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Thomas Huonker MONDFISCH

Kapitel VI


Während und nach dem Golfkrieg fühlte sich Moran dumpf und niedergedrückt.

Er tat seinen Job nicht.

Er hielt alles für sinnlos.

Er lag herum und las Kinderbücher, zappte nur noch auf Trickfilme.

Keine schmutzigen Geschäfte mehr.
Schluss mit Politik, Katastrophen und Krieg.
Kinderprogramm.

Das weissbäuchige Mäuschen steht hinter einem Bretterzaun. Eine kleine Lücke rechts unten hat ihm eine Atempause verschafft.

Aufatmen, ja. Durchatmen. Tiefer Seufzer, ach. Ganz ruhig Luft holen.

Aber nun übertreib bloss nicht!

Das weissbäuchige Tierchen pumpt sich auf, bis es vom Boden abhebt.

Wird es zum Pionier der Luftfahrt? Propagiert es aufopferndes Astronautentum? Nein, die Telemaus ist kein Versuchskaninchen.

Sie heisst nicht Lajka.

Sie ist nicht Objekt, sondern Subjekt.

Wie der Biber, wie die Biene und wie die Spinne beweist sie, dass schon das Tierreich auf zielgerichtete Arbeit mittels Werkzeuggebrauch hinzielt.
Schlau Mäuslein pumpt die ganze Luft wieder aus sich heraus, hinein in eine Kaugummiblase. Die sprengt innert Sekundenbruchteilen alle Grenzen des Wachstums.

Wie eine grosse Giftqualle hockt sie jetzt im Schirm, die inflationierte Gummiblase.

Das kann nicht ewig dauern.

Alle Blasen müssen einmal platzen.

Platze, Blase, platze bald.

Denn um die Ecke der Umzäunungsanlage kurvt der oberste Grenzwächter rasant ins Medium.

Der ungestiefelte Kater Tom.

Tom the tomcat.
Im Alarmzustand!

Das Fluchtloch ist schnell rekognosziert. Da ist kein Durchkommen.

Ein raketenartiger Senkrechtstart ebnet den Luftweg. Zwar ist die Ueberwindung der Zaungrenze eine übermäusische Anstrengung für jede Maus, doch nur ein Katzensprung für eine Katze.

Auf dem Scheitelpunkt, im Zenit des Sprungs, noch vor dem Fall: Bereits erkennt der Feind den Feind.

Neuartige Geheimwaffe!

Wie die polnische Kavallerie mit blanker Lanze gegen die deutschen Panzer, so kämpft jetzt diese Katze mit blosser Kralle gegen die wehrtechnische Verwendung neuester ziviler Technik durch die Maus.

Die Maus heisst übrigens, gestatten, Jerry.

Tom und Jerry.

Fix und Foxi.

Urbi et orbi.

Bush und Gorbi.

Gorbi und Jelzin.

Müllers Kuh, das bist du.

Die Blase platzt.

Erst jetzt zeigt sich die volle Wirkung dieser neuen Waffe im ewigen Kampf zwischen Katz und Maus.

Ein Orkan fegt Tom platt an die Wand. Die Wand zerbirst. Der Explosionsdruck wirbelt einzelne Bretter, Katzenbeine und Katzenohren durcheinander.

Gellend pfeift die Maus.

Staubwolken verdunkeln den Himmel. Der Boden scheint zu schwanken.

Tom, ungläubig, hinweggefegt, bekehrt, faltet die Pfoten zum Gebet.

Erst dann obsiegt seine militärische Grundausbildung:
IM ERNSTFALL SOFORT DECKUNG SUCHEN.

Mit denselben Krallen, welche die Explosion auslösten, hebt dieses schwache kleine Lebewesen einen Graben aus.

Doch immer noch tobt der Orkan der geplatzten Blase.

Der Schutzgraben wird zum Grab des Grubengräbers, samt Testament, Grabstein und blumigem Friedhofschmuck.

Denn einmal muss doch aller Kampf und Krieg ein Ende nehmen.

Ruhe in Frieden, tomcat. Vergiss Jerry. Vergiss dich selber.

Es folgen der Schlusschoral und das apokalyptische Signet:
THE END
Das Ende.

Das Ende des Golfkriegs war für Moran verbunden mit dem Bild des verbrannten irakischen Soldaten, der wie eine verkohlte Mumie aus seinem ebenfalls verkohlten Jeep heraushing.
Entenjagd, hatten die US-Piloten dieser Kriegsetappe gesagt.
Die schwarze Totenmaske verfolgte ihn monatelang.

Er kam mit nichts voran, beendete nichts und begann nichts.

Moran kümmerte sich auch nicht um Olga.

Er verkam.

Das einzige, was ihm half, war sonniges Wetter.
Moran legte sich auf den Boden seiner Wohnung, wenn die Sonne hereinschien.

Er sass und lag auf Parkbänken, Parkwiesen, Parkmauern.

