.

In einer anderen geheimen Stadt, in Tscheljabinsk, ist leider ein Reaktor explodiert, anno 1957. Wo gearbeitet wird, passieren auch Fehler. Das Gebiet ist jetzt ein Naturschutzgebiet. Pilze und Beeren pflücken verboten. Der Geigerzähler, den die Reporter auf den Zufahrtsweg legen, piepst lauthals, jetzt noch, 40 Jahre später. Dieser erste Havariereaktor hatte das Plutonium nach ARSAMAS 16 geliefert.

Unterdessen gibt es auch in Tschernobyl grosse Naturschutzgebiete. Ein guter Gedanke wird sich immer durchsetzen.

Der Herr mit Krawatte im weissen Hemd heisst Juri Smirnow.
Er ist immer noch bei der Geschichte mit seiner Mutter. Für meine Eltern - Mutter und Vater sind vor einigen Jahren gestorben - arbeitete ich in irgendeiner geschlossenen Organisation. Mehr durfte ich nicht sagen. Meine Eltern haben somit nie erfahren, wo und wie ich gelebt und womit ich mich beschäftigt habe.
Er ist ein bisschen traurig hinter seinen Brillengläsern, der schmale alte Sohn, der für Väterchen Stalin und Mütterchen Russland Dinge tat, für die ihn seine Eltern nicht loben konnten; er freut sich, dass er es nun in die Kamera sagen kann, aber ganz wohl ist ihm dabei auch nicht. Er verschränkt die feingliedrigen Hände auf seinem Schoss.

Vor einer Vitrine mit Bildbänden über El Greco und Hieronimus Bosch erläutert der ehemalige Leiter von ARSAMAS16, Julii Borissowitsch Chariton, den Bau von Sacharows und Chruschtschows Superbombe. In der Abteilung der Theoretiker, die Sacharow leitete, sei die Idee einer Superbombe entstanden. Eine Bombe mit einer Sprengkraft von 100 Megatonnen TNT. Staatschef Chrustschow sei davon begeistert gewesen.

Wie sagte doch die Cellolehrerin von Morans Patenkind, als sie ihm ein italienisches Cello mit vollem Wohlklang vermittelt hatte? Dieses Cello ist eine Bombe.

Ein Bild von Sacharow als jungem Schnösel. Seine Bombe würde die von Hiroshima fünftausendmal übertreffen.

Er schaffte es. Die Bombe wurde konstruiert, gebaut, gezündet. Ein alter Film zeigt, wie sie in von den weissbekittelten Atomschiki höchstselbst in einen ganz gewöhnlichen Güterwagen geladen wird.

Immer diese Güterwagen in der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts.

Der Film ist von triumphaler Filmmusik untermalt. Die Stimmung ist ausgezeichnet. Freude herrscht.

Ein bübisch grinsender Pilot wirft die Bombe, mit einem kleinen Fallschirmchen versehen, aus strahlend blauem Himmel über der Eismeerinsel ab. Die Robben die Wale die Eulen, sie kannten ihr Ende nicht.
Der flotte Pilot erinnert Moran an einen Bekannten, der Gleitschirm fliegt und von einem Ferrari träumt. Der Pilot klinkte die Bombe aus, im gleichen Stolz, wie wenn drei Buben um die Wette an eine Bretterwand pinkeln.

SSSSSSSHHHSSSHSS.

Dann zieht der Pilot die Strahlenschutzbrille an und wirkt jetzt, mit Helm und Sauerstoffmaske, wie Darth Vader aus Spielbergs Star War.
Es ist aber erst der 30. Oktober 196l.
Die Explosion. Das Rollen der Zerstörung im Eismeer.
Der in die Stratosphäre quellende Giftpilz.
Ein weiterer Atomphysiker aus ARSAMAS 16, Viktor Adamski, erzählt vor seinen Zimmerpflanzen: Ich stellte mir mit Sacharow zusammen die Frage, was uns eigentlich zum Bau dieser Bombe trieb.

Gute Frage, denkt Moran, die Frage nach den eigenen Antrieben, Trieben, Raketentrieben, Todestrieben, Düsentrieben, Drüsentrieben.

Bittesehr, Herr Adamski. Sie haben die Ehre. Ihre Worte werden abgespult.
Die Antwort, sagt Adamski, welche der Wahrheit am nächsten kommt, ist, dass uns eine Art technokratischer Euphorie vorwärtstrieb.
Adamski ist ein vitaler Typ. Er wirkt sympathisch, väterlich. Er sieht nicht so krebskrank aus wie Chariton und nicht so kindlich wie Smirnow. Er hat buschige weisse Augenbrauen und keinen allzu verbissenen Mund.
Er spricht weiter.
Wozu sind wir in der Lage? Wie stark sind wir eigentlich? Mehr noch - das ist sicher nicht ganz ernstgemeint -, aber es ging soweit. dass wir uns dachten: Wenn es irgendeine ausserirdische Zivilisation gibt, so ist eine solche Explosion das einzige Zeichen, um irgendwie auf sich aufmerksam zu machen.

Das Ausserirdische und die Zivilisation sind schon für manche Untat angerufen worden. Ja, die Missetäter der Weltgeschichte fordern gewaltig Aufmerksamkeit.
Sie zeigen Mutti Erde, was sie Grosses tun.

Es erscheint wieder die himmlische Lichtgestalt des höllisch strahlenden Atompilzes auf dem Schirm.

Man würde es sehen und verstehen, draussen im unendlichen Weltall, dass es auch hier Wesen gibt , dachten wir, sagt Adamski.
Was für Wesen. Und die Wesen des Eismeers, sie sahen doch, dass es die gibt. Gab. Moran denkt an die ölverseuchten Seelöwen aus den Nachrichten. Wesen gibt es überall, und Aufmerksamkeit kann nie schaden.

Adamski fährt fort:
Damals gab es eine ganze Testserie. Viele erhielten Auszeichnungen. Ich erhielt den Leninpreis.

Sacharow erhielt den Nobelpreis. Nobel und Sacharaw haben dieses Schwanken zwischen Sprengstoffproduktion und Friedenswunsch gemeinsam.

Was hing für sie daran, am Leninpreis, fragen die Reporter. Nichts, sagt Adamski. Wir waren zwölf Mann, das Geld wurde aufgeteilt. Es gab eine gewisse Befriedigung, einen Stolz. Aber sonst nichts Besonderes.


They can get no-o sa tis fuck tion, summt Moran.
No no no. Es war, sagt der altersweise Adamski, in einer Geheimstadt mit lauter Wissenschaftlern nichts Besonderes, wenn jemand dekoriert wurde. In einer Provinzstadt, an einer Provinzuni ist das natürlich etwas anderes.

Recht hat Herr Adamski. Tante Emma hätte eine Riesenfreude, wenn sie es noch erleben würde, wie ihr Neffe den Krotzenplotz-Preis gewinnen würde, den die örtliche Chemiefabrik kürzlich für herausragende kulturelle Leistungen ausgesetzt hatte.

Die Reporter sind clever. Sie interviewen auch die Gegenseite über die Riesenbombe.

Mister Sörensen, damals in der US-Regierung, auch er vor Büchern und Zimmerpflanzen sitzend, mit roter Krawatte, Brille und verhärmtem Gesicht, Mister Sörensen sagt, strategische Studien hätten sofort ergeben, dass diese russischen Riesenbomben nur von sehr beschränktem militärischem Wert gewesen seien.

Das wissenschaftstheoretische Desiderat einer militärischen Werttheorie, denkt Moran. Ueber die militärischen Grundwerte. Der Wertewandel im Militär.

Von grösserem militärischem Wert seien die zielgenauen Raketen mit kleineren Mehrfachsprengköpfen der Breschnew-Aera gewesen, sagt der Film. Die haben Morans Patenkind das Fürchten gelehrt. Es ist mit der Angst vor den Atomwummeln, wie es sagte, aufgewachsen. Es nahm schon im Kinderwagen an Friedensdemonstrationen teil. Und seine Mutter habe es furchtbar ausgeschimpft, als es im Mai 1986 Spitzen frischgewachsenen Schnittlauchs in der Gartenrabatte abriss und zerkaute. Es habe alles ausspucken müssen, und die Mutter habe ihm das Gesicht gewaschen und den Mund ausgespült. Nachts im Bett habe es oft Angst gehabt, die Wummeln gingen los.