Am besten gefiel ihm ein Platz am Flusseck, im alten, leicht verwilderten Park am Zusammenfluss von Wehl und Ach. Die beiden Gewässer bilden dort fast so etwas wie einen See; ein Wehr weiter unten staut sie auf. Er sass da stundenlang auf einem riesigen Steinblock, der bei der Flussuferverbauung irgendwie falsch gelandet war. Vielleicht hatte ihn auch ein Hochwasser in diese Lage geschwemmt. Jedenfalls bot er eine Sitzfläche fast wie ein Kinostuhl, und hinten, gegen die Flusseckpromenade, war der Platz durch undurchdringliches Strauchwerk vor Wind und Spaziergängerblicken geschützt. Morans Seele lebte auf, wenn er ein halbe oder noch besser eine ganze Stunde lang ins Licht des auf den Wellen gespiegelten und gewiegten Himmels geblinzelt und mit den Enten, Blässhühnern und Schwänen geschäkert hatte.

Der Platz musste auch anderen Sonnenliebhabern bekannt sein: oft lagen da fünf, sieben oder zehn Zigarettenstummel fein säuberlich in einer Ecke. Und als Moran einmal ein Sandwich auspackte und hier ass, raschelte es links hinten leise. Kaum waren ihm einige Brosamen auf den Stein gefallen, huschte eine ansehnliche Ratte herbei und frass sie manierlich. Moran warf ihr auch etwas Schinken sowie einige mit Butter bestrichene Bröckchen zu. Sie war begeistert.
Fortan brachte er immer etwas Essbares mit. Am liebsten mochte die Ratte hartgekochtes Eigelb und Marzipan.

Als Moran wieder einmal den Stein verliess und durchs Ufergebüsch auf die Promenade trat, lief er direkt in Olgas Arme. Beide waren gerührt. Olga hatte viel zu tun gehabt, sie hatte aushilfsweise zusätzlich in einer Galerie gearbeitet und viel getöpfert. Moran erzählte lieber nicht, wie er die letzte Zeit verbracht hatte. Er sagte, auch er habe viel zu tun gehabt. Aber er sei froh, sie wieder zu sehen. Sehr froh. Das stimmte. Olga fragte anzüglich, was er denn da im Gebüsch getrieben habe. Moran grinste und sagte: Wenn du dich getraust, zeig ichs dir. Olga folgte ihm erwartungsvoll. Er liebte ihre neugierige Nase.

Moran zerkrümelte die Spitze eines Marzipanriegels und brach den Rest entzwei. Kaum hatte er die Krümel auf den Stein fallen lassen, wetzte die Ratte herbei. Sie scherte sich einen Deut um Olga und frass die guten Gaben auf.
Olga war entzückt. Sie verfütterte den grösseren Teil ihrer Riegelhälfte an das graupelzige Biest mit dem Schlangenschwanz.
Olga erzählte, wie ihre Mutter jeweils aufgekreischt habe, wenn nur schon eine Maus oder ein Spinne in der Wohnung auftauchte.

Moran küsste Olga. Olga küsste Moran.

Auf die Ratte achteten sie nicht weiter. Olga warf es Moran bitter vor, ihr diesen Platz nicht sofort gezeigt zu haben. Moran entschuldigte sich.
So etwas könne man doch einer Dame nicht zumuten.
Von dem Tag an ging es Moran besser, und er hatte die düstere Golfkriegsstimmung einigermassen hinter sich gelassen.

Jetzt hat Moran den Golfkrieg abgebucht.

Dafür war Olga weg.

Sie war zu ihren holländischen Freundinnen gefahren.

Moran spulte Band um Band durch und blieb an allen Szenen hängen. Mal dies, mal das. Ziellos verhedderte er sich in zusammenhanglosen Szenen, zappte von Kanal zu Kanal, von Reklame zu Nachrichten zu Talkshow zu Trickfilm.

Zap Zap Zap Zap Zap Zap. Zappa Zap Zap Zap. Zap Mama, Zap Papa, Zap Grosspapa.

Zap.
Was ging ihn diese Welt an?
Derart muffig und antiquiert. Aber doch stilvoll, theatralisch.
In einem grossen Salon mit dicken grünen Vorhängen thront Bischof Haas, Chur, mit seinem lila Hütchen in einem ebenfalls grünen Sessel, der noch breiter ist als er.

Nichts geht das Moran an. Er ist reformiert getauft konfirmiert.

Auch der Reporter sitzt auf einem breiten grünen Sessel. Der Kirchenmann und der Pressemann reden über Mutter Teresa. Der Reporter fragt, ob denn der Bischof der Meinung sei, die Frauen seien wohl zum Dienen und Helfen da, nicht aber zum Leiten und Führen; in der Hierarchie hätten die Frauen auch in der Zukunft nichts verloren, die bleibe Männersache?

Haas, der immer zufrieden strahlende Haas, spreizt seine fetten Fingerchen von seinen kleinen Händchen ab.

Die Arbeit in der Hierarchie sei eben auch Dienst.

Macht, sagt der Reporter.