Moran erkennt Michael. Michael Gorbatschow dachte ernstlich, sein Wirken würde bis zum Jahr 2000 eine weltweite atomare Abrüstung bringen, sagen die Reporter. Eine ähnliche Ueberschätzung von Nüchternheit, Vernunft und gutem Willen wie Gorbatschows Versuch, die Russen vom Wodka zu entwöhnen, denkt Moran. Jetzt gibt es Wodka Gorbatschow und mehr Atommächte denn je.
Die ex-sowjetischen Atomschiki darben seit 1989. Eine ehemalige Waffenschmiede produziert jetzt zivile Fernsehgeräte.

Wehmütig berichtet Weisskittel Vladimir Madwijenko, Chef eines noch nicht explodierten Reaktors in Tscheljabinsk-40, vom Abgang seiner Mitarbeiter in die Rente, oder, bei den jüngeren, in andere Strukturen , wie er sagt, Strukturen des Bisness etc. Noch hängen an seinem Reaktorgebäude die Porträts von Marx und Lenin. Sowie ein Spruchband: Der Reaktor ist stillgelegt, aber der weitere Fortschritt der Atomtechnik ist nicht aufzuhalten.

Moran hofft das Gegenteil.

1992 besuchte Jelzin ARSAMAS l6. Er wünschte den Atomschiki viel Glück und Durchhaltewillen, doch seitdem seien die Löhne oft ausgeblieben.

Es ist zu hoffen, dass die russischen Atomwaffenkonstrukteure nicht einfach auf den Weltmarkt gehen. Und doch scheint es so zu laufen, denkt Moran.

Letzhin war sogar in Wehlach ein Bleirohr mit Uran- und Plutoniumproben beschlagnahmt worden; Moran weiss aber nicht, was die Polizei mit dem beschlagnahmten Stoff macht.

Der jetzige Leiter von ARSMAS 16, Radii Ilkajew, bestreitet Abwerbung und Weiterbeschäftigung von überflüssigen russischen Atomtechnologen durch Länder wie Lybien, Iran, Nordkorea oder Pakistan.

Und wieder liefern die Reporter eine Pointe: Der alte CIA-Chef Colby erzahlt mit zufrieden blitzenden Stahläuglein hinter dem vierschrötigen Pokergesicht, die USA finanziere schon seit längerem Programme zur Weiterbeschäftigung von Waffentechnikern in Russland, eben damit sie nicht von anderen Potentaten abgeworben würden.
Wir geben also, sagt Colby mit dem Gefühl eines überlegenen Siegers im grossen Shoot-down, Geld dafür, dass diejenigen Leute weiterarbeiten können, deren Waffen dazu bestimmt waren, uns zu vernichten.
Was sehr in unserem Interesse ist,
fügt Colby bei.
Auch Colby trägt eine rote Krawatte; er steht vor einem Bonsai.

Seit 1995 heisst ARSAMAS-16 wieder Sarow, wie vor der Einrichtung der geheimen Forschungsstadt im Jahr 1945.

Moran kann diesen Film allen Fernsehdirektionen empfehlen, er ist von Jürgen Ast und Karlheinz Eyermann gedreht worden.

Moran genehmigt sich ein Gläschen Wodka Gorbatschow.

Lange wird er nicht mehr weiterzappen.

Zap.
Pottwale. Das Ambra im Kopf, auf das Käptn Ahab so scharf war, das Ambra im Kopf der Pottwale, aus dem ein erlesener Aromastoff zu gewinnen ist, diese gelbliche Masse dient den Pottwalen als Hilfsmittel für den Druckausgleich. Damit sie mal kurz auf drei- oder viertausend Meter abtauchen können. Dort erbeuten sie, die zwanzigmetrigen Pottwale, die zehnmetrigen Riesenkraken.

Das sind fast schon Firmenfusionen.

Kämpfe der Giganten.

Das muss gefilmt werden. Das gehört auf jeden Bildschirm. Ein Tiefseewestern. Pott Bronson gegen Crack Redford.

Und die Pottwale können den Riesenkraken nicht einfach die Fangarme stutzen, und die Riesenkraken können den Pottwalen nicht die Zähne abschleifen. So wie das die Toreros mit den Hörnern ihrer Stieropfer tun.
Und - falls Sie das nicht bereits selber gedacht haben sollten - gewiss doch können die Stiere den Toreros auch nicht die Degenspitzen oder sonstwas abschleifen.