Richtig, sagt Haas. Hierarchie besage nichts anderes, als dass die geistlichen Aemter einen heiligen Ursprung hätten, und dass diejenigen, die ein geistliches Amt innehätten, selbstverständlich Diener sein sollten, und zwar vorbildhafte Diener. In der Kirche gebe es überhaupt nur eine Karriere, nämlich die der dienenden Liebe. Dort sollen wir uns alle gegenseitig übertreffen.



Der Reporter fragt, was der Bischof von weiblicher Diakonie halte.

Haas sagt, langsam, vollmundig, das halte er aus theologischen und traditionsgeschichtlichen Gründen nicht für denkbar - aber bedacht muss ers ja dann wohl haben, er korrigiert sich - nicht für möglich.

Möglich, Herr Haas, möglich ist aber alles, und Jesus war ein unmöglicher Kerl.

Der Reporter erkundigt sich teilnehmend, wie Haas mit der Lage umgehe, dass in den sieben Monaten seit seiner Amtseinsetzung der Widerstand gegen ihn fast täglich gewachsen sei.

Haas sagt, kirchliches Leben stehe ganz allgemein in einer Auseinandersetzung mit der gesamtgesellschaftlichen Umwelt.
Er versuche immer, diese Einzelproteste und auch ganze Wellen von Protesten als gesamtgesellschaftliches Phänomen zu verstehen. Innerkirchlich betrachtet habe er den Eindruck, dass dieser Protest oder auch diese recht kritische Auseinandersetzung eigentlich so etwas seien wie eine Kontestation der, äh, kirchlichen Normalität. Ich sage manchmal, man kann heute an verschiedenen Extremen angesiedelt sein, ob rechts oder links, man findet sehr viel Toleranz, im Namen der Toleranz versucht man das alles dann letzten Endes auch zu rechtfertigen, aber es wird recht schwierig, wenn jemand auf der Basis der kirchlichen Normalität lebt, das heisst in der Einheit mit dem Papst und dem Bischofskollegium in der ganzen Welt, auf dem Hintergrund des kirchlichem Magisteriums, also des Lehramtes, dann sind heute, so wie mir scheint, die Reaktionen am allerschärfsten.

Ob er sich auch schon überlegt habe, woher dieser Widerstand denn komme.

Haas, der magisteriale Diener Gottes, beruft sich nun nicht mehr auf den Stellvertreter, sondern auf den HERRN direkt.

Ich bin, sagt er, weniger ein Mensch der Analyse als der Zusammenschau. Wenn ich das tue, als gläubiger Mensch, und als Bischof vorab, dann versuche ich dabei natürlich die übernatürliche Sicht der Dinge zu haben.

Das sagt er wirklich, der Haas in seinem grünen Stuhl.

Natürlich übernatürlich.

Haas weiss noch mehr derartiges.

Ich versuche zu verstehen, sagt er, dass vieles dabei im Grunde genommen eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Wahrheit ist. Als gläubige Menschen sind wir überzeugt, dass Gott sich uns mitgeteilt hat, dass Gott sich uns erschlossen hat, dass er uns das mitgeteilt hat, was zu unserem Heil notwendig ist. In diesem Sinne, denke ich, ist im tiefsten Sinne eine Krise des Wahrheitsbegriffs vorhanden.

Könnte sogar richtig sein, diese Krisenanalyse, denkt Moran.

Nur sitzt natürlich, übernatürlich, der Lügenteufel immer in den andern menschlichen Mitgeschwistern, und Gott thront in der eigenen Birne und leuchtet den andern nicht ein. Mit Raketen und Bomben muss denen heimgeleuchtet werden, die nicht denselben Gott haben.

Mit Gott tuts Bush, mit Gott tuts Saddam, mit Gott tats David.

Moran hat Hunger bekommen. Er geht mittagessen.

Der Invalide ist nicht in der Kneipe und sonst kennt Moran auch niemand. Aber sein Lieblingstisch ist frei, und eine zerlesene Zeitung liegt darauf.

Moran setzt sich und liest. Er stösst auf eine jener Meldungen, die er sammelt und auf grosse, vergilbende Haufen von Zeitungspapier legt. Ende Jahr wirft er jede zweite dieser Archivalien fort, und oft ist ihm die Entscheidung schon schwergefallen. Die Meldung lautet: ENTDECKUNG EINES STAMMES VON NOMADEN IN PAPUA-NEUGUINEA
PORT MORESBY, ENDE JUNI
DIE POLIZEI VON PAPUA-NEUGUINEA HAT NACH EIGENEN ANGABEN KONTAKT ZU EINEM BISHER UNBEKANNTEN NOMADENSTAMM IN EINEM UNWEGSAMEN GEBIET NAHE DER GRENZE ZUM INDONESISCHEN TEIL DER INSEL AUFGENOMMEN. EINE PATROUILLE SPÜRTE IN DEN BERGEN BEIM DORF TELEFOMIN, DAS 1200 KILOMETER WESTLICH DER HAUPTSTADT PORT MORESBY LIEGT, DEN 79 KÖPFE ZÄHLENDEN STAMM DER LIAWEP AUF. DIE ZEITUNG "THE NATIONAL TIMES" ZITIERTE ENEN POLIZEIOFFIZIER, DER ERKLäRT HATTE, DIESE GRUPPE, DEREN ANGEHÖRIGE NACKT SEIEN, HABE BISHER KEINE KONTAKTE ZUR AUSSENWELT GEHABT. NUN HABE DIE POLIZEI DIE REGIERUNG ERSUCHT, DIE MENSCHEN MIT KLEIDUNG UND KOCHGERÄTEN ZU VERSORGEN. SEIT MAI HABE DIE POLIZEI NACH DEM STAMM GESUCHT. DAMALS SEI EIN LIAWEP VON DORFBEWOHNERN GEFANGENGENOMMEN WORDEN UND DIESER HABE DANN üBER DIE EXISTENZ DES STAMMES BERICHTET. NACH EINEM ANDEREN BERICHT HABEN SICH CHRISTLICHE MISSIONARE BEREITS AUFGEMACHT, UM DIE LIAWEP ZU BESUCHEN.


Um sie zu besuchen, hat der Redaktor formuliert. Weil sie keine Kleider haben, so haben sie wohl auch keine Religion. Und weil sie keine Kochtöpfe haben, haben sie bisher wohl auch nicht so gegessen, wie es sich gehört.

Moran bestellt Kürbissuppe und einen Salatteller.

Er erinnert sich an eine Reportage, die er nicht aufgenommen hat.
Es ist eine jener Sequenzen, die er im inneren Video abgespeichert hat.

Eine Theatertruppe, nämlich eine Frau, zwei Männer, ein Lastwagen, etliche Papp- und Blechschilder sowie, je nach Programm, Reis, Waschmittel oder T-Shirts frisch ab Weltmarkt.

Das missionarische Ziel der Truppe ist es, den sich selbst versorgenden Stämmen im innern Neuguinaea den Konsum von Weltmarktprodukten wünschbar zu machen.

Auf der transportierbaren Bühne wird da vorgespielt, wie ein Familienvater genug hat von den ewigen Süsskartoffeln aus dem eigenen Garten. Er beschimpft seine Frau: Immer nur Süsskartoffeln. Jahraus jahrein.
Tobend verlässt er die Bühne.
Da erscheint der nette Nachbar.
Er will der Frau aus der Klemme helfen. Gar nichts anderers will er, bitte sehr.
Er sagt: Hier. Koch mal Uncle Bens Rice.
Und sie kochen den Reis.
Der sticht dem unzufriedenen Gatten in die Nase, er kommt wieder heim, und er ist begeistert vom neuen way of life.

Ja, wir kaufen Reis! Ja, ja, ja! Reis! Reis! ruft das Publikum. Die Schauspieler streuen Reis auf die Zuschauer. Coca Cola haben die Konsumpropagandisten auch vorgeführt. Und Waschmittel. Und Insektenspray.

Das Publikum, zu dem sich selten jemand von der Weltmarktwelt verirrt, ist begeistert.

Doch als die Truppe auch noch die Pille empfiehlt, schreitet der Dorfrat gegen die Vorstellung ein. Sie wird abgebrochen. Die Theaterleute sagen, sie hätten Angst.

Die Dorffrauen erkundigen sich aber doch bei der Konsumtheaterfrau, wie das funktioniere mit der Pille.
Das lassen die Männer knurrend zu.
Aber bitte keine öffentliche Vorführung dieser Technik, die ihre Kinderzahl reduzieren soll.

Die Männer werfen sich in ihre wunderschönen Grashaarhüte, in ihren Federschmuck. Sie bemalen sich.
Sie führen einen Tanz zur Bestärkung der männlichen Fruchtbarkeit auf.

Die Theaterleute hatten ihre Show. Gut. Alles hat seine Grenzen, aber sie hatten ihren Auftritt.

Die Dorfmänner zeigen ihre Show. Ernst, entschlossen, selbstbewusst und schön machen sie im alten Festschmuck die alten Tanzschritte zu erstaunlichen Rhythmen aus Trommeln und Rasseln.

Ein wunderschönes Bild.

Bald werden auch hier die buntbedruckten T-Shirts Einzug halten. Und die Baseballmützen. Dann hat der Konsum gesiegt, der Weltmarkt auch, und die Schönheit ist aus einer der letzten Weltecken gewichen, wo sie noch ungehindert gedeihen konnte.

Vor ihrem Abzug nageln die Theaterleute einige Reklametafeln an eigens eingerammt Pfähle.

Uncle Bens Rice. Coca Cola. Fanta. Sprite. Mars. Kelloggs Cornflakes. Die Theaterleute erzählen dem Reporter im Auto, auf der Weiterfahrt zur Missionsstation, wo sie übernachten, manchmal hätten sie schon Angst.
hre Störung der alten Bräuche stosse gelegentlich auf Gegenwehr.
Sie seien auch schon mit Gewalt verjagt worden.
Die drei Theaterleute im Sold der Multis und der sanitarischen Regierungsprogramme sind elternlose Kinder, von ihren Stämmen verstossen, in Missionsstationen aufgewachsen.