Und es ist auch kein Ringrichter da, dort unten in der Tiefsee.

So ist halt das Leben.

Echter, wahrer, lebensvoller Kampf.
Krak gegen Wal, Wal gegen Krak.

Und keine Manager, die absahnen. Diese Tiefseeturniere brauchen kein Sponsoring und kein Turniergeld.

Also her mit wasserdichten und druckfesten Kameras. Neuseeländische Forscher montierten sie an die Flossen, in die Haut harpunierter und vorübergehend betäubter Pottwale. Wenn Ahab das noch hätte erleben können.

Und was passiert seitdem? Riesenkraken lassen sich an die Meeresoberfläche schwemmen, Pottwale stranden im neuseeländischen Schlick.

Und niemand merkt, dass es sich da um Protestdemonstranten handelt, um Tiere wie der Mensch Jan Palach in Prag, wie die buddhistischen Mönche im Vietnamkrieg, die sich selbst verbrannten aus Protest gegen die Uebermacht.

Ganze Walsippen aller Arten demonstrieren schon seit Jahrzehnten gegen die Verschmutzung und Leerfischung der sieben Weltmeere und gegen ihre Harpunierung. Sie scheissen uns doch nicht ins Essen und schlagen uns nicht tot!

Und jetzt wollen wir sie noch filmen. Das reicht.

Was erreichen die Märtyer-Pottwale, die sich letzte Woche ans Land stürzten? Sie werden gefilmt. Helfer kümmern sich um sie. Sie sterben, ausgetrocknet, unverstanden.

Anders war es zu Jonas Zeiten. Damals reichte es noch, wenn ein Walfisch einen wertsetzenden Menschen verschluckte, vorübergehend, um ihn wieder auszu-spucken. Dann ging der Ausgespuckte hin und predigte, nächstens drohe der Untergang, wenn die Menschen sich nicht sofort abkehrten von ihrem bösen Wandel und vom Frevel, der an ihren Händen ist. Und damals hörten die Menschen mit dem Allerschlimmsten auf, kurz, und der Untergang fand nicht statt, vorerst.

Der weisse Hai hatte es nochmals auf diesem Weg versucht, war aber missverstanden worden. Vielleicht war es aber auch nur eine ideologische Finte des weissen Hais, dass er sich auf den Walfisch berief, der den Jona verschluckt hatte. Denn der weisse Hai dachte ja nicht daran, seine Beute wieder auszusprucken.

Wie dem auch sei, Moran weiss es auch nicht. Er kann nicht einmal die Walsprache, obwohl er die Walgesänge liebt. Man braucht nicht alles zu verstehen, was man liebt. Aber Moran denkt das nun mal, jedesmal, wenn Wale stranden: Das sind verzweifelte Botschafter und Botschafterinnen der geplagten Weltmeere.

Und die neuseeländischen Forscher haben wirklich Kameras an die nackten riesigen Leiber der betäubten Riesentaucher geheftet.

Da haben es die Rennfahrer der Formel l besser. Das hat Moran von Olga. Der hat es Herr Müller vom Block etwa zwanzigmal erzählt, kurz bevor er gestorben ist. Das muss den Herrn Müller ungeheuer fasziniert haben. Die haben alle eine Kamera im Boliden, sagte Müller. Die ist auf den Fahrer gerichtet. Alle? Nee. Nur Spitzenfahrer. Der Schumi und der Hill und so. Die Kamera wird ihnen nicht an die Haut geheftet, nein. Verwechseln sie das nicht. Das ist bei den Walen. Bei den Autorennfahrern ist sie am Auto befestigt.

Und auch Ayrton Senna wurde in Imola von seiner Bordkamera begleitet. Aber der Aufnahmeleiter hatte nicht genug Leitungen, um immer alle Kameras laufen zu lassen. Genau 1,4 Sekunden vor dem Unfall schaltete er Sennas Bordkamera ab. So hat Müller, wie alle anderen, den Unfall nur von aussen sehen können. Der Bolide krachte in die Betonwand. Eine Öl- und Blutlache am Boden. Senna war sofort tot.