Der Film zeigt auch, wie Neuguinea abgeholzt wird.
Das alte Stammesleben mit dem hochentwickelten Gartenbau, eine der ältesten Landwirtschaftsformen überhaupt und vollkommen biologisch-organisch, die wunderschönen body-paintings, die Masken, der Kopfschmuck, die straffen Penisetuis, die gemeinsam errichteten Stammeshäuser, das selbstgebraute Bier, all das wird verschwinden und der weltweit verbreiteten zerlumpten Armut in den abgelegten Kleidern der Europäer und Amerikaner Platz machen.

Ja, der neuentdeckte Volksstamm, dessen Kultur höchstwahrscheinlich viel älter ist als die seiner Entdecker, hat auch noch keine Satellitenschüsseln, und keine Gewehre.

Bald werden sie im Krieg, den sich das islamische Indonesien und das christliche Papua-Neuguinea auf dem Gebiet der Liawep liefern, die einheitliche Welt, den einen Gott, den einen Staat, sei er nun muslimisch oder christlich, in den Kopf ihrer Stammesverwandten ballern. Nichts soll so sein wie es ist, alles soll so sein wie alles sein soll. Einheit, Gleichheit, Weltmarkt, Weltkrieg, Weltreligion.

Moran denkt: Gottverdammt nochmal.

An sich ist Gott ja ein seltsamer Vogel, wunderbar wandelbar, ja, ein seltsamer Zweibeiner, der vielfältige Gott,Quetzalcoatl, Horus, Phönix, in jedem Kopf mit andern Federn, anderem Futter und anderem Gesang vorhanden, hier ein Adler, dort die Taube, oder der Storch, ein Eisvogel, Wendehals, Pfau oder Zugvogel, oft der Vogel Strauss, manchmal ein Huhn, das Eier legt, selten ein Paradiesvogel, nicht selten, unter den modernen Andersgläubigen, Autogläubigen, Geldgläubigen, Medizingläubigen, Technikgläubigen, nur noch ein ausgestorbenes Relikt, der Archäopterix, ein ausgelaufenes Modell, aber immer noch dienlich für den absoluten Glauben an den unaufhaltsamen Fortschritt hin zur einheitlichen, perfekten Welt.

Nein, Moran hat nichts gegen Götzenbilder, Gottesbilder, religiöse Kunst, verschlungene Riten, persönliche Stossgebete, weise Lehren göttlich Erleuchteter.
Aber er ist allergisch auf die Illusion, dahinter stehe der eine wahre Gott.

Dahinter, denkt Moran, dahinter stecken die vielen, vielen Menschen mit ihrem wirren Irren auf der Suche nach Wahrheit und Glück.

So wenig eine wahre Musik hinter all dem Singen, Pfeifen,Fiedeln, Schreien, Trommeln, Heulen, Orgeln und Zupfen tönt, sowenig ein wahrer Tanz hinter dem Tanzen tanzt, sowenig eine wahre Kunst jenseits von allem Kitsch und allem Können zu vollbringen ist, so wenig eine paradiesische Erde sich irgendwo im Weltall verbirgt, so wenig es ein Tier als solches gibt, sowenig der Ginkgo die eine Urpflanze ist, sowenig eine Wahrheit und ein Glück hinter all den Stunden der Wahrheit und den Momenten menschlichen Glücks fassbar ist, so wenig gibt es einen Gott.

Nicht das sagt Bischof Haas. Gewiss nicht.

Moran hat gegessen. Er visioniert beim Verdauen.
Zap tap tap tap tapaptapptaptaptaptab tap tap.

Der irdische Hirte flimmert immer noch im Schirm, thront immer noch schwer auf seinem Sessel.

Natürlich übernatürlich, sagt Moran, Hokus Pokus, Hase Bischof.

Bischof Haas redet weiter, mit schwerem Goldkreuz auf dem Wanst und mit milder Stimme, ein sanft lebendes Fleisch, aus dem Bischofshof an guter Wohnlage kann er die Aussicht geniessen.

Ein Dogmatiker mit dem Felsen zu Rom als unverrücktem Zentrum der Welt, ein sublimer und konsequenter Geniesser der Macht eines Amtes.

Die Krise der Wahrheit treffe ganz besonders jene, die im Umgang mit der Wahrheit Verantwortung trügen, besonders eben seine Mitarbeiter, richtig sagt er das, Mitarbeiterinnen beim Umgang mit der Wahrheit duldet er keine, also: seine Mitarbeiter im Priesteramt.

Unerbittlich kommt der bärtige Reporter aus Oesterreich zurück auf die Frage, Herr Bischof, wie gehen sie denn um mit der Situation, wie können sie denn das aushalten, dass zum Beispiel im Kanton Zürich, der zu ihrem Bistum gehört, bei Abstimmungen regelmässig bis 90 Prozent der Priester gegen Sie sind?

Der Kameramann setzt den Reporter höchst unvorteilhaft ins Bild, schräg von oben trifft der Blick des Kameraauges seinen tonsurähnlichen Glatzenansatz.

Bischof Haas ist telegener, auch wenn er nicht im vollen Ornat, mit Bischofsstecken und Stab samt Fischmaulmütze und Weihrauchfass erscheint. Die Kurie ist gestylt, das wirkt heute noch.

Bischof Haas faltet die Hände.

Das ist sehr schwer zu beantworten, wie lange man so etwas aushalten kann. Man, man, Mann, Mann! hofft es immer aushalten zu können, durchstehen zu können, weil ich auch davon überzeugt bin, dass diese statistischen Verhältnisse, wie sie teilweise gegeben werden, wohl auch nicht immer so zutreffen, das ist eine Seite, andererseits aber, weil ich fest davon überzeugt bin, dass das, wofür ich eintrete, wofür ich stehe, eben nichts anderes ist als das, was eben mit katholischer Normalität umschrieben werden kann. Das ist eine Herausforderung. Und dieser Herausforderung habe ich mich gestellt in einer sehr komplexen Welt, in einer auch durch kirchliche Auseinandersetzungen geprägten Welt, die schon vorgegeben war, und ich hoffe immer noch, irgendwie auch andere einladen zu können, sich dieser Herausforderung zu stellen, dass man, mann, Mann, Mann! nicht kapituliert, mein Gott ist ein Kriegsgott, dass man nicht kapituliert vor einer Frage wie derjenigen der Akzeptanz oder einer Frage wie derjenigen des Konsenses, sondern dass man seiner inneren Wahr-

Zap.
RTL liefert einen Western, mit dem Titel SAMURAI, in Italien gedreht, wahrscheinlich waren immerhin die japanischen Kameras japanisch in diesem weltweit konsumierbaren Spaghettisaucenstreifen.

Nach einer schlimmen häuslichen Szene steigt der Sheriff auf sein Pferd und reitet in die Wüste. Dort trifft er einen hübschen jungen Mann, der Pferdestop macht, weil sein Hengst es mit einer Stute treibt. Er sitzt dem Sheriff hinten auf, glücklich reiten sie dahin, dem hübschen Jungen ist es ein bisschen peinlich, er versichert, er komme seinem Vordermann nur deshalb so nah von hinten, weil der Pferderücken etwas kurz sei.

Zap.
Ein Fragespiel. Goldenes Dekor, goldene Stimmung, goldener Humor, goldene Preise. Die goldblonde Moderatorin im goldenen Kleid, mit goldenen Sandaletten und goldenem Mikrofon stellt mit goldener Stimme einem etwas verschwitzten, angespannten Herrn hinter einer goldenen Apparatur mit den vergoldeten Tasten A und B eine Frage. Der aufgeregte Herr, der seinen Einsatz verdoppelt hat - entweder er gewinnt zwei Goldbarren oder er verliert den einen, den er schon gewonnen hat - der aufgeregte Herr hat Schweisstropfen auf der Stirn und trägt immerhin ein goldglänzendes Brillengestell.

Die Goldfrage lautet: Wie hoch ist die Summe der steuerfreien Geschäftsspesen in unserer Staatsrechnung. Sind es A: 150 Millionen oder B: 7 Milliarden?

Der Kandidat drückt die Taste A.

Die Moderatorin sagt: Irren ist menschlich. Es sind 7 Milliarden. Tut mir leid. Als Trostpreis lädt Sie der Sponsor dieser Sendung zu einem Geschäftsessen im Goldenen Ochsen ein.
Ich verabschiede sie mit dem besten Dank aus unserer Sendung DIE GOLDENE NASE.
Die Moderatorin übergibt das Mikrofon einem Gehilfen in goldenem Blazer, stöckelt auf ihren Goldsandaletten zum durchgefallenen Goldkandidaten und appliziert ihm eine goldene Pappnase. Der Kandidat hebt hilflos die linke Hand und wird von der Gehilfin, die einen goldenen BH und einen goldenen Minirock trägt, durchs goldene Kulissentor hinausgeleitet.

Zap.

Eine Konjunkturprognose. Der Dollar steigt, der Goldpreis sinkt. Neue Rekordwerte der Aktienindexe.

Streiks in den türkischen Kohlegruben.

Zap.
Eine Grosswetterlage. Ein starkes Hoch über Deutschland bringt sonniges Wetter für ganz Europa.
Es lebe hoch, hoch, hoch.

Zap.
Zwei blonde junge Leute, ein hübsches Paar, verbarrikadieren sich in einen mittelalterlichen Gebäude. Das Mädchen, jung, träumerischen Blickes, sucht seinen Bruder. Der junge Mann sagt: Ich sage dir, er ist tot.
Sie lehnt an der verbarrikadierten Tür. Deren Bretter splittern, zerlumpte, graue Gestalten mit totem Blick greifen nach der jungen Frau, reissen sie weg. Der junge Mann folgt ihr, einen zugespitzten Holzpflock in der Hand. Er sieht die lebendigen Toten in einen Innenhof einbiegen, die junge Blonde, die sich sträubt, mit sich schleifend. Ein mittels Narben, schiefem Mund und finsterem Blick klar kenntlich gemachter Bösewicht wendet sich aus der Schar der Toten zum Blonden um. Der Bösewicht wirkt lebendiger als die übrigen Toten.