Der Kameramann wird sich geärgert haben. Es ist der Traum eines jeden Kameramanns, Exklusivaufnahmen von einer Katastrophe zu machen.

Zap
Das muss doch auch noch gesagt werden. Es gab auch schon rebellische Amerikaner, sogar kürzlich noch. Allen Ginsberg, ein gepflegter Sechziger, flimmert in hellblauer Schale über den Schirm. Er singt das Lied Om Om Om Om, think what you think, die when you die. Der Film enthält auch eine Archivaufnahme des jüngeren Ginsberg, wie er, sich selber auf einem abscheulichen Harmonium begleitend, damals schon solch heulend gesungene Poems von sich gibt. Ein bisschen Rabbi, ein bisschen Heilsarmist, ein bisschen Homer.

Nicht Homer Simpson, Gatte der Marsha Simpson und stolzer Vater der Schulkinder Bart und Lisa sowie von Maggie, dem dritten knallgelben, sternförmigen Simpsonkind mit dem permanenten Schnuller im Schmollmaul.

Homer Simpson ist kein blinder Barde, sondern ein risikoblinder Atomkraftwerkangestellter.
Er ist ein überzeugender Repräsentant des Plastikzeitalters. Und der rebellische Bart Simpson ist ein legitimer Enkel der Beatniks. Lisa ist politisch korrekt; das ist selten bei Comic-Figuren.

Ginsberg kramt im Fotoarchiv. Mit Timothy Leary und Neal Cassidy on the road. Jack Kerouac, auf der Feuerleiter von Ginsbergs Wohnung eine Zigarette rauchend. 1953.

Da gab es Moran noch keineswegs.

Immer diese medialen Zeitreisen.

Eine Foto mit dem Blick aus Ginsbergs Fenster: Das ist der Blick aus meinem Fenster, sagt Ginsberg. Ich brauchte zehn Jahre, bis ich merkte, dass das meine Weltsicht ist.

Moran fragt sich, ob Ginsberg keinen Fernseher hatte. Keine Fernsicht. Keinen Durchblick. Keine Weitsicht.

Schaute der doch einfach zum Fenster hinaus.

Genau damals begann es doch, Mr. Ginsberg. Der erste Satellit, der gute alte Sputnik in den fünfziger Jahren, war ein schwerer Schock für alle Amerikaner.

Aber sie haben aufgeholt und überholt. Jetzt haben sie von allen Satellitenmächten den Planeten am besten im Griff.

Zap.
Flottenadmiral a. D. Schmähling sagt: Wir leben am Anfang des Informationszeitalters. Aller Anfang ist schwer, denkt Moran. Schmähling fährt fort: Hunderte von Satelliten machen es sogar möglich zu sehen, was jemand auf dem Roten Platz in Moskau in der Zeitung liest. Moran denkt: Aber wer braucht denn Hunderte von Satelliten, um Zeitung zu lesen. Unbeirrt fährt Schmähling fort: Was ich damit sagen will: Die Möglichkeiten, sich gegenseitig in die Karten zu sehen, sind so vielfältig, dass es dazu keines Geheimdienstes bedarf. Was es künftig braucht, ist die Bewertung und Analyse.

Die gemütlichen Bayern senden nicht mehr Dorfkirchen zum Programmabschluss, sondern Space Night.

Stundenlang, nur von dezenter Musik begleitet, Satellitenfilme.
Die Welt ungefähr im Atlasformat, die Ländernamen eingeblendet.

Jetzt ist Neapel im Schirm, der Vesuv, Pompeii, Ercolaneo. Vor fünfzehn Jahren ist Moran dorthin gefahren, mit einem Freund.
Sie sahen die toten, verkohlten Römer, die eleganten Villen, den tanzenden Faun.
Die rauchige Luft störte sie nicht. Mit Tomaten, Mortadella und Rotwein richteten sie sich am Strand ein.

Sie sahen Neapel und starben nicht.

Nur einmal, als er schon am Morgen lauwarmen Rotwein trank und in der Mittagshitze einschlief, erlitt Moran eine Kombination aus Sonnenbrand und Hitzschlag, der ihn sterbenselend machte.

Aber am Abend war er wieder munter.

Mathias Marker heisst der Freund, es gibt ihn noch, Moran sieht ihn selten, er ist Sprachlehrer geworden.