Der Schiefmäulige sagt: Lass sie ihren Bruder suchen, oder hol sie dir zurück, wenn du willst.
Der junge Blonde, offenkundig der Feind des Bösen, also der Gute, weicht zurück. Die junge Blonde kann den Toten entrinnen, die sich seltsam starr, doch zuweilen auch blitzschnell bewegen.

Der Bösewicht, hämisch, gibt Befehl, sie wieder einzufangen. Aus allen Kellerfenstern des zerfallenen Dorfes greifen bleiche Hände nach den blossen Füssen der Lebendigen, die nur ein blaues Nachthemd trägt. Sie reisst sich los, versteckt sich, wird schliesslich eingefangen.
Ein Toter würgt sie.
Der Bösewicht tritt mit freundlichem Lächeln herzu, schnippt den Würger weg, nimmt die um Luft Ringende in die Arme: Es hat keinen Zweck, mir entwischen zu wollen.

Die Blonde in einem mittelalterlichen Labor, Glasflaschen, Destillierkolben, Gifttöpfe, Werkzeug. Keine Bücher.
Der Bösewicht, Herr der Installationen, schaukelt sich in einer Hängematte. Die Blonde wischt einem Toten, der jung und blond ist und ihr gleicht, den Tod vom Gesicht; er bleibt aber grau, eingefallen, aschfahl, hohläugig.
Es ist ihr Bruder. Sie fragt ihn: Erinnerst du dich? Weisst du noch? Denkst du auch gern zurück?
Der Tote blickt offenen Auges, starr, ohne Verständnis, ins Jenseits. Der Bösewicht, furios, fährt auf in seiner Hängematte und fährt die Schwester an: Hör endlich auf. Begreif endlich, dass er sich an nichts erinnert. Er ist ein Nichts. Sie sagt: Ich liebe meinen Bruder. Da steht der Böse auf, zerschlägt eine Schnapsflasche an der Wand und sagt, mit geblecktem Gebiss: Liebe? Ich weiss, was das ist. Wenn du ein Nichts lieben kannst, dann kannst du auch mich lieben. Sie sagt: Eher sterbe ich.
Er packt sie, wirft sie auf den Tisch mit den Gläsern und Kolben. Ich liebe Frauen, die schreien, wenn sie geliebt werden. Wenn du mir die Liebe nicht gibst, die ich brauche, fürchte ich, kann ich für dein Leben nicht mehr garantieren. Schau sie dir an.
Der Bösewicht winkt durchs Fenster hinaus, sagt: Kommt, meine Kinder. Dutzende Toter treten ins Labor, die schöne Blonde, die sich vom Labortisch heruntergeschwungen hat und wieder auf dem Boden steht, sieht sie kommen, die Augen schreckgeweitet.

Der Bösewicht prügelt auf die Toten ein, sie lassen sich, willenlos, alles gefallen. Der Bösewicht, ebenfalls blond und eigentlich sehr hübsch, hebt den Knüppel auch gegen den toten Bruder.

Die Schwester stellt sich vor ihn: Nein!

Der Bösewicht sagt: Warum nicht? Er spürt nichts.
Warum schlägst du sie denn, wenn sie nichts spüren?
Weil ich es will, und was ich will, das bekomme ich, auch dich.

Da springt einer der Toten den Bösewicht an und ruft: Ich werde dich daran hindern. Es ist der gute blonde Begleiter der guten blonden Schwester. Er hat sich togestellt, totgeschminkt, die Klamotten eines Toten übergestreift. Er bringt die Blonde nach draussen, springt nochmals den Bösewicht an, da überwältigt ihn der Totenhaufen. Er wird in ein anderes Gemäuer geschleppt. Doch er kann sich befreien, fällt ein Dutzend Tote mit Faustschlägen und Fusstritten, hemmungslos. Sie sind ja schon tot, und überdies ist es nur ein Film.

Aus allen Ecken und Löchern kommen immer neue Tote. Sie umzingeln den Guten. Er hat keine Chance. Er wird gefasst, ein Toter umklammert seinen Hals. Er röchelt. Da schwingt sich die Blonde im blauen Nachthemd durch eine Mauerlücke. Sie schreit: Nicht töten! Sie wirft sich ins Getümmel. Ihr toter Bruder tritt vor und würgt auch sie. Der Bösewicht tritt vor die Kamera, böse lächelnd, seiner Sache sicher. Er sagt: Töte deine Schwester. Der Bruder lässt den Hals der Blonden los. Die kommt zu Atem, sagt: Weisst Du noch? Erinnerst Du dich noch? Oh, denk an unsere Mutter, wie sie mit uns Lieder sang!
Der Bruder, starren Blicks, greift sich eine Streitaxt, hebt sie. Der Bösewicht drängt: Töte sie! Töte sie!
Der Bruder, verwirrt, dreht sich um, schwingt die Axt, lässt sie in den Schädel des Bösewichts sausen. Der fällt.
Die Toten verlassen die Stätte, sie bilden einen endlosen Zug, bewegen sich auf einen Hügel zu, dort ist der Friedhof. Sie steigen in ihre Gräber, rücken die Grabplatten zurecht. Sanfte Musik, dann Ruhe. Die Blonde ist auch da, sie kauert am Grab ihres Bruders. Sie bekreuzigt sich, steht auf. Der blonde Held erscheint hinter ihr, einen Kopf grösser, mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Er legt ihr die Schlaghand auf die Schulter, sanft. Dann geht er.

Sie blickt ihm nach.

Musik.

Abspann.

Lasst die Toten ruhen. Jeder hat seine Leichen im Schrank. Keine toten Hunde ausgraben.

Das Programm geht weiter. Und sonst zappen Sie doch einfach auf ein anderes Programm.

Zap.
Eine schöne Frau singt ein Lied, das Herr Goldman geschrieben hat.
Es ist ein französisches Lied.
Die Frau heisst Céline Dion.
Moran übersetzt simultan.

Sie singt:
Das läuft nun halt so.
Die Dinge haben sich geändert.
Die Blumen sind verwelkt.
Die vergangenen Zeiten
Sind die vergangenen Zeiten.
Wenn alles gelangweilt weggezappt wird
Gibt es auch keine Liebe mehr.


Sie singt das wirklich:

Si tout zappe et lasse les amours aussi passent.

So ist es, denkt Moran.
Und er findet sie sympathisch.
Sie will nicht loslassen.
Sie will den Kerl verhexen,
mit Hilfe afrikanischer Marabouts
damit er sie wieder liebt.
Damit er sie wieder liebt
will sie sich sogar in Gold verwandeln.
Was muss das für ein widerlicher Zapper sein,
denkt Moran. Liebt diese Frau nicht, aber Gold.

Und er freut sich, dass die Sängerin ihr Lied so häufig verkaufen kann, dass sie eine goldene CD erhält.

Aber auch Moran zappt weiter.
Er muss es ja tun.
Es läuft nun mal so.

Zap Zap Zap.

Zap.
Die neue zuckerfreie Lutschtablette. Ab sofort rezeptfrei in hrer Apotheke. Diese musikunterlegten Worte spricht ein Kuschelstraussentier mitlangem federweichem Hals und süssen Frauenbeinen.

Ueber Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkungen informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheken.

Die Lehre von Wirkung und möglicher unerwünschter Wirkung.
Das ist höhere Mechanik des dialektischen Geistes.
Kaufen, schlucken, hoffen. Diese drei.

Aber bitte nicht einfach alles glauben, was man sieht. Sagen Sie das Ihren Kindern. Erzählen Sie ihnen die Geschichte von Chong Son Ah. Sie stand in der Zeitung.

TV NACHGEAHMT. KIND SPRANG IN DEN TOD. SEOUL. DIE IN SÜDKOREA SHER BELIEBTE FERNSEHSERIE WONDER WOMAN - EINE ART WEIBLICHER SUPERMANN - WURDE DER SIEBENJÄHRIGEN CHONG SON AH ZUM VERHÄNGNIS. DAS MÄDCHEN WAR ZUSAMMEN MIT IHREM ACHTJÄHRIGEN FREUND AUF EINER FEUERTREPPE EINGESPERRT WORDEN. ICH GEHE JETZT HILFE HOLEN, SAGTE SIE UND SPRANG - WIE DIE TV-WUNDERFRAU - VOM ACHTEN STOCK EINES HOCHHAUSES IN SEOUL IN DIE TIEFE. CHONG SON AH WAR SOFORT TOT.

Zap.
Bleiben wir beim Thema Frau. In voller Wanderkluft referiert die Dame, und zwei männliche Wandersleute hören ihre Worte: Aber dann, plötzlich, spürte ich diese ungeheure Kraft. Der Berg war in mir. So muss man sich fühlen, wenn man schwanger ist.
Dieser Satz ignoriert oder persifliert die feministische Linguistik, denkt Moran, Olga hat in ihm einen gelehrigen Schüler.
Ja, jetzt spür ichs wieder. Spürt ihrs auch? Die lauschenden Wanderbrüder kneifen ihre Augenschlitze zusammen. Einer fasst sich. Nein. Schwanger bin ich nicht. Aber pass auf, dein Schuhband ist offen. Nicht dass du während deiner Meditation stolperst.
Sie schnürt den Schuh.
Es kommen härtere Tage.
Ihr Feiglinge. Ihr habt überhaupt nicht mitgemacht.
Krabbelmaus, redet sie nun der andere Wanderbruder an, Florian und ich sind schon oft zusammen in die Berge gefahren.
So ist es. Ein Mercedes steht hinter den Wanderern. Regelmässig. Ohne Berggebet.
Dann habt ihr es eben falsch gemacht. Und habt euch einer grossen Erfahrung beraubt.

Sie dreht sich um und geht. Sagt der zweite Wanderbruder verschwörerisch-entschuldigend zum ersten: Im Bett.....

Er würde gerne mit Olga die Kraft der Berge spüren, denkt Moran. Aber sie ist in Holland.

Er geht schlafen.



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