Mit ihren monumentalen Initialen MMMM hatten sie einen Strandfelsen gekrönt und hatten die Gravur ergänzt mit YYYY: Yolanda Yorigunda Yasmin Yvonne. Ein schönes Muster hatte das ergeben, zentimetertief und recht präzise hatten sie es eingekratzt und eingemeisselt mit verrosteten Metallteilen.
Davon hatte es an dem Strand, der direkt unter der Eisenbahnlinie lag, mehr als Muscheln.

An Napolitanerinnen kamen sie nicht heran, sie konnten schlecht italienisch.

Aber auf der Rückreise trafen sie tatsächlich eine Yasmin und eine Yvonne, die eigentlich Elisabeth und Corinne hiessen. Sie fuhren engumschlungen nordwärts heim; die schönste Strecke war bei Salerno, dort fuhr der Zug so langsam, dass sie auf den Treppen der offenen Plattformen der alten Wagen sassen, Haargeflatter im Zugsgeratter. In den Bahnhöfen machten sie Furore, Yasmin war strohblond, Yvonne rotblond. Yasmin ist jetzt Frau Marker.
Corinne ist spurlos verschwunden.

Sie waren auch auf den Vesuv gepilgert; der Satellitenfilm zeigt ihn im Format der Behausung eines Ameisenlöwen.

Die Satellitenkamera schwenkt auf den italienischen Stiefel im Schuhformat, Schnee liegt auf den kalabresischen Bergen, die Strasse von Messina wie gehämmertes Silber, die Spitze Siziliens hat die Silhouette einer Nachtigall, die an der Stiefelspitze pickt.

Nein, dieser Satellit ist nicht einer, mit dem man den Corriere della Sera lesen könnte, oder die Tätowierungen der auf der Treppe von San Gennaro Sitzenden.
Er hat etwa die Optik eines Jets auf Flughöhe.

Irgendjemand zoomt jetzt das Satellitenbild tiefer, Skylla und Charybdis, Mafia und Camorra werden näher ins Auge gefasst, aber nicht allzu nahe, dann wird wieder Weitwinkel eingeblendet.

Der ganze Stiefelfuss, Apulien.
Albanien. Korfu. Griechenland.
Das wolken- und inselgesprenkelte Ionische Meer.
Die Rundung des Planeten. Türkei Syrien Israel Jordanien Arabien. Aegypten im Ueberblick.

Ueber Arabien ein schneller Zoom auf wabenformige Bewässerungsstrukturen. Geometrisches Menschenwerk.

Sinai, wie ein Y umschlingt das Rote Meer die heilige Halbinsel.

Das Rote Meer ist türkisblau, die Wüste trägt rosa Ocker.

Moran erinnert sich an einen selbstgebrannten Teller von Olga in diesen Farben. Er bekommt Lust auf Kuchen, weiss aber nicht warum.

In Aegypten erscheint ein dunkelblaues Apfelmännchen: Der Assuan-Staause, ausufernd in alle Wadis der Wüste.

Verdankenswerterweise haben die Bayern von milder Marschmusik auf arabische Bauchtanzmusik umgeschaltet.

Kühles Blau-Weiss bringen sie jetzt, die weltläufigen Freistaatler. Der ganze Nordatlantik, riesige Eisplatten, Eisschollen, spiralige Wolkenfelder.

Der Blaue Planet. Auf der Tonspur SOUNDGARDEN:
Blackhole Sun, when d'you come?


Na, na, na, ihr untergangsverliebten jungen Musiker.

Das wird noch ein Weilchen dauern, bis unsere liebe, gute, warme, helle Frau Sonne ein schwarzes Loch sein wird.
Bis dahin, diese Hoffnung will Moran niemandem zuschanden machen, bis dahin möchten doch bitte, bitte, bitte die irdischen und ausserirdischen Programmleitungen unsere schöne Erdkugel in ihrer ganzen chaotischen Vielfalt und in ihrer vollen blauen Pracht erhalten.
Nur schon Olga und den Mondfischen zuliebe.

Und falls es doch irgendwie schieflaufen sollte mit Mutter Erde, denkt Moran am Ende seiner Visionen, dann haben wir wenigstens noch die Satellitenvideobänder.



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